Hamburg. Opposition kritisiert Schulsenator Rabe (SPD) nach schlechter Probeklausur für bundesweit erstes Zentralabitur.

Mit scharfer Kritik hat die Opposition auf das schlechte Ergebnis der Probeklausur für das Abitur im Fach Mathematik und die nachträgliche Heraufsetzung der Noten durch Schulsenator Ties Rabe (SPD) reagiert. CDU-Schulpolitikerin Karin Prien sprach von „Manipulation“ und „Offenbarungseid“, ihre FDP-Kollegin Anna von Treuenfels-Frowein von einer „endgültigen Bankrotterklärung“ von Rabes Bildungspolitik. Die AfD-Fraktion will die Heraufsetzung der Noten juristisch prüfen lassen.

Darum geht es: Am 13. Dezember hatten alle angehenden Abiturienten an Gymnasien und Stadtteilschulen eine Probeklausur in Mathematik unter den Bedingungen des ersten Zentralabiturs geschrieben, das in diesem Jahr in allen 16 Bundesländern abgehalten wird. Die Aufgaben in den Bereichen Analysis, Analytische Geometrie und Stochastik wurden den Beispielaufgaben nachempfunden, die das Berliner Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) für das Zentralabitur entwickelt hat.

Ergebnisse waren niederschmetternd

Die ersten Ergebnisse von zehn Gymnasien und Stadtteilschulen waren niederschmetternd. Der Notendurchschnitt lag bei 3,9. Bei der Mathe-Abi-Klausur 2016 betrug der Mittelwert gut 3,2. Rabe hat daraufhin, wie berichtet, die Heraufsetzung der Zensuren um eine Note angeordnet, damit den Schülern kein Nachteil entsteht.

„Das schlechte Abschneiden der Schüler bei der Probeklausur ist ein Desaster für die Hamburger Abiturienten und den Ruf des Hamburger Schulsystems“, sagte CDU-Politikerin Prien. Das Ergebnis mache deutlich, „wie sehr Hamburger Schüler im nationalen Vergleich hinterherhinken“. Es gleiche einem „Offenbarungseid“ des Senators, wenn er behaupte, mit einem schlechten Ergebnis gerechnet zu haben. „Die Manipulation der Noten hilft den Schülern in der eigentlichen Prüfung nicht“, so Prien, die dem Schulsenator „blinden Aktionismus kurz vor Torschluss“ vorwarf. Bereits die Vergleichstests „Kermit“ der Dritt- und Achtklässler offenbarten „die desaströsen Rückstände in diesem Fach“.

„Leidtragenden sind die Abiturienten“

Die FDP-Politikerin von Treuenfels-Frowein wies darauf hin, dass seit Langem bekannt sei, dass Hamburg beim Zentralabitur nicht mithalten könne. „Das Hochsetzen der Schulnoten offenbart das dramatische Scheitern der Hamburger Bildungspolitik in seinem ganzen Ausmaß“, sagte die Liberale. „Nicht die Schüler haben versagt, sondern der Schulsenator. Die Leidtragenden sind die Abiturienten.“

Nach Ansicht des AfD-Schulpolitikers Alexander Wolf wirft die Heraufsetzung der Noten „ein schlechtes Licht“ auf die Arbeit der Behörde. „Man kann doch nicht einfach verfahren nach dem Motto: Was nicht passt, wird passend gemacht“, sagte Wolf und kündigte eine rechtliche Überprüfung des Vorgehens an.

Mindestens zwölf zusätzliche Übungsstunden

An den Schulen werden nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Ad- hoc-Maßnahmen der Schulbehörde zur Vorbereitung auf die Abiturklausur in Mathematik am 3. Mai intensiv diskutiert. Laut Rabes Vorgabe sollen die Schulen mindestens zwölf zusätzliche Übungsstunden in der Woche vom 11. bis zum 18. April anbieten, die eigentlich bereits unterrichtsfreie Zeit ist. Zudem sollen Schulen gezielt Nachhilfe für Schüler anbieten, die in der Gefahr sind, durch die Prüfung zu fallen.

„Ich finde es richtig, die Schüler jetzt in Mathematik zusätzlich zu fördern“, sagte Helga Wendland, Schulleiterin der Ida-Ehre-Stadtteilschule in Harvestehude. Die Schule hat beschlossen, den Abiturienten für das Fach Mathematik einen Ferienkursus anzubieten. Die von der Behörde vorgegebene Kompaktwoche soll an der Ida-Ehre-Schule um zwei Wochen vorverlegt werden.

„Ich halte die Heraufsetzung der Noten grundsätzlich nicht für richtig. Das ist jetzt nachvollziehbar als eine Lösung, um die Situation zu befrieden“, so Wendland. Die Schulleiterin hält es für erforderlich, sich grundsätzlich und langfristig mit dem Fach zu beschäftigen – unter Einbeziehung von Wissenschaftlern. „Wir müssen anfangen, uns mit dem Mathematik-Unterricht auseinanderzusetzen“, sagte die Pädagogin. „Der Unterricht muss die Kinder von Klasse fünf an begeistern, und wir müssen uns fragen, warum das offensichtlich nicht so gelingt“, sagte Wendland.

„Der in Hamburg beschrittene Weg des mathematischen Denkens ist ein anderer als der, der in den Aufgaben des Zentralabiturs zur Grundlage geworden ist und in anderen Bundesländern seit Langem gilt“, sagte ein Gymnasial-Schulleiter, der nicht namentlich genannt werden möchte.

„Gießkannensystem für alle Schulen“

„Wieder einmal reagiert die Schulbehörde mit dem Gießkannensystem für alle Schulen“, sagte Anja Bensinger-Stolze, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Maßnahmen seien „kurzfristig und ohne die Expertise der Schulen auf den Weg gebracht worden“.

„Es hat eine Reihe von Nachfragen und Kommentaren aus den Schulen gegeben, im Wesentlichen aber Zustimmung zu unseren Entscheidungen“, sagte Behördensprecher Peter Al­brecht. Und zur Rechtslage: „Da die Behörde bei zentralen Prüfungen das Bewertungsschema vorgibt, kann sie es auch korrigieren, solange sie nicht gegen anerkannte Bewertungsgrundsätze verstößt.“ Das sei nicht der Fall.