Hamburg. Mehr als 160 Studiengängen in Hamburg fehlt die Akkreditierung. Das kann die Karriere arg behindern.

Studenten, die an der Hamburger Universität ihr Examen ablegen, droht bei späteren Bewerbungen ein böses Erwachen. Was kaum einer weiß: Nur zehn der mehr als 170 Studiengänge in Hamburg besitzen eine sogenannte Akkreditierung – eine Art Gütesiegel, das einen bestimmten Qualitätsstandard garantiert und eine internationale Vergleichbarkeit der Uni-Abschlüsse sicherstellen soll. Was das Fehlen dieser Akkreditierung in der Praxis bedeuten kann, erfuhr jetzt ein 33 Jahre alter Betriebswirtschaftler.

Nicholas Bremer (Name geändert) hatte sein BWL-Studium in Hamburg mit einer Eins vor dem Komma abgeschlossen, dann in der Privatwirtschaft gearbeitet und sich schließlich auf einen begehrten Arbeitsplatz bei der BaFin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, beworben. Trotz der guten Noten erhielt er umgehend eine Absage. Begründung: Der BWL-Studiengang sei in Hamburg nicht akkreditiert. „Für mich ist das eine Katastrophe“, sagt der 33-Jährige. „Hätte ich das gewusst, wäre ich zum Studium nicht nach Hamburg gegangen.“

Bologna-Reform: Akkreditierung 2003 beschlossen

Laut einem Beschluss der Kultusministerkonferenz von 2003 müssen alle im Zuge der Hochschulreform eingeführten Bachelor- und Masterstudiengänge akkreditiert werden. Dazu wird unter anderem von externen Agenturen überprüft, ob ein Studiengang die Studenten sowohl zum wissenschaftlichen Arbeiten befähigt als auch auf eine Berufspraxis vorbereitet; ob genügend Professoren da sind, vernünftige Studienbedingungen, ausreichend Bibliotheksplätze, ein sinnvolles Prüfungssystem, ob Chancengleichheit herrscht. Wenn der Studiengang nicht akkreditiert ist, kann es Probleme geben – vor allem bei Bewerbungen im Ausland oder auf Topjobs in Deutschland, insbesondere in staatlichen Unternehmen oder an Hochschulen.

Der Bewertungsprozess der Studiengänge geht allerdings bundesweit seit Jahren nur schleppend voran. Nur die Hälfte der bundesweit 18.000 Studiengänge sind akkreditiert. An der Uni Hamburg sind es aber nur rund 5,9 Prozent: Es handelt sich um die Studiengänge Arbeit, Wirtschaft, Gesellschaft - Ökonomische und Soziologische Studien, Higher Education, Law and Economics, Journalism, Media and Globalisation, Peace and Security Studies, Polar and Marine Sciences, International Taxation, Kriminologie, Medienmanagement, Gesundheitsmanagement.

Mängel sollen durch Staatsvertrag behoben werden

Die Universität Hamburg rechtfertigt die geringe Zahl akkreditierter Studiengänge mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Februar 2016, das Nachbesserungen bei der rechtlichen Umsetzung verlangte. „Das Akkreditierungswesen ist durch das Bundesverfassungsgericht im Februar 2016 als verfassungswidrig erklärt worden“, sagt Sprecherin Merel Neuheuser. Die Universität habe daher in Absprache mit der Wissenschaftsbehörde die Programmakkreditierung aller Studiengänge bis zum Vorliegen eines Urteils verschoben.

Die Richter sahen Mängel in der rechtlichen Umsetzung, weil der für die Überprüfung der Studiengänge zuständige Akkreditierungsrat die Aufträge an ausgewählte Agenturen weitergibt. Die Mängel sollen nun durch einen Staatsvertrag der Länder behoben werden, der bereits auf den Weg gebracht wurde. Daneben gibt es aber auch Vorbehalte gegen die Akkreditierung: hoher Bürokratieaufwand und Kosten in Höhe von 10.000 bis 15.000 Euro pro Studiengang.

Die meisten Personalentscheider orientieren sich an Akkreditierung

Vor allem Absolventen, die sich auf Stellen im Ausland bewerben, eine gehobene Position anstreben oder an einer anderen Hochschule promovieren wollen, können durch die fehlende Akkreditierung Probleme bekommen. Tiemo Kracht, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Kienbaum in Hamburg, kennt sich damit aus. Bei der Vorauswahl der Kandidaten achteten er und seine Kollegen auf eine hohe „Lebenslaufhygiene“, wie der Berater es nennt. „Dazu gehören auch akademische Abschlüsse, die keine Fragen offen lassen.“

Immerhin sei die Akkreditierung eine Art Unbedenklichkeitsbescheinigung. Bei der Fülle an Studiengängen orientierten sich die meisten Personalentscheider daran. Auch die internationale Vergleichbarkeit durch die Akkreditierung sei sehr sinnvoll, so der Headhunter. Kracht rät jedem Studenten, der seine Karriere strategisch planen will, nach dem Bachelorabschluss an einer angesehenen deutschen Universität für den Master ins Ausland zu gehen – beispielsweise an die London School of Economics oder eine der US-amerikanischen Elite-Universitäten. Denn neben Sprachkenntnissen und interkulturellen Kompetenzen sei ein einwandfreier Abschluss unerlässlich für eine spätere Schlüsselposition.

Schatten über dem akademischen Programm

Zwar sei die sehr breit aufgestellte Uni Hamburg auch keine No-Name-Universität, sagt Kracht. „Ich finde es aber verwunderlich, dass eine Universität noch Studiengänge anbietet, die nicht akkreditiert sind. Damit liegt ein Schatten über dem akademischen Programm.“

Wissenschaftsbehörde ignoriert das Thema

In der Wissenschaftsbehörde wurde das Problem bisher nicht gesehen. „Uns war bislang kein Fall bekannt geworden, bei dem eine Bewerbung aufgrund der fehlenden Akkreditierung eines Studiengangs formal zurückgewiesen wurde“, sagt ein Sprecher. Die Uni habe 2005 mit den Akkreditierungen begonnen, diese jedoch ab 2010, als erste Zweifel an der Rechtsgrundlage aufkamen, weitgehend eingestellt. Nur für die Lehramtsstudiengänge läuft derzeit ein Akkreditierungsverfahren.