Hamburg. Sie sind noch nicht einmal drei Jahre alt, aber haben schon einen Vereinsausweis – immer mehr Eltern melden ihren Nachwuchs an.
Sie scheinen es kaum abwarten zu können: Immer mehr Eltern in den beiden norddeutschen Fußballhochburgen Hamburg und Bremen melden ihre Babys schon kurz nach der Geburt bei den großen Clubs an. Angesichts der Tatsache, dass ganze Lebensläufe und Freundschaften von der „richtigen“ Vereinszugehörigkeit abhängen, wird in dieser Hinsicht nichts mehr dem Zufall überlassen. Auch die wichtigste Nebensache der Welt braucht frühkindliche Prägung.
Deshalb stecken Babys, kaum auf der Welt, nicht mehr nur in Stramplern mit Raute, Totenkopf oder grün-weißen Streifen. Sie kriegen auch gleich den dazugehörigen Mitgliedsausweis in die Wiege gelegt. Alle namhaften Clubs bestätigen, dass zunehmend unter Dreijährige angemeldet werden. Doch wer ist Baby-Boomer im Norden? Der magische FC St. Pauli? Der ruhmreiche SV Werder Bremen? Oder nur der HSV?
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„Wir verzeichnen eine positive Mitgliederentwicklung – und zwar auch bei den ganz jungen Mitgliedern“, sagt HSV-Sprecherin Anne Gnauk. Ähnlich äußert sich Christoph Pieper, Sprecher des FC St. Pauli: „Wir stellen fest, dass immer mehr Fans ihre Kinder mit dem Tag der Geburt bei uns anmelden.“ Und auch beim SV Werder Bremen steigen die Zahlen der kleinen, noch fremdbestimmten Fans.
Dort führt man die steigende Tendenz auf die vereinseigene „Windel-Liga“ zurück, ein Projekt zur Förderung der körperlichen Entwicklung bei Kleinkindern. Präsident und Geschäftsführer Hubertus Hess-Grunewald sagt: „Wir freuen uns, dass Werder so attraktiv für junge Familien und junge Mitglieder ist.“ Es sei eine große Motivation, das Werder-Motto „Lebenslang grün-weiß“ mit Inhalten zu füllen. „Schön, dass Werders Arbeit solche Früchte in der Stadt trägt“, so Hess-Grunewald.
Der grundsätzliche Elternwunsch, ihre Babys so früh wie möglich bei einem bekannten Fußballclub anzumelden, ist in beiden Städten etwa gleich stark ausgeprägt. Gemessen an der Mitgliederzahl der jüngsten Anhänger sind Bremer Eltern aber besonders ambitioniert. Lebenslang grün-weiß – dieses Motto setzen die Paare tatsächlich um. „936 unserer Mitglieder sind nicht älter als drei Jahre“, sagt Werder-Sprecher Michael Rudolph. Damit sind 2,6 Prozent aller Werder-Mitglieder im Krabbelstadium oder Laufanfänger.
Da Werder keine ernsthafte Konkurrenz in der Stadt hat, ist die Identifikation mit der grün-weißen Raute wenig überraschend. Böswillig formuliert: Nach Werder kommt in Bremen nicht mehr viel. Zumindest nicht auf Vereinsebene.
Erzrivale HSV zählt 921 offizielle Kleinkindfans
Anders sieht es in Hamburg aus. Hier kommt der ewige Rivale des HSV nicht nur von der Weser, auch im Zentrum der Stadt sitzt ein Mitbewerber um die Gunst der ganz jungen Anhänger: Und doch zählt der HSV immerhin 921 Mitglieder, die jünger sind als drei Jahre. Da der Hamburger Sport-Verein aber insgesamt mehr als doppelt so viele Mitglieder hat wie Werder Bremen, liegt der Anmeldequote im Kleinkindalter dort „nur“ bei 1,2 Prozent. Dieses Nordderby gewinnt also Bremen.
