Hamburg. Adriana Altaras gibt in „Amara Terra Mia – Mein bitteres Land“ im St. Pauli Theater eine Gastarbeiter-Tochter und schreibt parallel Bücher

Über den Begriff der Heimat muss sie nicht lange nachdenken. „Heimat sind Jugoslawien, Italien, Deutschland und die Kultur. Hätte ich Musik, Theater und das Schreiben nicht, hätte ich gar keine Heimat. Da würde mir Deutschland nichts nützen“, sagt Adriana Altaras. In der kommenden Woche steht die Schauspielerin und Schriftstellerin mit Daniela Morozzi auf der Bühne des St. Pauli Theaters im Stück „Amara Terra Mia – Mein bitteres Land“. Darin geht es um das Schicksal eines Italieners aus der Toskana, der Anfang der 60er-Jahre seine Heimat verlassen hat und nach Deutschland gekommen ist. „Gastarbeiter“ wurden diese Männer genannt, die von der deutschen Wirtschaft so dringend benötigt wurden, die aber in der Bevölkerung auf Argwohn und Ablehnung stießen. „Spaghettifresser“ hieß eine dieser Verunglimpfungen.

Adriana Altaras und ihre Eltern teilen ein ähnliches Schicksal. Der Vater, ein ehemaliger jüdischer Partisan, verließ 1964 Altaras’ Geburtsstadt Zagreb und floh nach Gießen. Die Vierjährige wurde kurz darauf aus dem Land ­geschmuggelt, sie lebte drei Jahre lang bei Tante und Onkel in Italien, bevor sie 1967 ihre Eltern wiedersehen durfte. „Ich habe bei meinen Eltern gesehen, was Heimweh bedeutet und was es heißt, von seiner Geschichte abgeschnitten zu sein. Auch diesen Sprachwechsel, wie wir ihn in ,Amara Terra Mia’ benutzen, kenne ich“, erzählt die quirlige Künstlerin mit den lockigen dunklen Haaren. Sie selbst sieht ihre Einwanderung nach Deutschland positiv. „In Amerika gab es diese Erfolgs­geschichte mit Einwanderern, und es ist auch hier passiert. Nur rühmt sich Deutschland damit nicht. Man kann hier eine Heimat finden“, sagt sie.

Matteo Marsan, Dania Hohmann und Ulrich Waller haben „Amara Terra Mia“ geschrieben und mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen für das St. Pauli Theater koproduziert. „Teile des Textes sind aus der Improvisation entstanden“, erzählt Altaras. Sie habe während der Proben intensiv über die Gastarbeiter, ihre Kleidung, ihr Essen und ihre Haltung recherchiert und sich auch noch einmal Werner Schröters Film „Palermo oder Wolfsburg“ angesehen. „Italiener haben die Drecksarbeit gemacht, doch letztlich ist ihre Integration erfolgreich gewesen und ein positives Leitbild.“

Schauspielerei ist nur eine der künstlerischen Ausdrucksformen der in Berlin lebenden Künstlerin. Anfang März erscheint ihr drittes Buch „Das Meer und ich waren im besten Alter“, ein Band mit persönlichen Geschichten. Zurzeit schreibt sie schon am nächsten Werk, für das sie ein Stipendium inklusive eines sechswöchigen Island-Aufenthalts bekommen hat. „Ich kann zwar überall schreiben, zu Hause, im Bus, im Bett, aber es hilft schon, wenn man sich ein paar Wochen lang nur auf eine Sache konzentrieren kann. Außerdem möchte ich erfahren, warum die Isländer so kreativ sind. Dabei ist es dort im Winter stockdunkel, windig und arschkalt“, sagt sie und lacht.

Altaras liebt eine direkte Sprache. Wenn sie im Gefängnis liest, geht sie zu den „harten Jungs“. Deutsche Geschichte „haut sie aus den Latschen“, religiöse Orthodoxie bezeichnet sie als „Schwachsinn“. Ihre Bücher wie „Titos Brille“ und „Doitscha“ waren auch so erfolgreich, weil sie – bei aller Ernsthaftigkeit – so lustig aufgeschrieben sind. „Wenn sich eine Pointe am Horizont abzeichnet, nehme ich sie. Mit Humor kommt man einfach besser durchs ­Leben“, meint die 56-Jährige. Ihre Vielseitigkeit erklärt sie ebenfalls unprätentiös: „Mir ist schnell langweilig. Man könnte auch sagen: Ich bin nicht besonders gründlich.“ Wie nur wenige schafft sie es indes, ihre Haltung und Überzeugungen kreativ umzusetzen. Als Schauspielerin wie in „Amara Terra Mia“, als Regisseurin (im Herbst inszeniert sie „Elektra“ und „Rigoletto“) und als Autorin: „Eine Schreibblockade kann ich mir nicht leisten. Als selbstständige Künstlerin muss ich fleißig sein.“

„Amara Terra Mia – Mein bitteres Land“ HH-Premiere Mo 6.2., auch Di 7./Mi 8.2., jew. 19.30, St. Pauli Theater, Spielbudenplatz 30, Karten ab 17,70; www.st-pauli-theater.de