Toulouse/Hamburg. Flugzeugbauer übergibt 688 Maschinen. Hochlauf der Produktion in Hamburg im Plan. Experte sieht Europäer 2018 vor Boeing.

Für viele Menschen soll es in der Adventszeit besinnlich zugehen – für viele Airbus-Mitarbeiter dürfte die Zeit eher arbeitsintensiv gewesen sein. Allein im vergangenen Dezember hat der europäische Flugzeugbauer 111 Jets an Airlines und Leasingfirmen ausgeliefert. Das seien etwa doppelt so viele wie normalerweise pro Monat, sagte gestern Fabrice Brégier, Chef der zivilen Flugzeugsparte, auf der Jahrespressekonferenz in Toulouse und sprach von einer außergewöhnlichen Leistung.

Der starke Endspurt ermöglichte eine Bestmarke. Brégier: „Ich bin sehr stolz, dass wir im vergangenen Jahr 688 Flugzeuge ausgeliefert haben. Das ist ein neuer Airbus-Rekord.“ Das 14. Jahr in Folge steigerte der Konzern seine Auslieferungen.

A320-Familie wichtiges Segment

Das Gros steuerten wieder die Mittelstreckenflieger der A320-Familie bei, die rund zur Hälfte in Hamburg gefertigt werden. 545 Exemplare wurden an die Kunden übergeben. Darunter waren 68 Modelle der neo-Variante mit neuen sparsamen Triebwerken. Den ersten Jet konnte Airbus nach mehrfachen Verzögerungen erst im Januar 2016 an Lufthansa übergeben.

Die neuen Triebwerke des Herstellers Pratt & Whitney, die in Kombination mit nach oben gebogenen Flügelspitzen den Treibstoffbedarf um mindestens 15 Prozent senken sollen, hatten ein Kühlungsproblem. Mittlerweile sind auch die Aggregate des zweiten Herstellers CFM im Einsatz.

Werk auf Finkenwerder spielt große Rolle

Die Rate des A320-Programms soll von derzeit gut 45 Stück pro Monat im Laufe des Jahres 2019 auf 60 Stück steigen. „Wir sind zuversichtlich, dass wir das schaffen“, sagte Brégier. Eine wichtige Rolle kommt dem Werk auf Finkenwerder zu. Bisher wird dort an drei Fertigungsstraßen gearbeitet. „Die vierte Endmontagelinie ist in den letzten Schritten ihres Aufbaus und wird in diesem Sommer an den Start gehen“, sagte Brégier und verwies darauf, dass alles planmäßig liefe.

Mit dem Hochlauf will Airbus den hohen Auftragsbestand reduzieren. Order für 6874 Maschinen stehen in den Büchern. Rein rechnerisch ist die Produktion damit für etwa zehn Jahre ausgelastet. Allein für die A320-Familie sind es 5645 Bestellungen. Für Verkaufschef John Leahy ergibt sich daraus ein Problem. „Ich habe nichts zu verkaufen bis zum Jahr 2021“, sagte er und verwies damit auf fehlende Bau-slots für das Programm.

Teuerstes Modell bleibt der A380

Der Gesamtwert der Order liegt damit wie im Vorjahr bei mehr als einer Billion Dollar nach Listenpreisen – allerdings sind hohe Rabatte in der Branche üblich. Eher statistischer Natur sind daher auch die verkündeten Preiserhöhungen. Um durchschnittlich ein Prozent zog Airbus die Preise an, ein 321neo kostet nun 127 Millionen Dollar (120,8 Millionen Euro) statt 125,7 Millionen Dollar wie im Vorjahr.

Das teuerste Modell bleibt mit 436,9 Millionen Dollar der A380. Nennenswerte Aufträge fehlen allerdings schon seit gut zwei Jahren. Die Produktionsrate für das größte Passagierflugzeug der Welt wird auf eine Maschine pro Monat heruntergefahren. 2016 wurden noch 28 Stück ausgeliefert. Dennoch zeigte sich Leahy gewohnt optimistisch: „Die Tage des A380 werden kommen.“ Der Luftverkehr verdoppele sich alle 15 Jahre, die Drehkreuze wie New York, Paris oder London stießen an ihre Grenzen.

„Wir haben unsere Ziele erreicht“

In London-Heathrow seien 2014 sechs Prozent aller Fluggäste mit einem A380 geflogen, dieses Jahr sollen es zwölf Prozent sein. Zwar werde in Peking schon ein neuer Flughafen gebaut. „Die Chinesen sind aber auch die Einzigen, die einen neuen Großflughafen bauen können“, sagte Leahy und hatte wohl Bürgerproteste gegen solche Großprojekte im Hinterkopf.

Im Vergleich zum A380 deutlich besser lief es bei den anderen Langstreckenjets. Vom A330 wurden 66 Stück ausgeliefert, vom A350 waren es 49. „Wir haben unsere Ziele erreicht“, lautete das Fazit von Brégier für das Gesamtjahr – auch wenn beim A350 die Latte knapp gerissen wurde. Mindestens 50 Stück wollte der Konzern eigentlich ausliefern. Zulieferer von Toi­letten und Sitzen sorgten aber immer wieder für Verzögerungen.

Bei Prognosen für dieses Jahr hielt sich Brégier zurück. Mehr als 700 Jets sollen an Kunden übergeben werden. Und bei der neo-Serie sollen es dreimal so viele sein wie dieses Jahr – , mehr war dem Franzosen nicht zu entlocken. Ob es schon gelinge, den Erzrivalen Boeing zu überholen, der 2016 noch mit 60 Maschinen mehr die Nase vorn hatte? Das sei nicht entscheidend, sondern wichtig sei nachhaltiges Wachstum, so Brégier.

Der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt erwartet die Europäer im nächsten Jahr vorn. „Ich denke, dass Airbus Boeing 2018 wieder überholen wird.“ Zuletzt waren die Europäer 2011 größter Flugzeugbauer der Welt. Das sei zwar gut fürs Image, mehr aber auch nicht, sagte Großbongardt. Er attestierte Airbus ein gelungenes Jahr: „Wenn man mehr Flugzeuge verkauft als ausliefert, ist man erfolgreich.“ Der US-Jethersteller schaffte dies nicht (siehe Grafik).

Große indische Order

Zukünftig sei dies allerdings auch für die Europäer fraglich. Asiatische Billigairlines könnten ihr Wachstumstempo nicht mehr halten. Gestern gab es aus der für Airbus wichtigsten Region – 31 Prozent der Verkaufserlöse werden auf dem Kontinent erzielt – aber noch einmal eine gute Nachricht. Die indische GoAir zurrte ihre Order über 72 A320neo-Maschinen fest. Am späten Nachmittag erhielt der Iran nach dem Ende der Sanktionen den ersten von 100 Jets (ein A321).

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