Hamburg. Mit dem Medienmanager, Sammler und Gründer des Maritimen Museums, starb ein Abendblatt-Redakteur der ersten Stunde. Ein Nachruf.

Vor sechs Jahren ist er noch einmal für eine Stunde zu der Zeitung zurückgekehrt, mit der für ihn alles begann: Schon deutlich vom Alter gezeichnet besuchte Peter Tamm am 23. Dezember 2010 die Abendblatt-Redaktion, wo er an der Mittagskonferenz teilnahm und sichtlich bewegt davon erzählte, wie er an der Produktion der allerersten Abendblatt-Ausgabe mitgearbeitet hat. Die war am 14. Oktober 1948 erschienen. Jetzt ist der Journalist, Verlagsmanager, Schifffahrts-Sammler und Gründer des Internationalen Maritimen Museums gestorben. Im Alter von 88 Jahren erlag er am 29. Dezember in Hamburg einer langen schweren Krankheit.

Der Vater brachte ihm die maritime Welt näher

Peter Tamm wuchs in einer Familie auf, die seit Generationen mit der Schifffahrt zu tun hatte. Schon im 18. Jahrhundert war die Reederei „Tamm & Söhne“ in Hamburg aktenkundig. Tamms Vater, der als Schifffahrtskaufmann arbeitete, führte den Sohn als Kind zum Hafen und brachte ihm die maritime Welt nahe. Für seinen weiteren Lebensweg prägend wurde aber ein Geschenk der Mutter: Als der Sechsjährige im Sommer 1934 in der elterlichen Wohnung in Eppendorf mit Fieber im Bett lag, schenkte ihm seine Mutter das Modell eines Küstenfrachters im Maßstab 1:1.250. Die meisten anderen Kinder hätten es in eine Spielzeugkiste geworfen, Peter Tamm stellt es ins Regal, wo bald schon mehrere Schiffe Platz fanden. Bereits als Sechsjähriger hatte er begonnen, sich eine Aufgabe zu stellen, die ihn das ganze Leben begleiten sollte: das Sammeln von Schiffsmodellen, später auch von Marinemalerei, Uniformen, Dokumenten, Fotografien, Plänen, kurz: von allem, was mit der Schifffahrt und ihrer langen Geschichte zu tun hat.

Axel Springer war für ihn Vorbild und Freund

Tamms Kindheit und frühe Jugend war vom Krieg überschattet. Die Bombardements auf Hamburg, die Nächte im Luftschutzkeller und die Angst vor Einschlägen gehören zu seinen prägenden Erinnerungen. Als junger Mann wurde Tamm noch Seekadett, doch besuchte er später keine Seefahrtsschule und erwarb kein Kapitänspatent. Dass die Seefahrt dennoch seine Leidenschaft blieb, bewies er bereits zu Beginn seiner beruflichen Tätigkeit: 1948 wurde Peter Tamm Schifffahrtsredakteur bei dem von Axel Springer gegründeten Hamburger Abendblatt. In dieser Zeit fuhr er als Journalist oft auf Handelsschiffen mit bis nach Sibirien und Südamerika. Nicht zufällig steht die Beschäftigung mit dem Maritimen am Beginn einer Karriere, die ihn über mehrere Stationen in verschiedenen Positionen schließlich auf die Kommandobrücke des größten europäischen Zeitungshauses führte: Von 1968 bis 1991 war Peter Tamm Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG.

Mit Springer verband Tamm eine lebenslange Freundschaft. „Er war für mich immer ein Vorbild. Ihm verdanke ich nahezu alles“, sagte er. Kalter Krieg, 68er-Bewegung, Neue Ostpolitik, NATO-Nachrüstungsbeschluss, Zusammenbruch des Ostblocks und deutsche Wiedervereinigung – als Springer-Chef hat Peter Tamm bewegte Zeiten miterlebt und mitgestaltet. Er bezog stets klar Position, polarisierte aber auch und wurde zum „Lieblingsfeind“ der Studentenbewegung. Ein Nachklang dieser längst geschlagenen Schlachten wurde noch in der Polemik hörbar, die Jahrzehnte später die Gründungsphase seines Internationalen Maritimen Museums begleitet hat.

Bundespräsident eröffnete das Maritime Museum

Schon während seiner Zeit als Verlagsmanager baute er seine maritime Sammlung immer weiter aus. So war es nur konsequent, dass er Ende der 1980er-Jahre nach einer Möglichkeit suchte, die Sammlung, die den privaten Rahmen damals längst überschritten hatte, angemessen unterzubringen und zu erforschen. Am 23. April 1991 wurde in einem ehemaligen Hotel- und Verwaltungsgebäude an der Elbchaussee 277 das Wissenschaftliche Institut für Schifffahrts- und Marinegeschichte gegründet, dem sich Tamm nach seinem Ausscheiden aus dem Verlag voll widmete. Da die Sammlung dort jedoch nicht museal präsentiert und einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte, war Tamm anderthalb Jahrzehnte später bereit, sich von ihr rechtlich zu trennen und sie in eine Stiftung einzubringen, aus der ein Museum hervorgehen sollte.

Nach zahlreichen Gesprächen, an denen der damalige Finanzsenator Wolfgang Peiner für die Stadt entscheidend beteiligt war, und einer mühsamen Standortsuche kam es schließlich zu einer Vereinbarung mit Senat und Bürgerschaft: Tamm brachte seine Schätze in eine Stiftung ein, der die Stadt im Gegenzug mit der Kaispeicher B eines der wertvollsten historischen Baudenkmäler im Hafen zur Verfügung stellte. Und mit der einmaligen Zahlung von 30 Millionen Euro schuf die Stadt zudem die Voraussetzung dafür, dass das hoch bedeutende, aber völlig marode Bauwerk saniert, restauriert und zu einem Museum umgebaut werden konnte. Die außerordentliche Qualität dieses Sanierungs- und Umbauprojekts prämierte die Deutschen Stiftung Denkmalschutz 2010 mit dem renommierten Bernhard-Remmers-Preis.

Peter Tamm war Abendblatt-Redakteur der ersten Stunde

Eröffnet wurde das Internationale Maritime Museum vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler am 25. Juni 2008. Die im Vorfeld lautstark geäußerte Kritik, das Museumskonzept sei militaristisch und menschenverachtend, hat Peter Tamm damals sehr getroffen. Nicht zuletzt deshalb empfand er Befriedigung darüber, dass sein Museum schnell einen geachteten Platz in der Hamburger Kulturszene gewinnen konnte und jährlich mehr als 100.000 Besucher anzieht. Anders als bei jedem anderen Schifffahrtsmuseum der Welt ist der Ansatz nicht national, sondern international und damit völkerverbindend. Die Idee, die nun auch zu seinem Vermächtnis geworden ist, besteht darin, zu dokumentieren, was die Menschheit der Schifffahrt verdankt und welche enormen Chancen auch in Zukunft damit verbunden sind.

Mit Peter Tamm starb der letzte Abendblatt-Redakteur der ersten Stunde, der zugleich ein enger Vertrauter des Verlegers Axel Springer war. Dass die Axel Springer SE die Zeitung 2014 verkauft hat, hat ihn, wie er im persönlichen Gespräch immer wieder betonte, schwer getroffen. Doch auch später fühlte er sich dem Abendblatt eng verbunden, das bis zuletzt zu seiner täglichen Lektüre gehörte.