Toulouse. Der A350 ist das modernste Flugzeug des Konzerns. Wichtige Teile kommen aus dem Norden.
Angeregt unterhalten sich die beiden Monteure. Einer hält einen Zettel mit den Arbeitsanweisungen in der Hand, sein Kollege greift zum Werkzeug und zieht eine Schraube am vorderen Fahrwerk fest. Über den beiden Arbeitern hängt der mächtige Rumpf des A350 in einem Gerüst. Die Produktion des neuen Hoffnungsträgers des Airbus-Konzerns kommt ins Rollen. Sechs Stück werden derzeit pro Monat fertiggestellt, Ende 2018 soll die Rate bei zehn liegen. Ein kräftiger Anstieg für die Branche und für das Flugzeug mit einer jungen Geschichte.
Die erste Auslieferung erfolgte erst vor knapp zwei Jahren. 45 Maschinen sind bei Fluggesellschaften im Einsatz, 30 Stück wurden in diesem Jahr bisher ausgeliefert. „Unser Ziel von mindestens 50 Auslieferungen in diesem Jahr bleibt unverändert“, sagt Didier Evrard, der Programmchef für alle zivilen Flugzeuge, dem Abendblatt. Es läuft auf einen ehrgeizigen Jahresendspurt hin. Das ist auch den Problemen des Zulieferers Zodiac geschuldet. Der hatte vor allem bei Toilettentüren einen Engpass, es kam zu Verzögerungen.
Der A350, der gerade sein Bugfahrwerk erhält, ist ein besonderer. Auf der roten Nase prangt ein weißer Zettel: „100“ steht mit schwarzer Schrift drauf. Es ist der Jubiläumsjet, den die Arbeiter beim Abendblatt-Besuch in Toulouse gerade fertigen. „Rund 40 A350-Flugzeuge befinden sich derzeit an den verschiedenen Stationen in der Endmontagelinie“, sagt Evrard. Und sie alle enthalten wichtige Komponenten aus Deutschland. Mit weit mehr als einem Drittel gibt Airbus den deutschen Entwicklungs- und Produktionsanteil an, der Großteil davon stammt aus dem Norden.
Roboter sieht man in der Halle keine, alles ist Handarbeit
Am Hauptquartier des Konzerns in Frankreich beginnt die A350-Endmontage an Station 59. Hier kommen auch die zwei Rumpfsegmente an, die aus Norddeutschland stammen. Das vordere kommt aus Nordenham (bei Bremerhaven), das hintere wurde in Hamburg zusammengebaut. Beide wurden anschließend im Werk auf Finkenwerder ausgerüstet. Hunderte Beschäftigte bauten dort Isoliermatten ein, montierten Halterungen, verlegten Leitungen für Hydraulik, Wasser, Sauerstoff und Klimaanlage. Auch das Modulsystem mit den Kabelsträngen hängten sie unter die Decke. Zum Schluss testeten sie, ob alles funktioniert. Die Beluga flog das vordere Teil über den Umweg Saint Nazaire zum Cockpit-Anbau und das hintere direkt nach Toulouse. An Station 59 laden die Beschäftigten große Einheiten wie Toiletten, Küchen und die Schlafräume für die Crew in die Segmente ein und beginnen mit der Montage.
Einen Bauplatz weiter an Station 50 werden die insgesamt drei Rumpfabschnitte zusammengefügt. Dort steht gerade der Flieger mit der 100 auf der Nase. Roboter sieht man in der Halle keine. Alles wird in Handarbeit, natürlich mit maschineller Unterstützung, gemacht. Während die Monteure im hinteren Teil des Jets die letzten Handgriffe an der Bordküche und dem Schlafraum für die Crew machen, bauen ihre Kollegen das Bugfahrwerk an. Später schrauben sie die Reifen fest und lassen den Jet herunter. Dann wird er rückwärts auf einem Transporter aus der Halle und zum nächsten Bauplatz gefahren.
An Station 40 erhält das Flugzeug sein charakteristisches Äußeres. Der Rumpf wird mit den Tragflächen verbunden – und damit kommen erneut Teile aus Norddeutschland zum Einsatz. Die Flügeloberschalen werden im Werk in Stade gefertigt, das das Kompetenzzentrum im Konzern für Kohlefaserverbundwerkstoffe (CFK) ist. Das Material spielt in der Luftfahrt eine zunehmend größere Rolle. Die Vorteile: Es ist im Vergleich mit Aluminium leichter, ermüdungsresistenter und kann nicht rosten. Für die Airlines senkt das die Betriebskosten wegen des geringeren Wartungsaufwands und geringeren Treibstoffverbrauchs durch die Gewichtsersparnis. 25 Prozent weniger Kerosin, das übrigens in den Flügeln untergebracht ist, soll der A350 im Vergleich mit anderen Langstreckenmodellen verbrauchen.
Der A350 besteht zu 53 Prozent aus CFK. Die Flügeloberschale ist mit 32 Metern Länge und sechs Metern Breite das größte Bauteil, das Airbus aus diesem Hightech-Material verwendet. Im britischen Broughton wird sie mit den aus Illescas bei Madrid stammenden Unterschalen zur Flügelbox zusammengebaut. In Bremen wird diese ausgerüstet und nach Toulouse zur Endmontage gebracht. Mit dem ebenfalls aus Stade stammenden Seitenleitwerk und dem Höhenleitwerk montieren die Arbeiter zwei weitere markante Teile. Die Monteure bringen auch den Heckabschluss, das Hauptfahrwerk und die Triebwerksaufhängung an. Erstmals wird auch der Strom angeschaltet.
