Hamburg. An 342 Abschnitten soll auf Haupt- und Bezirksstraßen gearbeitet werden. Staatsrat spricht von „Höchstzahl“ von Baustellen.

Der Wallringtunnel zeitweise dicht, der Lessingtunnel über Monate gesperrt, etliche Baustellen auf den Autobahnen – für Autofahrer war 2016 wirklich ein mühsames Jahr, wenn sie sich durch Hamburg bewegen mussten. Eben ein Jahr mit einer „bisherigen Höchstzahl“ von Straßen-Baustellen, wie der Hamburger Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof (SPD) selbst sagt. Doch auch 2017 dürfte da keine Aussicht auf Erleichterung bringen, wie eine ­Liste mit 342 für dieses Jahr geplante Straßenbaumaßnahmen zeigt, die dem Abendblatt vorliegt. „Wir behalten die Schlagzahl bei“, bestätigte Rieckhof jetzt die Zahl. Das heißt: Das 2011 vom SPD-Senat gestartete große Straßensanierungsprogramm mit rund 70 Millionen Euro jährlichen Investitionen wird auch in diesem Jahr auf dem Rekordniveau von 2016 fortgeführt, nachdem die Senate vor 2011 den ordentlichen Erhalt der Hamburger Straßen ganz offensichtlich immer weiter verschleppt hatten. 20, 30 Millionen Euro - so groß war der Sanierungsetat in etwa früher.

Wie viele Kilometer werden wirklich saniert?

Wie viel jetzt aber tatsächlich saniert wird – darüber gab es jüngst einen kleinen Disput zwischen CDU und SPD. Die Regierungskoalition verwies auf 147 Kilometer sanierte Straßen, musste dann aber auf bissige Nachfragen des CDU-Verkehrsexperten Dennis Thering einräumen, dass es sich dabei in Wahrheit um „Fahrbahn-Kilometer“ handele. Aber das dürften kleine Nickeligkeiten am Rande sein. Tatsache ist, wie auch der ADAC der Stadt bescheinigt, dass Hamburg ein Sanierungsprogramm aufgelegt hat, das genauso beispiellos wie notwendig ist – aber sich auch an der Obergrenze des Erträglichen befindet. Will heißen: Mehr Sanierung würde zum Chaos führen, weniger den Sanierungsstau nicht stoppen. „Da muss man jetzt durch“, sagte schon während des Höhepunkts der Baustellenballung im vergangenen Jahr der verkehrspolitische Sprecher des ADAC Hansa, Carsten Willms.

„Auf keine einzige Maßnahme können wir verzichten, das wäre verantwortungslos“, argumentiert auch Verkehrsstaatsrat Rieckhof. Er rechne damit, dass es Hamburg erst um 2018 gelingen werde, den „allgemeinen Verfall“ des rund 4000 Kilometer langen Straßennetzes zu stoppen. Dann, so die Hoffnung, kann man an der Elbe wieder in den normalen Pflege- und Unterhaltungsmodus schalten.

Im Wallringtunnel wird auch in diesem Jahr weitergearbeitet
Im Wallringtunnel wird auch in diesem Jahr weitergearbeitet © Andreas Laible | Andreas Laible

Insgesamt sieht der bisherige Plan der Verkehrsbehörde für 2017 eben die 342 Baustellen auf Autobahnen, Hauptverkehrsstrecken und Bezirksstraßen vor. Manchmal sind das nur kurze Eingriffe ins Sielnetz, die an einem Wochenende erledig sind. Gelegentlich rücken Arbeiter an, um Datenleitungen in wenigen Tagen zu verlegen. Oft genug sind dabei aber auch Arbeiten, die den Verkehr empfindlich behindern werden: besonders auf den Autobahnen, weil dann in der Stadt Ausweichverkehre auf den Stadtverkehr treffen, der sich ebenfalls Wege durch die Baustellen suchen muss.

Sanierung der A1 ist Notfall

Doch gerade die großen Autobahn-Projekte seien „unausweichlich“, wie Rieckhof sagt. Auch wenn man auf den Gedanken kommen könnte, angesichts der Verbreiterung und des Deckelbaus auf der A 7 zwischen Elbtunnel und Stellingen werde schon genug auf Hamburger Autobahnen gebuddelt. So ist beispielsweise eine Sanierung der Fahrbahndecke auf der A 1 bei Stillhorn als „Notfallmaßnahme“ deklariert. Eigentlich sollte die Straße erst 2018 dran sein, doch inzwischen zeigt sich dort ein zwölf Zentimeter tiefer und 50 Zentimeter breiter Riss im Hauptfahrstreifen. In jeder Sekunde, so haben die Planer der Verkehrsbehörde ausgerechnet, donnert dort ein Lkw-Reifen hinweg. Jederzeit könnte der Schaden größer und gefährlicher werden. Jetzt soll die Straße im April saniert werden.

