Hamburg. Das Jahr 2017 bringt Hamburg mehrfach auf die internationale Weltkarte und macht die Hansestadt womöglich wieder zur Weltmetropole.

Es war einer der letzten Abende in der alten Welt. Im Bürgerschaftswahlkampf hatte die PR-Unternehmerin Friederike Beyer am 22. August 2001 – 20 Tage vor den Terroranschlägen von New York – ins frisch eröffnete Side-Hotel eingeladen. Es ging um die Zukunft der Hansestadt: Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth diskutierte mit fünf Experten „die Rolle Hamburgs im 21. Jahrhundert“.

Zur Jahrtausendwende sah diese Rolle nach einer kleinen Nebenrolle aus: Zwar florierte der Hafen, der Flugzeugbau in Finkenwerder wuchs, die Hafencity galt als Aufbruch zu neuen Ufern. Aber die Stimmung war trotzdem mies. Der Aufstieg der Hauptstadt Berlin hatte die Hanseaten tief verunsichert – plötzlich war die Stadt nicht mehr Nummer 1, sondern fühlte sich degradiert. Immer mehr Kreative und Medieunternehmen zogen von der Elbe an die Spree. Hamburg schrumpfte und erwartete bis 2015 einen Rückgang auf gut 1,6 Millionen Einwohner. Und viele Hamburger fragten bang: Werden wir wieder eine „schlafende Schöne“, wie Helmut Schmidt einst spottete, oder sind wir längst eine schnarchende Halbschöne?

Erstmals seit 100 Jahren rückt die Stadt unter die Metropolen

Einer der Referenten des Abends war der damalige Vorstandschef der Gothaer Versicherungen, Wolfgang Peiner. Er kritisierte „falsche Weichenstellungen, fantasielose Stadtentwicklung, kurzsichtiges Denken“ und konstatierte eine „spürbare Erosion“. „Hamburg hat das Potenzial für eine Führungsrolle in Nordeuropa.“ Er empfahl, sich endlich an den Vorbildern erfolgreicher Küstenstädte zu orientieren. Die Stadt müsse wachsen, internationaler, mutiger werden: „Hamburger werden heute in der Welt mit McDonalds identifiziert, aber nicht mit unserer schönen Stadt“.

Das war unerhört – und hatte man so lange nicht gehört. Wenige Wochen später war Wolfgang Peiner Finanzsenator. Er prägte das Leitmotiv der „Wachsenden Stadt“ und erschuf eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Die Zahl der Übernachtungsgäste stieg seit 2001 um über 150 Prozent auf mehr als zwölf Millionen Übernachtungen, die Bevölkerung, in den 90er-Jahren relativ konstant bei 1,7 Millionen, kletterte inzwischen auf fast 1,8 Millionen Einwohner. Zählte das Statistische Landesamt 2001 767.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, waren es 2016 schon 942.600. Unternehmen wie Immobilienentwickler entdeckten die Stadt.

Das könnte erst der Anfang gewesen sein. Denn das Jahr 2017 bringt Hamburg mehrfach auf die internationalen Weltkarten. Erstmals seit 100 Jahren stünde Hamburg dann wieder unter den Weltmetropolen.

Die Kultur wird das Tor zur Welt weiter aufstoßen

Die Eröffnung der Elbphilharmonie ist dabei in ihrer Wirkung gar nicht hoch genug einzuschätzen: Mit ihrer einzigartigen Architektur und dem Anspruch, eines der besten Konzerthäuser der Welt zu beheimaten, wird der Bau an der Kehrwiederspitze Hamburg attraktiver machen – zunächst für Touristen und für Liebhaber der Hochkultur, später aber durchaus auch für Unternehmer, Studenten, Multiplikatoren. Die Kultur wird das Tor zur Welt weiter aufstoßen, die Stadt internationaler und interessanter machen. Nicht wenige träumen vom sogenannten „Bilbao-Effekt“. Das Guggenheim-Museum hatte in den 90-ern die nordspanische Hafenstadt wachgeküsst und bis heute international als Metropole etabliert.

Diesen Effekt darf man in seiner langfristigen Wirkung nicht unterschätzen: Junge Menschen ziehen in Städte, die faszinieren, Unternehmensgründer machen sich lieber in Metropolen selbstständig, und Weltkonzerne eröffnen Niederlassungen in attraktiven Regionen. Wegen der Elbphilharmonie werden viele Hamburg neu entdecken – und davon werden alle Kultureinrichtungen profitieren, Fluggesellschaften, Restaurants, Hotels, der Einzelhandel. Wachstum erzeugt Wachstum. Weil Metropolen im Wettbewerb stehen, kann dieses Wachstum magnetische Kräfte entwickeln. Mit der Begrünung des Feldbunkers und einer konsequenten Hinwendung zu einer Radmetropole würde Hamburg weiter punkten.

Eine Weltkonferenz in einer Weltstadt

In den vergangenen Jahren wurde zu Recht viel über die Elbphilharmonie gemeckert und geschimpft – nun kippt die Stimmung. Auch die Kritiker werden vermutlich am 11. und 12. Januar stolz das weltweite Echo auf die Eröffnung der Elbphilharmonie registrieren.

Noch eine weitere Großveranstaltung wird Hamburg in die Schlagzeilen bringen, offen ist aber, mit welchem Tenor. Am 7. und 8. Juli 2017 treffen sich Repräsentanten der 20 wichtigsten Länder der Erde in den Hamburger Messehallen – von Russland bis zu den USA, von Saudi-Arabien bis Australien. Erwartet werden 6000 hochrangige Delegierte bis zu den Staatspräsidenten und 3000 Medienvertreter. Donald Trump, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan werden in die Hansestadt kommen. Und bis zu 100.000 Gegendemonstranten. Nicht nur Umwelt- und Entwicklungshilfegruppen rufen zur Protestkundgebung, sondern auch Autonome unter dem Motto „G20-Gipfel blockieren, sabotieren, demontieren“ mobilisieren. Bis zu 10.000 Gewalttäter aus dem In- und Ausland könnten nach Hamburg reisen. Die G20-Treffen in Genua mit einem erschossenen Demonstranten und in Toronto mit Ausschreitungen und Massenverhaftungen sendeten Bilder in die Welt, die Hamburg vermeiden möchte. Immerhin könnte der Gipfel in der Hansestadt angesichts einer neuen Weltunordnung auch mit positiven Nachrichten überraschen. Angesicht der Herausforderungen in Zeiten von Flüchtlings- und Finanzkrisen, von Kriegen und Klimawandel gibt es Themen genug. Die Erwartungen an politische Einigungen sind inzwischen gen Null geschrumpft, da kann der Gipfel kaum noch enttäuschen.

Viele werden im Sommer die Entscheidung, Hamburg mit der Austragung des Gipfels zu betrauen, verfluchen. Aber all denen, die nur Verkehrsbehinderungen, Demonstrationen, Großeinsätze und Krawalle sehen, sei die Hamburger Landesverfassung ins Gedächtnis gerufen. „Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen. Sie will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein.“

2017 kann die Stadt diesen Geist in Realpolitik übersetzen: Eine Weltkonferenz in einer Weltstadt.