Hamburg. Währung aus dem Internet sorgt für Schlagzeilen. Immer mehr Menschen nutzen sie. Auch an der Alster kann man mit ihr einkaufen.

Wenn man eine Pizza bestellt, zahlt man normalerweise in Euro. Der Preis hängt mit den Zutaten zusammen. Schinken, frische Tomaten oder Garnelen schlagen sich auf den Preis nieder. Auch beim Lieferdienst „Die Pizzabäckerei“ ist das so. Doch dort gibt es eine Besonderheit: Man kann seine Rechnung für die Lieblingspizza auch mit Bitcoin begleichen. Bitcoin? Das hört sich nach Computernerds an, nach Geld 4.0 und irgendwie abgedreht. Aber der kleine Laden von Rajender Singh an der Seumestraße in Eilbek ist nichts davon.

Was man über die Digitalwährung wissen muss

Am Freitagabend backen dort vier Männer Pizza im Akkord, noch mal so viele liefern nonstop aus. Eine mittlere Pizza Margherita mit extra Kapern kostet entweder 9,30 Euro oder 11,02 Micro-Bit­coins (0,011018 Bitcoin).

Vor allem für Onlinehandel interessant

Bitcoin hat man nicht im Portemonnaie oder der Tasche, physikalisch sind sie nichts wert. Der Zugang zu dem noch ziemlich jungen Zahlungsmittel läuft ausschließlich über eine digitale Geldbörse, also über Smartphone oder Computer. Das Kryptogeld wird dezentral gehandelt und kann länderübergreifend genutzt werden.

Deshalb sind Bitcoins vor allem für den Onlinehandel interessant. Der Kurs schwankt allerdings erheblich, unter anderem auch wegen der Angst der Anleger vor weiterer Regulierung. So war die Digitalwährung Anfang des Jahres auf ein Rekordhoch von 1161 Euro gestiegen, aktuell liegt sie bei 873 Euro. Vor drei Jahren waren es gerade einmal 100 Euro. Und zum Zeitpunkt der Pizzabestellung bekam man für 844,09 Euro einen Bitcoin.

Umsätze sind noch minimal

„Es gibt immer mehr Leute, die sich Bitcoin zum Ausprobieren gekauft haben. Wir wollten ihnen die Möglichkeit geben, mit dem digitalen Geld zu bezahlen“, sagt Stephan Scheying. Der 39-Jährige ist IT-Fachmann und der Schwager von Pizzabäcker Singh. Die Eilbeker gehören zu einem knappen Dutzend Stellen in Hamburg, die Bitcoin akzeptieren.

Wobei die Listen im Internet mit Vorsicht zu genießen sind, weil einige Anbieter, wie etwa Diplom-Psychologin Carola Lutz, inzwischen wieder ausgestiegen sind. Deutschlandweit soll es 100 Akzeptanzstellen geben. Die Umsätze in der Pizzabäckerei in Bitcoin sind noch minimal. Etwas anderes hätten sie auch gar nicht erwartet, sagt Scheying. Derzeit bezahlt nach seinen Angaben im Schnitt ein Kunde pro Woche mit Bitcoin. „Und es werden aber stetig mehr.“

Billige Variante, Geld online zu kassieren

Für den Pizzalieferdienst ist es zudem die billigste Variante, Geld online zu kassieren. Anders als etwa beim Zahlungsdienst PayPal oder bei Kreditkarten wird für eine Bitcoin-Transaktion keine Gebühr fällig. Auch für den Kunden ist das Verfahren relativ einfach: Zumindest, wenn er Bitcoin hat (siehe Infokasten). Einfach die alternative Währung anklicken. Der Preis für die Pizza wird von Euro in Bitcoin umgerechnet und als anklickbarer Bitcoin-Link sowie optional als QR-Code zum Abscannen angezeigt. Beides erzeugt eine Freigabeanfrage für die fällige Summe in der Geldbörse des Kunden. Sobald der Betrag im Kassensystem auftaucht, nimmt der Pizzabäcker den Teig und bereitet die Pizza vor.

Auch Uhren bekommt man für das Onlinegeld

Einer, der schon früh Bitcoin akzeptiert hat, ist Göran Holst. „Jede neue Zahlungsoption bringt weitere Kunden“, sagt der Geschäftsführer von Uhrzeit.org, der Uhren zwischen 100 und 7000 Euro über seinen Onlineshop und in einer Filiale in der Gänsemarktpassage verkauft. Seit knapp drei Jahren handelt er mit der Kryptowährung.

Interessant sei die Kaufoption für internationale Käufer, vor allem Chinesen und Russen nutzten Bitcoin. „Diese Währung ist sicherlich noch eine der exotischen Zahlweisen, wir sehen aber eine zunehmende Nachfrage mit einer zweistelligen Anzahl an Bitcoin-Zahlungen pro Monat mit weit überdurchschnittlich hohen Warenkörben“, sagt der Uhrenhändler, der auf einer Reise nach Moskau auch selbst schon mal ein Geschenk mit Bitcoin bezahlt hat.

