Hamburg. Massenware war gestern. Konsumenten wollen ihr individuell gestaltetes Produkt. Hamburger Verlag mischt auf dem Markt kräftig mit.

Mal hat das Mädchen auf dem Buchcover blonde Haare, mal braune, mal Locken, mal geflochtene Zöpfe. Mal trägt sie eine Brille, mal ein Haarband, mal ein Shirt mit Sternchen, mal eins mit Streifen. Mal steht sie neben der Biene Maja, mal neben Bibi Blocksberg, Benjamin Blümchen oder den Olchis. Mal heißt sie Mia, mal Carlotta. Oder Marie. Oder Emma. Oder Lina. Leni, Mathilda, Sofia, Emilia oder Frieda. Je nachdem, wie das Kind heißt, für das das Buch gedruckt wird. Individuell. Ganz nach den Wünschen und Vorgaben von Eltern, Omas und Opas, Tanten oder Taufpaten.

Personalisierte Bücher boomen. Immer mehr Anbieter drängen auf den Markt und bieten ihren Kunden die Möglichkeit, sich selbst in Kinderbücher, Krimis oder Romane „hineinzuschreiben“. Der Leser wird zur Romanfigur. Der Grad der Mitgestaltungsmöglichkeit variiert je nach Anbieter stark. Mal kann man nur den eigenen Namen angeben, mal aber auch Alter und Wohnort, Hobbys und Aussehen, Lieblingsessen und Namen von Freunden einfügen.

Sortiment umfasst 19 verschiedene Titel

Zu den bundesweit ersten Anbietern von personalisierten Büchern gehört das Hamburger Unternehmen Framily aus dem Hause StoryDOCKS, einer 100-prozentigen Tochter der Verlagsgruppe Oetinger. Vor sechs Jahren haben die Macher von „Framily“, so der Name des Geschäftsmodells, das erste individuelle Buch auf den Markt gebracht, inzwischen umfasst das Sortiment 19 verschiedene Titel. Und es werden immer mehr.

Das Besondere an den Hanseaten: Kaum ein Konkurrent vertreibt so viele Bücher mit lizenzierten Kinderhelden wie Framily. Bereits jetzt umfasst das Sortiment unter anderem Geschichten von Conni, Bibi Blocksberg, Benjamin Blümchen, Bibi und Tina, Playmobil, den Olchis, Wickie, Biene Maja und Ritter Trenk. In diesem Jahr soll das Portfolio massiv ausgeweitet werden.

Verhandlungen mit Lizenzgebern laufen

Die Verhandlungen mit verschiedenen Lizenzgebern laufen bereits. „Auf der Liste mit unseren Wunschkandidaten stehen viele bekannte Charaktere, die bei den Kids hoch im Kurs stehen,“ sagt Leiterin Jennifer Jones (36) und verrät, dass sich Framily schon einen Coup gesichert habe: Die Lizenz für personalisierte „Mia an Me“-Bücher. Bereits zu Ostern soll es die Möglichkeit geben, ein Buch aus dieser Reihe um Elfen und Einhörner in Centopia individualisieren zu lassen.

Im Laufe des Jahres sollen zwei weitere Titel folgen – und das Geschäft international erweitert werden. „Nachdem wir den deutschen Markt stabilisiert und ausgebaut haben, sind wir jetzt bereit für den nächsten Schritt: die Portfolioausweitung und die Internationalisierung“, sagt Jennifer Jones. Konkrete Umsatzzahlen nennt die Framily-Leiterin nicht, sagt aber, dass die Umsätze in den vergangenen zwei Jahren sprunghaft angestiegen seien und derzeit im siebenstelligen Bereich lägen. Der Preis pro Buch: 27,99 Euro.

Markt mit personalisierten Produkten boomt

Der Markt mit personalisierten Produkten boomt – und deutsche Unternehmen nehmen eine internationale Vorreiterrolle bei Produktindividualisierungen ein. Zu diesem Ergebnis kommt Professor Frank Piller von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, der insgesamt rund 1200 Unternehmen und deren individuelle Massenprodukte analysiert hat. Experten wie Piller sprechen von „Mass Customization“, wenn ein Massenprodukt durch die Variation weniger Merkmale auf Wunsch der Kunden individualisiert wird.

Bei hochpreisigen Gütern wie Autos oder Küchen hat sich das Prinzip der individualisierten Massenanfertigung schon längst etabliert, doch seit ein paar Jahren schwappt die Mass-Customization-Welle eben auch auf Alltagsprodukte über. Egal, ob Tee oder Müsli, Buch oder Bratwurst, Hundefutter oder Parfüm, Keks oder individuell bedruckte Süßigkeiten wie M&M – im Internet scheint es kaum noch ein Produkt zu geben, das man sich nicht nach seinen Wünschen zusammenstellen kann.

„Mit Mass Customization schließt sich der Kreis. Schließlich gab es vor Beginn der Massenproduktion nur individuelle Fertigungen. Jetzt geht der Trend wieder hin zur Individualisierung – jedoch zu Preisen, die sich jeder leisten kann“, sagt Frank Piller.

