Hamburg. Serverhersteller Protonet sammelt im Internet drei Millionen Euro in fünf Tagen ein. Nun ist er insolvent.

Die Idee passte hervorragend in die Zeit: Im Sommer 2013 erregte Edward Snowden mit seiner Enthüllung der Internet-Überwachungspraktiken verschiedener Geheimdienste weltweit Aufsehen. Im Jahr zuvor hatten Ali Jelveh und Christopher Blum in Altona die Firma Protonet gegründet, die eine ganz besondere Art von Computerservern entwickelte: Sie ermöglichen es dem Nutzer, so zu arbeiten, als nutze er die Möglichkeiten der „Cloud“, also einer unüberschaubaren „Rechnerwolke“, trotzdem liegen die Daten auf dem eigenen Server und nicht irgendwo in einem riesigen Rechenzentrum.

Die „einfachsten Server der Welt“

Vermarktet wurden die Geräte als die „einfachsten Server der Welt“ – und ganz nebenbei sehen sie mit ihren orangefarbenen, minimalistisch gestylten Metallgehäusen auch noch sehr ungewöhnlich aus. So war es wenig erstaunlich, dass Jelvehs Idee schnell Anhänger fand. Im Jahr 2014 stellte Protonet sogar einen Weltrekord in der Finanzierung über das sogenannte Crowdfunding („Schwarmfinanzierung“) auf: Innerhalb von nur dreieinhalb Stunden sammelte das junge Unternehmen eine Million Euro ein, in fünf Tagen kamen drei Millionen Euro von knapp 2000 Investoren zusammen.

Ständig neue Softwaregenerationen entwickelt

Doch am Mittwoch wurde bekannt, dass Protonet einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht eingereicht hat. Man habe Investoren nicht zu einer weiteren Anschlussfinanzierung bewegen können, erklärte Jelveh in einer Mitteilung. Auf Anfragen reagierte Protonet am Donnerstag nicht.

„Trotz der vielen Erfolge und einer prominenten Präsenz in der Öffentlichkeit, ist es dem IT-Unternehmen bis zum Schluss nicht möglich gewesen, schwarze Zahlen zu schreiben“, wird Jelveh in der Mitteilung zitiert. Tatsächlich ist Protonet, anstatt das Geschäft zu stabilisieren, immer ein Start-up geblieben, hat ständig neue Geräte- und Softwaregenerationen entwickelt.

„Markt nur schwer zugänglich“

Es habe sich gezeigt, „dass der Markt nur schwer zugänglich ist“, sagt Jelveh. Dabei hat er sich in den Anfangsjahren des Unternehmens als ausgesprochen überzeugender Vermarkter gezeigt, einschließlich eines Talents für sogenannte „Keynote“-Ansprachen im Apple-Stil. „Chief Revolutionary Officer“ lautete seine Funktionsbezeichnung auf der Visitenkarte.

Doch schon im Verlauf des Jahres 2015 wurden die selbst gesteckten Ziele nicht erreicht. Und spätestens im Frühjahr 2016 war es auch mit der Begeisterung bei den Anlegern vorbei. Im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Markteinstieg in den USA und einer neuen Finanzierungsrunde gründete Protonet eine neue Muttergesellschaft in San Francisco.

Hartes Kostensenkungsprogramm

Nach Auffassung etlicher Kleinanleger musste diese Umstrukturierung als „Exit“, also als Ausstieg der Firmengründer aus dem ursprünglichen Hamburger Unternehmen gelten. Daher forderten Investoren ihr Geld zurück.

Etwa zu dieser Zeit startete ein hartes Kostensenkungsprogramm: Zeitweise hatte Protonet rund 40 Beschäftigte, aktuell sind es nur noch 18. Wie es für sie und für die angeblich mehr als 2500 Kunden weitergeht, ist noch unklar. Die Server benötigen keine Verbindung zum Hersteller, sie funktionieren zunächst weiter. Lediglich Kunden, die für die Identifizierung im Internet einen *.protonet.info-Domainnamen nutzen, müssen sich nun um die Registrierung eines eigenen Namens kümmern.

Stiftung Warentest warnt

„Nur der kleinste Teil der Anleger investiert wegen der Rendite in Protonet“, hatte Jelveh einst gesagt. Es bleibt aber die Frage, ob die Insolvenz des früheren Crowdfunding-Aushängeschilds nicht einen Schatten auf diesen Finanzierungsweg wirft.

Die Stiftung Warentest warnt Interessenten schon seit längerer Zeit vor dieser Anlageform: „Sie haben nichts zu sagen und gehen im Insolvenzfall in aller Regel leer aus.“ Geldgeber müssten sich für Jahre binden – und „die Gefahr eines Total­verlusts ist groß“.