Zumal auch der FC St. Pauli einen Mitgliederzuwachs im Krabbelalter verzeichnet. Dort gehören 355 Neugeborene zur „Pampers-Abteilung“ und bilden das klitzekleine „Herz von St. Pauli“. Noch in Windeln ruhen auf den Unter-Dreijährigen die Hoffnungen für den sportlichen (und wirtschaftlichen) Erfolg von morgen, wie der Verein bekennt. Bei rund 24.500 Mitgliedern – davon 13.500 passive – entspricht das einer Quote von 1,4 Prozent. Anteilig würde St. Pauli demnach sogar das Stadtderby gegen den HSV gewinnen. Wer sein Kind beim „Kids-Club“ anmeldet – den Rabauken –, ist zudem nicht nur offiziell Mitglied, er profitiert auch von diversen Vorteilen.
Willkommenspaket mit Rabauken-Schal
Nach Angaben des Vereinssprechers Christoph Pieper gibt es neben einem Willkommenspaket mit Rabauken-Schal, Aufnähern und Aufklebern auch Ermäßigungen für die Fußballschule, auf Fan-Artikel und die Möglichkeit zur Betreuung während der Heimspiele sowie Zugang zum Kinderblock. Letzteres dürfte vor allem fußballbegeisterten Eltern entgegenkommen. Zumal der Kiezklub mit einem Jahresbeitrag von 19,90 Euro die günstigste Mitgliedschaft für Kleinkinder anbietet.
Doch auch beim HSV gibt es viele geldwerte und vereinsinterne Vorteile für Kinder und Jugendliche, die im Kids-Club Mitglied sind. „Sie haben unter anderem Gelegenheit, an unterschiedlichen Aktionen und Veranstaltungen teilzunehmen, ihre Fußball-Idole zu treffen oder sich als Einlaufkind zu bewerben“, sagt HSV-Sprecherin Anne Gnauk. Die Mitgliedschaft im Kids-Club kostet pro Jahr 32 Euro.
Mit einem besonderen Angebot lockt der SV Werder Bremen junge Eltern, ihre Neugeborenen direkt anzumelden. Seit 2009 gibt es beim Bremer Verein die bereits angeführte „Windel-Liga“. „Das Projekt wurde gegründet, um jungen Familien und insbesondere den Neugeborenen einen optimalen Start in ein gesundes und aktives Leben zu ermöglichen“, sagt Sprecher Michael Rudolph.
Wer sein Kind nach der Geburt anmeldet, kann im ersten Jahr stadtweit Angebote wie Babymassage, Babyschwimmen oder Krabbelgruppen für fünf Euro im Monat nutzen. „Im zweiten Mitgliedschaftsjahr stehen wiederum neue Angebote wie Ernährungskurse auf dem Programm“, so Rudolph.
Bedingungslose Liebe der Eltern zum Verein
Neben den Vergünstigungen dürfte wohl bei allen Fußballclubs die (fast) bedingungslose Liebe der Eltern zum Verein eine große Rolle bei der Entscheidung spielen, ihr Kind als Mitglied eintragen zu lassen.
Ob es zwischen Nachwuchs und Verein tatsächlich funkt und diese Liebe dann auch ein Leben lang hält, ist eine andere Frage. „Die Vereinsverbundenheit ist beim HSV generell sehr ausgeprägt“, sagt Anne Gnauk. „Häufig wünschen sich Eltern deshalb, dass auch ihr Kind früh Mitglied wird.“ 77.000 Mitglieder zählt der HSV derzeit insgesamt.
Blöd wird es nur, wenn die Jugend irgendwann ihre eigenen Vorlieben entwickelt oder die Meinung von Schulfreunden wichtiger wird als die der Eltern. Dann zeigt sich der wahre, vermeintlich standhafte und über Jahre gewachsene Charakter einer früh geförderten Vereinsliebe. Oder auch nicht.