Hamburg. Das bewegende Stück über die italienischen Einwanderer in den 1950-er Jahren beschreibt das Gefühl der Zerrissenheit in der Fremde.

Zwei Frauen namens Rossi begegnen sich im Warteraum eines Krematoriums, um die Urne ihres Vaters abzuholen. Sie erkennen erst jetzt, dass sie Halbschwestern sind. Der Verstorbene, 1962 als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, hatte eine deutsche und eine italienische Familie, säuberlich voneinander getrennt. Jetzt streiten die Töchter um die Urne - die spröde deutsche Architektin und die Familienfrau aus der Toskana.

Die Theaterbühne ist ganz minimalistisch ausgestattet

In „Amara Terra Mia“, das am Montag im St. Pauli Theater Premiere hatte, brauchen Adriana Altaras und Daniela Morozzi nur eine minimalistisch bestückte Bühne mit Tisch, Stühlen, Mänteln und Hüten, um in wechselnden Rollen diese Einwanderungsgeschichte nachzuspielen – Anwerbe-Kommission, Bahnhöfe, Fließband, Wohnzimmer.

So viel Italienisch wurde noch nie gesprochen im St. Pauli Theater, aber das macht nichts. Altaras und Morozzi spielen mit einer derart sympathischen Verve – mal norddeutsch reserviert, mal überschäumend südländisch, mal radebrechend tragigkomisch –, dass man die erste große Einwanderungswelle nach dem Krieg gern mit ihnen rekapituliert. Wie die Männer mit Säcken und Koffern ankamen und kein Wort verstanden; wie deutsche Väter ihren Mädchen verboten, mit „diesen Spaghettifressern“ auszugehen; wie sich die Italiener zwischen den „Kartoffelfressern“ als Niemande fühlten. Zwei getrennte Familien, das sind auch nur zwei Hälften einer Integration.

Arbeitsemigranten heißen heute "Wirtschaftsflüchtlinge"

Eingeblendete historische Filmaufnahmen und Übersetzungen sind hilfreich und lenken nicht ab. Der Blick bleibt ganz auf die Erwartungen und Geschichten der italienischen Einwanderer gerichtet. Das tut dem Stück gut, es will nicht gleich noch alle Aspekte der aktuellen Flüchtlingsfrage mitverhandeln. Aber gerade in dieser Fokussierung werden die Parallelen zu heute augenfällig. Arbeitsemigranten hießen damals „Gastarbeiter“, heute heißen sie „Wirtschaftsflüchtlinge“. Gekommen, um zu bleiben - aber nur mit halber Seele. „Amara Terra Mia“ (Mein bitteres Land) beschreibt das bleibende Gefühl der Zerrissenheit, das alle Flüchtlinge kennen. Der große Schlussapplaus am Montag zeigte, dass die Botschaft angekommen ist.

Amara Terra Mia, bis 8. Februar, jeweils 19.30 Uhr, St. Pauli Theater (S-Reeperbahn), Tickets 17,70 bis 37,50 Euro