Hamburg. 650 Gepäckverlader auf dem Vorfeld in Hamburg: Harte Arbeit bei jedem Wetter für Gehälter knapp über dem Mindestlohn.
Nur die wenigsten Passagiere haben eine Vorstellung davon, was es bedeutet, Flugzeuge auf dem Vorfeld zu beladen oder zu entladen. Rolf Erkrath weiß es genau, denn er hat das jahrelang selbst getan, hat sich am Flughafen Hamburg vom Ladehelfer zum Oberlader hochgearbeitet. „Die Kollegen sind bei Wind und Wetter draußen und bewegen pro Schicht 700 Koffer“, sagt Erkrath.
In den Gepäckräumen der Jets muss kniend gearbeitet werden. „Manche Laderäume sind so eng wie eine Hundehütte, da legt man sich hinein und zieht die Koffer über den Bauch.“ Bestand ein Beladeteam vor einigen Jahren noch aus vier bis fünf Männern, so sind es heute nur noch drei. „Dabei ist der Zeitdruck immer größer geworden“, so Erkrath, „weil der Anteil der Billigflieger stark gestiegen ist und die vom Flughafen eine Bodenzeit von nur noch 25 Minuten verlangen.“
"Einige Kollegen verdienen gerade einmal rund 1000 Euro netto"
Ein solcher Knochenjob müsste ordentlich bezahlt werden, sollte man meinen. Doch die Realität sieht anders aus: „Einige Kollegen verdienen gerade einmal rund 1000 Euro netto im Monat und wissen nach Abzug der Miete nicht, wie sie noch ihren Kühlschrank füllen sollen“, sagt Erkrath.
Das will die Gewerkschaft Ver.di in den derzeit laufenden Tarifverhandlungen ändern - notfalls auch durch Streiks. „Es wird voraussichtlich zu Arbeitskämpfen kommen“, hatte Ver.di-Bundesvorstand Christine Behle vor einigen Tagen angekündigt.
In den sogenannten Bodenverkehrsdiensten des Flughafens Hamburg, für die derzeit ein neuer Tarifvertrag verhandelt wird, sind insgesamt rund 850 Personen beschäftigt, von denen 650 für das Gepäck und die Flugzeugabfertigung zuständig sind. Die übrigen haben Aufgaben wie Flugzeugreinigung, Passagiertransport und Enteisung.
Flughafen ist zu 51 Prozent ein städtisches Unternehmen
Mit einem Einstiegs-Stundenlohn für die ersten sechs Monate von 9,02 Euro bildet Hamburg nach Angaben der Gewerkschaft deutschlandweit das Schlusslicht bei den Bodenverkehrsdiensten. Ein solcher Stundenlohn liegt auch deutlich unterhalb der von der Bundesregierung mit 10,00 Euro angegebenen Niedriglohnschwelle.
„Das darf so nicht sein, zumal der Flughafen zu 51 Prozent ein städtisches Unternehmen ist und Hamburg sich als ,Stadt der Guten Arbeit‘ versteht“, sagt Berthold Bose, Landesbezirksleiter von Ver.di in Hamburg. Die Gewerkschaft fordert für die Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste eine Lohnerhöhung um 250 Euro im Monat.
Das Angebot des Arbeitgebers - es ist die Flughafen-Tochter HAM Ground Handling - sieht zwar eine Anhebung der Grundvergütung um immerhin 125 Euro vor. Aber bei mehr als 300 Beschäftigten, die noch ältere Verträge haben, soll der Anstieg des Tariflohns nach den Vorstellungen der Geschäftsführung mit sogenannten Besitzständen wie Witterungs- und Schichtzulagen verrechnet werden; für die Betroffenen bliebe damit ein Plus von nur 25 Euro übrig. Aufgrund dieser Verrechnung beurteilt Ver.di das Angebot als „nicht akzeptabel“.
