Rotherbaum. Das Edelmetall wird in winzigen Mengen im Fluss geschürft . Der Eimsbütteler Goldschmied Thomas Becker fertigt daraus Schmuck.

Das hat einmaligen Charakter, nicht nur in Hamburg: Wer sich selbst oder einen lieben Menschen mit einem Schmuckstück aus Gold aus der Elbe beglücken möchte, wird neuerdings am Grindelhof fündig. In seiner kleinen Ladenwerkstatt fertigt Goldschmied Thomas Becker Ringe, zum Beispiel mit der Struktur eines Tampens, Verschlüsse in Ankerform oder Herzen aus dem ganz besonderen Material. Seltenheit erhöht in diesem Fall tatsächlich den Wert. Weil es so rar ist, kostet eine Unze Elbegold etwa zweieinhalbmal so viel wie gewöhnliches Gold.

Gold aus der Elbe

Denn es ist kaum zu glauben, jedoch wahr: In der Elbe wird wirklich Gold geschürft. Zwar nicht im breiten Strom im Norden, aber im ruhigeren Flussbett in Sachsen. In der Nähe von Radebeul und Meißen soll die Chance am größten sein. Die genauen Orte werden geheim gehalten. Natürlich.

Aus 16 Kilogramm Sand werden am Ende drei Gramm Gold – mit Glück
Aus 16 Kilogramm Sand werden am Ende drei Gramm Gold – mit Glück © Thomas Becker | Thomas Becker

Doch bevor die Hamburger nun vom großen Goldrausch mitgerissen werden, warnt Becker: „Das Goldsuchen in der Elbe ist ein Hobby, das immense Geduld und einen erstklassigen Riecher verlangt.“ Wer im Endeffekt auf einen umgerechneten Stundenlohn von fünf Euro kommt, zählt schon zu den Siegern. Aber aus materiellem Grund ist keiner stundenlang am Buddeln, Sieben und Waschen.

Funde bestehen aus Goldstaub

Ebenso winzig wie die Vorkommen ist das Angebot auf dem Markt. Viel mehr 300 bis 400 Gramm werden nicht gefördert – pro Jahr. Goldnuggets kommen nur in Träumen vor. Denn die Funde bestehen zumeist aus feinem Goldstaub. Wer sich die Mühe macht, kann dennoch belohnt werden. Das goldene Schimmern in der Waschpfanne soll Glücksgefühle bescheren. Der sächsische Kurfürst August der Starke soll ein Faible dafür gehabt haben. Er ließ, so heißt es, einen Teil seiner Taler aus Elbegold prägen.

Thomas Becker mit Mitstreitern beim Schürfen in Finnland
Thomas Becker mit Mitstreitern beim Schürfen in Finnland © Thomas Becker | Thomas Becker

Es ist eine verschworene Gemeinschaft von kaum mehr als einem Dutzend Schatzsuchern und Paradiesvögeln, die sich heutzutage auf die Suche begeben. In Internetforen und Tauschbörsen werden unter Eingeweihten angeblich ergiebige Fundgebiete übermittelt. Dies können strömungsfreie Nebenarme der Elbe, Felsspalten oder das Wurzelwerk der Uferbäume sein. Da die Elbe im Laufe der Zeit ihr Bett veränderte, kann es auch an Land goldhaltige Ablagerungen geben. Dann sind intensives Kartenstudium und Graben angesagt.

Elbegold kommt aus dem Riesengebirge

Das Elbegold stammt aus dem Riesengebirge. In Gesteinsbrocken wird es vom Wasser talabwärts transportiert. Diese Brocken werden nach und nach kleiner. Bis sich schwere Minerale mit Goldpartikeln an Stellen mit geringer Fließgeschwindigkeit ablagern. Ein Gramm Naturgold aus der Elbe besteht aus 200.000 bis 600.000 winzigster Körnchen, von Fachleuten Flitter genannt. Bei Naturgold handelt es sich um ein Gemisch aus Gold, Silber und anderen Metallen oder Mineralien wie Silizium. Der reine Goldgehalt in Sachsen liegt zwischen 860 und 925 Tausendsteln, also bei 20 bis 22 Karat. Ein Gramm kostet um 90 Euro.

Goldschürfen als Meditation

Um den Prozess zu verdeutlichen, holt Goldschmiedemeister Becker eine Waschpfanne. Im Wasser befindet sich ein fast schwarzer Sand. Rhythmisch schaukelt er die Plastikschale. Und siehe da, nach zig Schwenkbewegungen beginnt es goldig zu glitzern – erst ein bisschen, dann immer mehr. Man beginnt zu ahnen, wieviel Mühe und Geduld erforderlich sind. Die Werkzeuge der Schatzsucher von der Elbe ähneln jenen aus der Ära des Goldrausches in Kalifornien um 1850: Schaufel, Waschrinne, Eimer und Pfanne.

„Für mich ist das wie Meditation“, sagt Becker. Der gebürtige Neusser, ein studierter und diplomierter Theologe, kam vor 24 Jahren nach Hamburg. 1997 gründete der Goldschmiedemeister am Grindelhof sein eigenes Atelier, in dem aktuell sechs Mitarbeiterinnen beschäftigt sind. Thomas Becker wirkt zudem als Obermeister der Hamburger Gold- und Silberschmiede-Innung (33 Mitglieder), als geprüfter Diamantengutachter sowie als Dozent der Europäischen Akademie der Juweliere, Gold- und Silberschmiede. Sein Fachgebiet: nachhaltige Materialbeschaffung und Verarbeitung.

Das Edelmetall kommt per Post

Aus diesem Grund verzichten Becker & Co. bei der Trennung des Goldstaubs von Sand oder Kies auf die sonst gebräuchlichen Chemikalien wie Quecksilber oder Zyanid. Sie sieben klassisch von Hand. Für das Auswaschen eines Eimers mit 16 Kilo Schwarzsand braucht man rund acht Stunden. „Wenn man viel Glück hat, ergeben sich dabei drei Gramm Gold“, weiß Becker, „und wenn man Pech hat gar nichts.“

Er kauft das Goldpulver von anderen Suchern in Sachsen oder von einem dortigen Kieswerk, das mit Zentrifugen und einem Rütteltisch arbeitet. Das Edelmetall kommt in kleinen Tütchen mit der Post. Becker lässt den Inhalt prüfen. Gold verfügt über einen „mineralischen Fingerabdruck“, eine Art DNA. So lässt sich feststellen, dass es tatsächlich aus der Elbe stammt. Meist handelt es sich um 925er-Gold, der Rest ist Silber. Nach dem Reinigen wird das Gold in seiner Werkstatt mit Esse und Tiegel bei 1500 Grad eingeschmolzen und in eine Form gegossen. Die Schmuckstücke aus Elbegold kosten – je nach Größe, Gewicht und Aufwand – zwischen 1100 und 3700 Euro.

Thomas Becker – Atelier für Schmuck. Grindelhof 45. Geöffnet dienstags
bis freitags von 10 bis 19 und sonnabends
von 10 bis 16 Uhr