Hamburg. Madeleine Hutchins und James Walmsley sind am English Theatre engagiert. Sie stehen auch an den Feiertagen auf der Bühne.

„Der 25. Dezember wird etwas traurig sein“, sagt James Walmsley. Wie die meisten Menschen würde er gern mit seiner Familie Weihnachten feiern, doch Walmsley ist Schauspieler. Und muss auch während der Feiertage ran.

Der sympathische Engländer ist zurzeit am Hamburger English Theatre engagiert, etwa eineinhalb Flugstunden von seinem Haus in Essex im Nordosten Londons entfernt. „Eine Tochter lebt im Nahen Osten und ist hochschwanger, die andere hat Kinder im Alter von zwei Jahren und einem Monat. Besuchen können sie mich deshalb nicht“, erzählt er. „Aber ich sehe das pragmatisch. Der erste Weihnachtstag ist nur ein Tag im Dezember. Wichtiger ist es, ein Engagement zu haben und arbeiten zu können.“

Seine Kollegin Madeleine Hutchins sieht es ähnlich: „Im Dezember hier arbeiten zu können ist wegen der feierlichen Stimmung toll. Mich haben viele Freunde aus England besucht, um mit mir auf die Weihnachtsmärkte zu gehen.“ „Ja, der Geruch von Glühwein und die vielen Lichter, das hat schon was“, ergänzt ihr Kollege. Beide spielen noch bis zum 4. Februar in der Komödie „Don’t Lose The Place!“ im Theater am Lerchenfeld.

„Januar in Großbritannien ist hart"

„Der Januar in Großbritannien ist hart. Es gibt nicht sehr viele Arbeitsmöglichkeiten. Deshalb sind wir sehr froh, in Hamburg spielen zu können“, sagt Hutchins. Seit sechs Jahren ist die 35-Jährige regelmäßig zu Gast am English Theatre, ihr Kollege Walmsley bereits seit mehr als zehn Jahren.

„Vor sechs Jahren haben wir schon mal hier zusammen Weihnachten verbracht“, erzählt Hutchins. „Damals haben alle Schauspieler zusammen in einem der Apartments des Theaters gefeiert. Wir hatten es weihnachtlich dekoriert, sodass ein ganz heimeliges Gefühl entstand.“ Mit Grausen denkt sie an ein Weihnachtsfest, als sie in den USA in Princeton engagiert war.

„Jeder versucht gerade einen irischen Pass zu bekommen“

„Am ersten Weihnachtstag fuhr der gesamte Cast nach New York, und ich blieb ganz allein mit meinem Thai-Curry vom Vorabend zurück. Das war sehr einsam.“ In diesem Jahr besucht Madeleine Hutchins zu Heiligabend ihren Vater, der in Berlin lebt. Walmsley und die anderen britischen Kollegen werden in der Nähe des English Theatre im „Flickenschildt“ feiern, das zur Stammkneipe der Schauspieler geworden ist.

Diskutiert wird dann sicher auch wieder über den Brexit und die Auswirkungen auf die Arbeitsmöglichkeiten für die Briten. „Ich glaube nicht, dass der Brexit wirklich kommen wird, denn viele britische Politiker sind proeuropäisch eingestellt. Die Entscheidung war auf jeden Fall furchtbar. Wenn der Brexit doch kommt, werde ich mir einen irischen Pass besorgen, dann bin ich wieder EU-Bürger“, sagt Walmsley. „Jeder versucht gerade einen irischen Pass zu bekommen“, ergänzt Hutchins. Ihr älterer Kollege hat eine irische Großmutter und deshalb die Möglichkeit, an das gefragte Papier zu gelangen. Beide Schauspieler sind verunsichert, was die Zukunft angeht.

Die Konkurrenz unter Schauspielern in Großbritannien ist enorm groß. Für die fünf Rollen von „Don’t Lose The Place!“ hatten sich etwa 1000 Akteure beworben, auch Walmsley und Hutchins mussten durch das Casting mit insgesamt 50 Kollegen, obwohl sie Theaterdirektor und Regisseur Robert Rumpf bekannt waren.

Fast nur private Bühnen in England

Anders als in Deutschland mit seinen vielen öffentlich geförderten städtischen Bühne gibt es in England mit Ausnahme des National Theatres und der Royal Shakespeare Company fast nur private Bühnen und viel mehr Schauspieler als Engagements. „Meist erhält man lediglich einen Vertrag für ein halbes Jahr“, erzählt Hutchins. Wegen der großen beruflichen Unsicherheit hat sie inzwischen mit einer Massage-Ausbildung angefangen. Wenn es mal nicht gut läuft, möchte sie nicht kellnern müssen, um ihre Miete bezahlen zu können, sagt die im Süden Londons lebende Schauspielerin.

Hutchins’ Traum für das kommende Jahr ist es, eine Rolle am National Theatre zu ergattern oder in einem Kinofilm engagiert zu werden. Aber erst mal steht sie noch ein paar Wochen lang auf der Bühne im English Theatre und genießt in Hamburg das Kellinghusenbad, Filme im Abaton und Alsterspaziergänge.

Auch James Walmsley weiß noch nicht, was ihm 2017 bringen wird. Vielleicht ein bisschen Fernsehen oder eine Theaterproduktion, sagt er. Walmsley ist in Hamburg vor allem von der Elbe fasziniert. Einmal pro Woche fährt er von den Landungsbrücken mit der Fährlinie 62 nach Finkenwerder und zurück: „Im früheren Leben war ich bestimmt Seemann.“

„Don’t Lose The Place!“ läuft bis 4.2. täglich dienstags bis sonnabends, English Theatre
(U Mundsburg), Lerchenfeld 14, Karten ab 21,- unter T. 227 70 89; www.englishtheatre.de