Gewerkschaft stört sich nicht nur an den niedrigen Stundenlöhnen
Der erhebliche Unterschied zwischen den Vertragskonditionen älterer und jüngerer Mitarbeiter führe zu großer Unzufriedenheit bei neu eingestellten Beschäftigten, sagt eine Flughafensprecherin dazu: „Mittel- bis langfristig muss es eine Angleichung geben.“
Insgesamt handele es sich vor dem Hintergrund des „sehr schwierigen Geschäfts“ der Bodenverkehrsdienste mit äußerst dünnen Margen um ein „gutes Angebot“. Schließlich stehe HAM Ground Handling gerade jetzt in Verhandlungen mit etlichen wichtigen Kunden, die einen Großteil der Erlöse brächten, und Preissteigerungen seien nur schwer durchzusetzen, so die Flughafensprecherin.
Ver.di hingegen führt die im bundesdeutschen Vergleich eher schlechte Bezahlung der Hamburger Kollegen nicht zuletzt darauf zurück, dass die Bodenverkehrsdienste hier bereits im Jahr 1999 privatisiert wurden: HAM Ground Handling ist zwar eine Tochtergesellschaft des Flughafens, für sie gelten aber nicht die Tarifbedingungen des öffentlichen Dienstes. Anders als etwa bei der Übertragung des Landesbetriebs Krankenhäuser auf den Asklepios-Konzern seien der HAM Ground Handling jedoch auch die Pensionslasten mit aufgebürdet worden, erklärt Bose.
Die Gewerkschaft stört sich allerdings nicht nur an den niedrigen Stundenlöhnen, sondern auch an den Vertragsbedingungen: „30 Prozent der Beschäftigten in den Bodenverkehrs-diensten haben einen Teilzeitvertrag, auch wenn sie tatsächlich länger arbeiten, 20 Prozent der Verträge sind ohne Sachgrund befristet“, sagt Irene Hatzidimou, bei Ver.di Hamburg zuständig für die Fachgruppe Luftverkehr. Zwar habe das Unternehmen diese Quoten bereits gesenkt, vor wenigen Jahren hätten sie noch spürbar höher gelegen. „Aber hier muss es noch weitere Verbesserungen geben, denn unter solchen Bedingungen haben es die Mitarbeiter nicht leicht, eine Wohnung vermietet zu bekommen“, so Hatzidimou.
Personalknappheit wegen der wenig attraktiven Konditionen
Vom Flughafen heißt es dazu, mehr als zwei Drittel der Beschäftigten in der HAM Ground Handling seien fest angestellte Arbeitnehmer mit Vollzeitverträgen. Angesichts des je nach Tageszeit und Saison sehr stark schwankenden Verkehrsaufkommens sei eine gewisse Flexibilität jedoch notwendig.
Allerdings nutzen nach Angaben von Erkrath etliche Kollegen die Flexibilität auch dazu, auf Kosten von eigentlich vorgesehenen Ruhezeiten deutlich über das Vollzeitpensum hinaus zu arbeiten. Damit komme man zwar auf Monatsgehälter von bis zu 1800 Euro netto. „Aber wenn man das über einen längeren Zeitraum tut, stößt man bald an seine körperlichen Grenzen“, sagt Erkrath. Mehr als 100 seiner Kollegen seien „leistungsgemindert“, hätten also gesundheitliche Einschränkungen.
Wegen der insgesamt wenig attraktiven Konditionen gebe es seit Jahren Personalknappheit: „Manche hören schon nach ein paar Monaten wieder auf - wenn man überhaupt jemanden findet, der diese Arbeit machen will.“ Die Flughafensprecherin bestätigt Nachwuchsprobleme. In der Metropolregion Hamburg herrsche nahezu Vollbeschäftigung und gerade im Logistik- und Dienstleistungssektor seien viele Stellen unbesetzt. In der Gepäckabfertigung komme erschwerend hinzu, dass keine Frauen eingestellt werden können und Bewerber erst nachweisen müssen, dass sie seit zehn Jahren straffrei sind.
Im Zusammenhang mit dem Tarifstreit verweist Bose auf die guten Erträge des Flughafens, der Jahr für Jahr mehr als 20 Millionen Euro Gewinnanteil an die Stadt abführe: „Es wäre besser, er überweist zwei Millionen Euro weniger, bezahlt aber alle ordentlich.“