Verschieben geht nicht

Viele Staus vor allem im täglichen Berufsverkehr dürfte auch eine weitere A-7-Baustelle südlich des Elbtunnels bringen. Dort soll vom 7. Mai bis 30. September zwischen Heimfeld und dem Autobahndreieck Südwest an der Landesgrenze zu Niedersachsen weiter die Fahrbahn grundsaniert werden. Im Zuge der Baustelle werden dann aber auch Brücken instand gesetzt und eine Straßenentwässerung neu installiert. Maßnahmen, die man angesichts der weiteren Autobahnbaustellen eigentlich auch hätte verschieben können. „Geht aber nicht“, sagt Staatsrat Rieckhof.

Denn zeitgleich läuft die Plangenehmigung zum achtstreifigen Ausbau der Autobahn südlich des Tunnels weiter, und auch der Anschluss an die künftige A 26 wird in diesem Abschnitt bereits konkret geplant, sodass dort dann 2018 oder 2019 erneut wieder Straßenbauarbeiter für ein Großprojekt anrücken müssten. Bis dahin müsse die Sanierung daher durch sein. Rieckhof: „Uns bleiben eben immer nur kurze Zeitfenster für die Sanierung.“

Insgesamt plant die Verkehrsbehörde in diesem Jahr 19 Baustellen auf Hamburger Autobahnen, 205 Maßnahmen auf Hauptverkehrsstraßen und noch einmal weitere 118 Baustellen auf den kleineren Bezirksstraßen. Wo in Ihrer Nachbarschaft gebaut wird, lesen Sie morgen in einer großen Tabelle und auf abendblatt.de

Wie viel Koordination ist nötig? CDU hakt nach

Angesichts der zahlreichen Straßenbaustellen hat die Stadt inzwischen auf eine Forderung von Verbänden reagiert und eine neue Stabsstelle zur Baustellen-Koordination geschaffen. Ob die aber ausreicht? Zumindest die CDU in Hamburg hat da erhebliche Zweifel: „Das ist wirklich nicht der große Wurf“, kritisiert etwa der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Dennis Thering, der jetzt an den Senat dazu eine Kleine Anfrage gestellt hat.

Tatsächlich besteht der „Arbeitsstab Verkehrs- und Baustellenkoordination“ aus zwei erfahrenen Behördenmitarbeitern. Dieser Arbeitsstab solle „bedarfsgerecht“ durch weitere Mitarbeiter der zuständigen Landesbetriebe und Behörde aufgestockt werden. Allerdings wurden dazu keine zusätzlichen Personalstellen geschaffen, wie aus der Antwort auf die Anfrage hervorgeht.

Vielversprechende EDV

Durch eine jetzt „institutionelle“ Zusammenarbeit mit Umland-Kommunen werde aber die Koordination zwischen den Bundesländern verbessert, heißt es. So gebe es nun „übergeordnete Verkehrsbesprechungen“, zuletzt am 9. und 21. November. Beteiligt daran waren neben Hamburger Behörden auch Vertreter der Landkreise Pinneberg, Stade und Harburg sowie Polizei-Beamte aus Niedersachsen und Schleswig Holstein.

Viel verspricht sich die Verkehrsbehörde zudem von einer neuen EDV, die im Laufe der nächsten Wochen weiter- entwickelt werden soll und auch von anderen Abteilungen zur Koordination eingesetzt werden könne. Eine Baustellen-Datenbank kann dabei einfach und prompt visualisiert werden, um schnell zu erkennen, wo und wann Baustellen geplant sind. Diese Software „ROADS“ (Roadwork Administration and Decision System) wurde eigens für Hamburg entwickelt und soll Ende März 2017 in der ersten vollständigen Entwicklungsstufe fertigstellt sein.

Koordination für Metropolregion

Hauptaugenmerk der neuen Stabsstelle wird allerdings auf der Koordinierung bei Autobahnen und möglichen Umleitungsstrecken im „Großraum Hamburg“ liegen – damit es dabei nicht zu vermeidbaren Überschneidungen kommt. Die CDU, aber auch der ADAC hatten indes eine gemeinsame Koordination für die gesamte Metropolregion gefordert, die bis Cuxhaven oder tief nach Mecklenburg-Vorpommern reicht. Doch aus Sicht von Verkehrs-Staatsrat Andreas Rieckhof (SPD) ist eine so weit gefasste Koordination nicht notwendig. „Was sollen wir Baustellen in Bad Bederkesa besprechen?“, fragt er. Wichtig sei eine Koordination in Hamburg und den wichtigen Pendlerstrecken im Umland.

Doch das ist dem CDU-Politiker Thering nicht weit genug gefasst, er fordert weiter eine gemeinsame Koordination in der Metropolregion. Aber auch innerhalb der Stadt müssten die Baustellen besser koordiniert werden, sagt der CDU-Politiker. So hätte die neue Stabsstelle auch diese Baustellen betreuen müssen.

Wann, wo und wie lange es zu Staus in Hamburg kommt, ist unterdessen trotz aller neuen EDV nicht ganz klar. Auf eine entsprechende Frage Therings, ob es denn dazu eine Statistik gebe, ist die schriftliche Antwort knapp: „Nein“, so heißt es da lapidar ...