Bitcoin für die Spendenübermittlung

„Noch sind Bitcoins fast überhaupt nicht relevant. Nur ein Bruchteil der weltweiten Zahlungstransaktionen werden darin ausgeführt“, sagt Hennig Vöpel, Direktor des Hamburger WeltWirtschaftsInstituts (HWWI). Allerdings hält er die Digitalwährung für zukunftsfähig. „Ich kann mir vorstellen, dass das in zehn Jahren Standard ist“, sagt der Wirtschaftsprofessor. Inzwischen sei die Technologie dahinter so ausgereift, dass er sich vorstellen könne, dass man künftig ganz auf Bargeld verzichten werde. Allerdings bedeute das nicht, dass es dann keine andere Währung mehr gibt. „Es wird auch weiter eine Bezugsgröße gebraucht“, so Vöpel.

Wie schnell die Entwicklung voranschreite, hänge davon ab, wie die Kunden den zunehmenden Verzicht auf Bargeld annähmen. Inzwischen haben Non-Profit-Organisationen – wie etwa Greenpeace in den USA – Bitcoin für die Spendenübermittlung entdeckt, auch Online-Glücksspiele nutzen die Digitalwährung.

Nutzer zwischen 25 und 44 Jahre alt

Das Reiseportal Expedia akzeptiert Bitcoin ebenso wie der Nachrichtenaustausch-Dienst Threema. Im Umlauf sind auch andere Digitalwährungen, wie etwa
Ethereum. Laut einer Studie sind typische Bitcoin-Nutzer zwischen 25 und 44 Jahre alt und haben einen technischen Beruf. Die meisten sind männlich.

Das beobachtet auch Sebastian Dröber, Mitgeschäftsführer von FlexCard in Hamburg-Altona und selbst Informatiker. Das Unternehmen ist auf den Druck von Visitenkarten spezialisiert. Neben dem Firmenkundengeschäft gibt es seit einiger Zeit auch einen Webshop, über den Kunden sich ihre Wunschkarten gestalten und drucken lassen können.

Bitcoin als Zahlungsmittel anzubieten, sieht Dröber als „Experiment“. „Es wird genutzt, aber die Umsätze liegen im Bereich von weniger als einem Prozent der Gesamterlöse“, sagt er. Als Grund dafür sieht er vor allem, dass die Nutzung zu kompliziert sei. „Die Einstiegshürden sind noch zu hoch.“

Göran Holst und
Anastasia Fiks
vertreiben im
Onlineshop
hochwertige Uhren
auch gegen Bitcoin.
Vor allem Russen
und Chinesen
greifen zu
Göran Holst und Anastasia Fiks vertreiben im Onlineshop hochwertige Uhren auch gegen Bitcoin. Vor allem Russen und Chinesen greifen zu © HA | Marcelo Hernandez

Das System, das auf einer Art digitalem Kassenbuch beruht, dem sogenannten Blockchain, hält jede Bewegung der Kryptowährung fest – nicht mit Namen, sondern mit Bitcoin-Adressen. So entsteht in komplizierten Rechenprozessen das Zahlungsmittel. Es unterliegt anders als reale Währungen keiner Kontrolle – etwa durch Banken oder Regierungen. Der Zugang funktioniert durch digitale Portemonnaies, sogenannte Wallets, in die man sich gegen eine Gebühr einkaufen muss (siehe Info-Kasten unten).

Geldströme schwieriger nachzuvollziehen

Kritiker bemängeln, dass die Geldströme schwieriger nachzuvollziehen sind und so leichter von Kriminellen genutzt werden können. Unter anderem sollen Bitcoin im sogenannten Darknet als Zahlungsmittel genutzt werden. Ende 2016 hat nach der EU-Kommission auch der Europäische Rat beschlossen, mit neuen Vorschriften Geldwäsche und Terrorfinanzierung schwieriger zu machen. Betroffen davon wären auch Tauschbörsen für virtuelle Währungen wie Bitcoin oder Ethereum, die künftig unter die EU-Geldwäscherichtlinie fallen sollen. Das Ganze ist aber eher ein Zukunftsprojekt. Demnächst berät darüber das EU-Parlament – und dann würde es noch Übergangsfristen geben.

Diejenigen, die schon in der neuen Bezahlwelt unterwegs sind, suchen im Moment immer wieder Möglichkeiten, die Internetwährung zu kaufen. Ein paarmal sei es schon passiert, erzählt Stephan Scheying von der Eilbeker Pizzabäckerei, dass sich Leute bei dem lokalen Lieferservice gemeldet haben. Nicht weil sie eine Pizza bestellen wollten. „Sie wollten von uns Bitcoin kaufen“, erzählt der Computerexperte und schüttelt den Kopf. Solche Anfragen haben bei ihm keine Chance.