Hamburg . 68 Menschen verletzt. Flugbetrieb eine Stunde lang eingestellt. Polizei entdeckt Pfefferspray – doch wie wurde das Reizgas verteilt?

Großalarm am Hamburger Flughafen: Am Sonntagmittag wurde der Betrieb in Fuhlsbüttel zeitweise komplett eingestellt. Wie die Bundespolizei mitteilte, hatten Mitarbeiter an der Sicherheitskontrolle des Handgepäcks auf der Plaza zwischen Terminal 1 und 2 zuvor einen scharfen, chili-ähnlichen Geruch bemerkt. "Ihnen tränten die Augen", sagte eine Polizistin dem Abendblatt. Einige Menschen klagten zudem über Übelkeit.

Polizei und Feuerwehr waren gegen 12 Uhr mit einem Großaufgebot zum Flughafen geeilt. Rund 68 Menschen mussten nach Angaben der Feuerwehr wegen Atemwegsbeschwerden, Augenbrennen und Reizhusten behandelt werden, unter ihnen zahlreiche Beschäftigte des Flughafens. Die Beschwerden wurden offenbar durch Reizgas ausgelöst. Wie sich dieses verteilt hat, ist laut Polizei aber noch unklar.

Reizgas-Behälter an der Plaza gefunden

Im Zuge der Ermittlungen wurde am Nachmittag ein Pfefferspray in den betroffenen Räumen vor der Sicherheitskontrolle gefunden, sagte ein Sprecher der Polizei. Offenbar hatte ein Passagier das Spray in den Müll geworfen, bevor er die Schleuse passierte. Im Müllbehälter könne sich die Dose dann entleert haben. Der Stoff könne aber auch über die Klimaanlage in die Räume gelangt sein, vermutete ein Sprecher der Feuerwehr. Wie genau das Reizgas verteilt wurde und für insgesamt 68 Verletzte sorgen konnte, ist also noch unklar.

Pfefferspray darf ebenso wie Flüssigkeiten ab einer bestimmten Menge oder Messer ab einer bestimmten Größe nicht mit an Bord genommen werden. Der Besitzer des Pfeffersprays sei nicht bekannt, sagte der Polizeisprecher. Zuletzt waren Vorfälle mit Pfefferspray auch von Schulen in und um Hamburg gemeldet worden. Einen Terroranschlag hält die Feuerwehr indes für sehr unwahrscheinlich.

Komplette Evakuierung

Die Feuerwehr richtete nach eigenen Angaben einen Behandlungsplatz ein. Rund 100 Rettungskräfte, auch vom Deutschen Roten Kreuz, kümmerten sich um die Verletzten. Neun Betroffene mussten unter anderem wegen Übelkeit ins Krankenhaus eingeliefert werden. Ab 12.30 Uhr wurde der Flughafen schließlich komplett evakuiert. Wenig später wurde auch der S-Bahnbetrieb zwischen Ohlsdorf und dem Flughafen stillgelegt. Alle Besucher und Mitarbeiter wurden aufgefordert, die Terminals zu verlassen. Hunderte Reisende mussten bei eisigen Temperaturen vor den Eingängen ausharren, bis sie um 13.35 Uhr wieder in das Gebäude gelassen wurden.

Auch der Flugbetrieb wurde zwischen 12.32 Uhr und 13.44 Uhr eingestellt. Da die Feuerwehr des Airports mit dem Versorgen der Verletzten beschäftigt war, konnte sie nicht zugleich die Sicherheit des Flugbetriebes gewährleisten. Daher durften die Maschinen weder starten noch landen, sagte eine Flughafensprecherin.

Viele Passagiere hatten sich vergeblich über die Lage am fünftgrößten Airport in Deutschland zu informieren versucht. Die Internetseite des Flughafens war gegen Mittag nicht mehr erreichbar. Zudem gab es zu den Behinderungen für die Gäste nur spärliche Informationen.

13 Flüge betroffen

Am Nachmittag gab es Details: Von der vorübergehenden Sperrung waren insgesamt 13 Flüge betroffen. Zwei von ihnen seien nach Bremen umgeleitet worden, sagte die Sprecherin. Später seien die Maschinen wieder nach Hamburg zurückbeordert worden. Die übrigen Flugzeuge hätten entweder auf der Bahn warten oder in der Luft kreisen müssen. Am Sonntag waren regulär 334 Flüge geplant.

Zu den Passagieren auf dem Flughafen gehörte auch Tabaré Vázquez, der Präsident von Uruguay. Die Reise des Politikers verzögerte sich. Der Präsident habe in seiner Maschine warten müssen, bis der Flugbetrieb wieder aufgenommen werden konnte, erklärte ein Feuerwehrsprecher. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte den Präsidenten am Freitag empfangen.

Innenminister Thomas de Maizière sagte, es sei "richtig und wichtig" gewesen, dass die Bundespolizei den Flughafen hat räumen lassen. "Genaue Erkenntnisse haben wir aber noch nicht", sagte er gegen Mittag.

Am Nachmittag wurde die Polizei noch einmal nach einem Zwischenfall an der Station für Leihwagen am Airport aktiv. Dort war ein Kanister mit einer unbekannten Flüssigkeit aufgefallen. Spezialisten prüften den Inhalt, der sich aber als ungefährliches Reinigungsmittel herausstellte. Die Polizei gab Entwarnung, teilte ein Sprecher dem Abendblatt mit.

Gegen 16.30 Uhr hatte der Airport auf möglicherweise nachfolgende Verspätungen aufmerksam gemacht: Passagiere sollten sich über den aktuellen Stand der durchgeführten Flüge am besten auf der Website von Hamburg Airport unter www.hamburg-airport.de informieren (im Bereich "Rund ums Fliegen/Abflug" bzw. "Rund ums Fliegen/Ankunft"). Inzwischen habe sich die Lage aber beruhigt, teilte der Hamburg Airport mit.