In der Kabine werden beispielsweise die Wandverkleidungen, Deckenpaneelen und Handgepäckfächer montiert sowie Teppiche verlegt. Das parallele Arbeiten an Rumpf und Kabineneinrichtung ist im Vergleich zu anderen Langstreckenprogrammen neu. „Diese effiziente Art zu arbeiten senkt die Zeit in der Endmontage um bis zu 30 Prozent“, sagt Evrard. Insgesamt sind im A350-Programm mehr als 1000 Arbeiter beschäftigt. Im Normalfall arbeiten sie von Montag bis Freitag im Zwei-Schicht-System.
22.000 Quadratmeter große Fotovoltaik-Anlage
An der nächsten Station 30 erfolgen Bodentests. Unter flugähnlichen Bedingungen werden in der Halle Systeme des Flugzeugs geprüft wie zum Beispiel die Klimaanlage und das Bordunterhaltungsprogramm. Auch mechanische Systeme wie das Fahrwerk erhalten einen Check. Parallel dazu schreitet der Ausbau der Kabine weiter voran. Die Sitze werden installiert und verkabelt. Die Bordküchen erhalten ihre Ausstattung. Die Luken für das Fahrwerk werden montiert. An Station 18 werden die Türen angebaut.
Auch die Frachträume erhalten ihren Verschluss. Letztlich verlässt das Flugzeug auf seinen Rädern die Halle, die übrigens 55 Prozent des benötigten Stroms über eine 22.000 Quadratmeter große Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach erhält. Im Zentrum der Station stehen die Bodentests. Die Systeme für Kabinendruck und Treibstoff werden unter die Lupe genommen. Auch die Kommunikation über Funk steht auf dem Prüfstand.
Sind die Checks bestanden, wandert der A350 in die Lackierung. Über ein elektrostatisches Sprühsystem werden die Farben aufgetragen. Das soll den Lackverbrauch senken und damit Gewicht sparen. Mindestens sieben Tage dauert dieser Prozess, bei sehr aufwendigen Motiven brauchen die Lackierer bis zu 18 Tage. Beim Abendblatt-Besuch steht gerade der zweite A350 für die Lufthansa in der Halle. Elf Tage sind für die Maschine der Kranich-Linie im Paint-Shop veranschlagt, um die rund 2100 Quadratmeter zu bemalen. Zutritt leider verboten – ebenso wie beim ersten A350 für die Lufthansa, der schon an der letzten Station haltgemacht hat.
An Station 20 erhält das Cockpit seine Möblierung, die Kabine ist vollständig ausgerüstet. Die Hilfsturbine und die Triebwerke werden installiert. 2,65 Millionen Teile sind nun verbaut worden. Alle relevanten Tests sind erfolgt. Rund 60 Werktage stand der Jet in der Endmontagelinie an den verschiedenen Stationen.
Nun wird das Flugzeug für den Erstflug und die Abnahme durch den Kunden vorbereitet. In dem Bereich schirmen die Airlines gern die Maschine von der Öffentlichkeit ab. Die Details der Kabine sollen erst bei der Vorstellung präsentiert werden. An dieser Station befindet sich die zweite Lufthansa-Maschine. Die Kranich-Linie bestellte insgesamt 25 dieser Großraumjets und soll am 19. Dezember ihren ersten A350 erhalten. Die ersten zehn Flugzeuge werden im kommenden Winter in München stationiert. Erste Destinationen sind Delhi und Boston. Das Flugzeug wird 293 Passagieren Platz bieten: 48 davon in der Business Class, 21 in der Premium Economy und 224 in der Economy Class.
Airbus gibt die normale Bestuhlung mit 325 Plätzen an. Die Sitze sind mit 45,72 Zentimetern rund 2,5 Zentimeter breiter als in Boeings Konkurrenzprodukten. Wie der Flieger aussehen soll, entscheiden die Kunden im Kabinendesignzentrum in Hamburg. Allein beim Kabinenlicht haben sie die Auswahl von 16,7 Millionen Farbtönen. Mit der Technik lassen sich auch Sonnenauf- und -untergang simulieren, so soll der Jetlag reduziert werden.
810 Bestellungen von 43 Fluggesellschaften
Bei den Fluggesellschaften ist der A350 bisher gut angekommen. Dreieinhalb Jahre nach dem Jungfernflug gibt es 810 Bestellungen von 43 Fluggesellschaften und Leasingfirmen. „Für die nächsten 20 Jahre sehen wir einen Bedarf von mehr als 8000 Langstreckenflugzeugen“, sagt Evrard. Mit dem A350 und dem A330neo, der ein neues Kabinendesign und spritsparende Triebwerke verpasst bekam, sei man gut aufgestellt, mindestens die Hälfte des Bedarfs abzudecken. Evrard: „Wir erwarten, dass A330 und A350 in den nächsten 20 Jahren rund 40 Prozent des jährlichen Umsatzes beisteuern.“
308,1 Millionen Dollar kostet laut Preisliste ein A350 in der normalen 900-Version, knapp 50 Millionen Euro mehr das 1000er-Modell. Diese mit 73,78 rund sieben Meter längere Version hob Ende November zum Erstflug in Toulouse ab. Sie fasst in der normalen Drei-Klassen-Bestuhlung 366 Passagiere. Wer den Jubiläumsjet mit der Nummer 100 erhält, verrät Airbus nicht. Der Kunde will nicht genannt werden.