Der Trend geht zum
selbst zusammengestellten
Müsli wie von
mymuesli
Der Trend geht zum selbst zusammengestellten Müsli wie von mymuesli © mymuesli

Einer der Vorreiter im Lebensmittel-Segment sind die Müsli-Mixer von mymuesli, auf deren Internetseite man sich Müsli nach persönlichen Vorlieben zusammenstellen kann. Eine Erfolgsgeschichte. „Dabei hatte der amerikanische Müslihersteller General Mills vor rund zehn Jahren schon die gleiche Idee wie mymuesli, schaffte es jedoch nie über die Testversion hinaus“, weiß Piller und erzählt, dass auch der Jeanshersteller Levi’s in Amerika bereits eine individuelle Version seiner 501 im Angebot hatte – sich damit dauerhaft aber nicht durchsetzen konnte. „Während Mass Customization für Start-ups eine gute Möglichkeit ist, in einen Markt einzusteigen, ist es für viele etablierte Unternehmen nur eine Marketing-Maßnahme“, so Piller.

Kostengünstige Produktion

Nach Angaben des Professors für Produktwirtschaft ist Mass Customization derzeit so erfolgreich, weil neue Technologien, wie zum Beispiel 3D-Drucker, eine kostengünstige Produktion ermöglichen und es gerade jüngere Konsumenten aus anderen Bereichen gewohnt sind, ihre Produkte individuell zusammenzustellen.

„Wer sich keine CDs mehr kauft, sondern Songs herunterlädt und kein Fernsehprogramm mehr schaut, sondern Filme und Serien streamt, der erwartet auch in anderen Bereichen, dass auf seine Wünsche individuell eingegangen wird“, davon ist Frank Piller überzeugt.

Das Prinzip von Mass Customization ist fast überall das Gleiche: Der Kunde wählt sein Wunschprodukt auf der Internetseite aus und stellt es sich mit ein paar Klicks entsprechend seinen persönlichen Vorlieben zusammen. Dem Internet sei Dank gibt es scheinbar unbegrenzte Kombinationsmöglichkeiten. Allein bei Framily kann man pro Schritt aus bis zu 48 Varianten wählen und zudem eigene Fotos sowie eine Widmung einfügen.

Konkurrenz bei personalisierten Büchern

„Je individueller ein Produkt durch große Auswahlmöglichkeiten wird, um so mehr ist der Kunde bereit, dafür zu zahlen“, sagt der Hamburger Trendforscher Peter Wippermann. Seiner Meinung nach geht es bei Mass Customization weniger um den funktionalen Nutzen eines Produktes, sondern um den Status sowie den Neuheitswert.

„Viele personalisierte Produkte werden verschenkt und zielen weniger auf den Empfänger ab als auf den Absender“, sagt Wippermann. Das heißt: „Es geht nicht nur darum, dem Beschenkten eine besondere Freunde zu machen – sondern ihm auch zu zeigen, dass ich als Schenkender mir besonders viel Mühe und Gedanken gemacht habe.“

Sportschuhe mit
einem Stadtwappen
(hier Köln) oder dem
eigenen Namen sind
heutzutage technisch
kein Problem mehr
Sportschuhe mit einem Stadtwappen (hier Köln) oder dem eigenen Namen sind heutzutage technisch kein Problem mehr © picture-alliance/ dpa

Die Nachfrage nach personalisierten Produkten ist groß, der Markt wächst. Doch die Konkurrenz wird immer größer. Das merkt auch Framily aus dem Hause StoryDOCKS und registriert eine zunehmende Zahl von Konkurrenten unter anderem aus Spanien und England, die hierzulande ebenfalls ihre personalisierten Kinderbücher anbieten.

Um sich noch besser und breiter auf dem Markt aufzustellen, bringt Framily jetzt eine eigene Reihe mit Büchern zum Personalisieren heraus – die Mini Mumms. Anders als bei den lizenzierten Kinderhelden wie Bibi Blocksberg oder Benjamin Blümchen wurden die Mini Mumms als eigenständige Charaktere eigens für die Personalisierungs-Buchreihe entwickelt.

Personalisiertes Buch für Erwachsene

Die Geschichten beschäftigen sich mit Themen wie Angst vor der Dunkelheit oder Angst vor Spinnen und sollen dem Nachwuchs Mut machen. Die Bücher muten ein bisschen stylischer und moderner an und richten sich an Kinder von vier bis acht Jahre. „In der Altersgruppe bis zehn Jahre sind wir gut aufgestellt, danach wird es eher schwierig, Jugendliche für Bilderbücher zu begeistern“, glaubt Jennifer Jones.

Eher denkbar wäre es dann schon, ein personalisiertes Buch für Erwachsene anzubieten – irgendwann. Denn Personalisierung wird die Zukunft bestimmen, sagen Experten wie Wippermann: „Der Kunde wird in der Netzgesellschaft zum Mitgestalter der Produkte.“