Hamburg. Viele Zuschauer fühlen sich von Highlight Concerts getäuscht. Veranstalter entgegnet den Kunden, Karten blind gekauft zu haben.
“Eine unendliche Enttäuschung“, „Betrug am Zuschauer“, „arglistige Täuschung“: Die Wogen schlagen hoch am Tag nach der Aufführung des Musicals „Les Misérables – Barricade“ im Hamburger Mehr! Theater. Zahlreiche verärgerte Besucher des Musicals, das seit einigen Tagen durch Deutschland tourt, haben sich beim Konzertveranstalter, bei Ticketanbietern und bei bisherigen Aufführungsstätten beschwert. Einige Hamburger und auch Besucher aus anderen deutschen Städten kündigten am Donnerstag sogar an, juristische Schritte einzuleiten und Strafanzeige zu erstatten.
Der Grund für die Empörung: Die Zuschauer hatten sich auf die Inszenierung des weltbekannten Musicals „Les Misérables“ gefreut, das auf dem Roman „Die Elenden“ von Victor Hugo basiert. Doch auf der Bühne erwartete sie nicht der Musicalerfolg vom Londoner Westend mit der Musik von Claude-Michel Schönberg. Stattdessen bekamen sie die Neuinszenierung „Les Misérables – Barricade“ des Kieler Konzertveranstalters Highlight Concerts zu sehen.
Zuschauer wollen ihr Geld zurück
Die namensgleiche Bezeichnung des Musicals, das in Hamburg nur einen Tag gastiert hat und noch bis Ende April in vielen deutschen Städten aufgeführt wird, hat bei Besuchern für Irritation und vor allem Ärger gesorgt. Auf Facebook hat sich bereits ein „Forum für enttäuschte Besucher der sogenannten ‘Les Misérables’-Tour“ gegründet, die am Donnerstagnachmittag bereits mehr als 200 Mitglieder zählte. Sie fühlen sich betrogen und wollen ihr Geld zurück.
Einer von ihnen ist Karl Heinz Landwehr aus Hamburg. „Was da gestern geboten wurde, ist glatter Betrug und ich werde deshalb noch eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Hamburg erstatten“, sagte er am Donnerstag dem Abendblatt.
Titel „Barricade“ nicht auf Tickets vermerkt
Getäuscht fühlt sich auch Michael Winkler aus Hamburg, der ebenfalls juristische Schritte einleiten will. „Der Shitstorm bei Facebook zeigt, dass die Mehrheit etwas anderes erwartet hat“, sagt der Musicalfan, der „Les Misérables“ bereits in London und New York gesehen hat. Bei einer Neuinszenierung rechne er damit, dass es ein anderes Bühnenbild gebe oder auch eine leicht abgewandelte Handlung. Aber das die Musik eine völlig andere sei, damit habe er nicht gerechnet.
Fest steht: Viele Besucher haben Tickets, auf denen in großen Buchstaben „Les Misérables“ steht – „Das Musical n.d. Roman-Welterfolg“ ist ebenfalls auf der Eintrittskarte vermerkt. Wer die Musik komponiert hat, ist auf dem Ticket hingegen nicht zu finden. Auch der Titel „Barricade“, mit dem die Kammeroper Köln und die Deutsche Musical Company ausschließlich für ihre Produktion werben, ist nicht auf den Karten vermerkt.
„Zuschauer haben sich nicht richtig informiert“
Zwar wurde auf den Tickets (ab 44 Euro) mittlerweile klein und mit Abkürzungen kenntlich gemacht, dass es sich um eine neue Bühnenfassung von Holger Potocki mit Musik von Esther Hilsberg handelt, aber das beruhigt die Kritiker nicht. Es werde dennoch suggeriert, dass es sich um das Musical „Les Misérables“ handelt, welches Vorlage für den gleichnamigen Hollywoodfilm war, schreiben Besucher auf Facebook. „Tatsächlich wird jedoch ein gänzlich anderes Musical aufgeführt“, moniert ein Frankfurter Besucher.
Ulrich Gerhartz, Geschäftsführere des Kieler Konzertveranstalters Highlight Concerts, kann die Aufregung nicht nachvollziehen: „Es tut mir leid, dass einige Zuschauer enttäuscht sind. Aber sie haben sich vorher offenbar nicht richtig informiert und die Karten offenbar blind gekauft“, sagt Gerhartz dem Abendblatt. Er habe das Musical korrekt beworben und an keiner Stelle seien die Namen Bourbil und Schönberg aufgetaucht. „Und wir haben uns mit dem Londoner Verlag der bekannten Version wegen der Titelgleichheit genau anwaltlich abgestimmt“, sagt er.
Besucher hätten wissen müssen, dass es kein Original ist
Zudem habe er als Veranstalter keinen Einfluss auf die Qualität. „Man hat mir vorher einen schönen Prospekt geschickt, mehr gab es nicht“, so der Geschäftsführer von Highlight Concerts. Und dass es sich um eine Neuproduktion handelt, hätte seiner Ansicht nach jedem klar sein müssen. „Schließlich gastiert ein Original-Musical nicht nur einen Tag lang in einer Stadt.“
Darüberhinaus gebe es häufig viele Versionen eines Musicals. „Wie bei ‘Phantom der Oper’ zum Beispiel“, sagt Gerhartz. Auch bei „Les Misérables“ sei das möglich, da der Titel schließlich frei sei. Das Urheberrecht besteht 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers fort. Da „Les Misérables“ auf dem Buch von Victor Hugo basiert, der 1885 gestorben ist, ist der Titel schon seit Jahrzehnten frei.
Mehr! Theater und Veranstalter seien im Gespräch
Ulrich Gerhartz betont, dass die Produktion bisher der großen Mehrheit gefallen habe. „Auch in Hamburg sind von den rund 2000 Besuchern nur etwa zehn Prozent eher gegangen“, sagt er. Am Ende habe es „langanhaltenden und heftigen Applaus mit rhythmischem Klatschen“ gegeben.
Das Mehr! Theater am Großmarkt bestätigt, dass das Haus am Mittwochabend nahezu ausverkauft war. Nach den Beschwerden, von denen einige auch das Theater selbst erreicht haben, sei man mit dem Veranstalter im Gespräch. „Uns wurde die Produktion vor mehr als einem Jahr auch unter dem Titel ‘Les Misérables’ angeboten“, sagt Sprecher Thomas Mehlbeer. Zudem sammele man auch erste Erfahrungen mit dem Veranstalter.
Die Vermarktung der Neuinszenierung des Musicals sieht übrigens auch die Kammeroper Köln als „sehr schwierig“ an. Auf ihrer Homepage wirbt sie lediglich mit dem Titel „Barricade“ für das Musical und verweist weiter unten auf den Roman. „Wir haben keinen Einfluss darauf, wie der Veranstalter die Produktion bewirbt“, sagt Sprecher Sebastian Jacobs. „Wir sehen, das Unmut entsteht.“ Und dieser wird bei einigen Zuschauern von „Les Misérables – Barricade“ mit Sicherheit auch noch länger anhalten.