Hamburg. Hochbahn-Chef Henrik Falk glaubt an die Digitalisierung – und dass in 15 Jahren fast alle Hamburger öffentlichen Nahverkehr nutzen.

Die Hamburger Hochbahn hat seit einem Jahr einen neuen Vorstandsvorsitzenden. Im Abendblatt-Interview zieht Henrik Falk ein erstes Fazit seiner Arbeit und spricht über die Zukunft des Verkehrsunternehmens.

Wie bewerten Sie nach einem Jahr ihren Wechsel von Berlin nach Hamburg?

Henrik Falk: Es war die richtige Entscheidung. Ich bin in dieser Stadt sehr offen aufgenommen worden und durfte schon viele interessante Menschen kennenlernen. Bei der Hochbahn habe ich alle Unternehmensbereiche vor Ort besucht und dabei auch festgestellt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hoch motiviert und sehr professionell sind.

Wo funktioniert der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) besser, in Hamburg oder Berlin?

Ich drücke es mal etwas salopp aus: Hamburg hat mehr Klasse, Berlin mehr Masse. Was vor allem auffällt, sind die Haltestellen, die in Hamburg sehr sauber sind.

Die Daimler AG stellte in diesem Jahr den ersten autonom fahrenden Bus vor
Die Daimler AG stellte in diesem Jahr den ersten autonom fahrenden Bus vor © 2016 Daimler AG | 2016 Daimler AG

Was waren für Sie die wichtigsten Entscheidungen, die Sie in ihrem ersten Jahr als Hochbahn-Chef getroffen haben?

Der Aufbruch der Hochbahn in die digitale Welt hat für mich oberste Priorität. Wichtig ist, darüber nicht nur zu reden, sondern es auch konkret anzupacken. Ein echter Meilenstein ist, dass wir das WLAN-Pilotprojekt auf der Metrobuslinie 5 gestartet und erfolgreich abgeschlossen haben. Jetzt haben wir uns das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis Ende 2017 alle rund 1000 Busse mit kostenlosem WLAN auszustatten und bis Ende 2018 auch sämtliche 91 Haltestellen. Aber dazu gehört auch, ganz direkt an Kunden und dessen Bedürfnissen zu denken. Ein Beispiel dafür ist, die DT5-Züge mit USB-Buchsen auszustatten, an denen die Kunden ihre Smartphones aufladen können. Wir bieten damit unseren Fahrgästen einen echten Mehrwert. Dieses Angebot gibt es in diesem Umfang sonst in keiner anderen deutschen Metropole.

Welche nächsten Schritte stehen 2017 im Zuge der Digitalisierung an?

Mit der App des HVV können die Kunden auf ihrem Smartphone und im Internet die Abfahrtszeiten sämtlicher Buslinien der Hochbahn in Echtzeit verfolgen. Außerdem wird Check-in-be-out auf Pilotstrecken getestet. Der Kunde muss sich mit seinem Smartphone im System anmelden, wenn er einen Bus oder eine Bahn betritt. Das System erkennt automatisch, wenn er das Fahrzeug wieder verlässt. Durch diese Daten wird dann der Fahrpreis ermittelt. Wer mehrmals am Tag fährt, bekommt dann aber auch den garantiert günstigsten Preis berechnet.

Wie sieht der ÖPNV der Zukunft aus?

Ich glaube, dass sich der öffentliche Nahverkehr und der Individualverkehr immer mehr annähern. Das Carsharing ist schon etabliert. Das Ridesharing, bei dem sich mehrere Kunden ein Fahrzeug auf einer Strecke teilen, wird kommen. In zehn bis 15 Jahren wird die geteilte Mobilität der Standard sein. Das bedeutet im Prinzip, dass alles öffentlicher Nahverkehr sein wird – etwas, das wir seit mehr als 100 Jahren machen.

Der selbstfahrende Kleinbus „Olli“ bei einer Testfahrt in Berlin
Der selbstfahrende Kleinbus „Olli“ bei einer Testfahrt in Berlin © dpa | Maurizio Gambarini

Die neue Linie U 5 soll so gebaut werden, dass dort vollautomatische U-Bahnen ohne Fahrer eingesetzt werden können. Warum?

Mit einem automatischen System werden wir viel leistungsfähiger. Dadurch können Züge in kürzeren Zeitabständen und flexibler eingesetzt werden. Das heißt, es kann zum Beispiel auf starke Nachfrage umgehend durch zusätzliche Fahrzeuge reagiert werden.

Werden künftig Busse ohne Fahrer in Hamburg unterwegs sein?

Bis 2021 wollen wir erste Pilotstrecken haben, auf denen der Einsatz von autonom fahrenden Bussen getestet wird. In der Zukunft werden diese Fahrzeuge wahrscheinlich wie selbstverständlich zum Stadtbild dazu gehören.

Die Verkehrsunternehmen dürfen ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse anschaffen. Wie weit sind die Planungen dafür?

Es ist auf jeden Fall eine große Herausforderung. Wir haben uns mit sechs anderen Metropolen, darunter Berlin und München, zusammengeschlossen, um so mehr Druck auf die Hersteller ausüben zu können. Gleichzeitig sehen die Unternehmen dadurch aber auch einen großen Markt und haben damit einen Ansporn, die Entwicklung von emissionsfreien Bussen voranzutreiben. Es gibt definitiv noch keine emissionsfreien Busse von etablierten Herstellern, die serientauglich wären. Das muss sich zeitnah ändern.

Wie wirkt sich die Anschaffung der emissionsfreien Busse auf die Infrastruktur bei der Hochbahn aus?

Wir bauen bis 2018 am Gleisdreieck in Alsterdorf einen neuen Busbetriebshof mit Kapazitäten für rund 250 Fahrzeuge. Um die Herausforderungen deutlich zu machen: Die notwendige Leistung für diesen Standort ist vergleichbar mit dem Energiebedarf des gesamten U-Bahn-Systems in Hamburg. Das ist darstellbar, erfordert aber auch sehr viel Einsatz von allen Beteiligten.

Wie umweltfreundlich ist die Hochbahn-Flotte heute?

Wir kaufen mehr als 100 neue Busse im Jahr und schaffen nur noch Fahrzeuge mit Euro-6-Norm an. Diese haben einen geringen Ausstoß vor allem an Stickoxiden und Feinstaub. Damit stellen wir sicher, dass 2018 nur noch Busse der Euro-5-Norm und Euro-6-Norm fahren.

Zu den Hauptverkehrszeiten sind U-Bahnen und Metrobuslinien häufig überfüllt. Sieht die Hochbahn diese Problematik, und was wird dagegen getan?

In den Hauptverkehrszeiten, gerade im Herbst, sind viele Züge und Busse sehr ausgelastet. Wir steuern dort mit einer Vielzahl von Maßnahmen. So setzen wir im U-Bahn-Bereich zusätzliche Züge ein. Durch die Busbeschleunigung schaffen wir zusätzliche Kapazitäten. Gleichzeitig stellen wir zusätzliche Ticketautomaten auf, um den zeitaufwendigen Fahrkartenverkauf zu verkürzen. Ich bitte aber auch um Verständnis darum, dass die Fahrgäste zur Hauptverkehrszeit nicht erwarten können, dass jeder einen Sitzplatz bekommt.

Es soll Busse geben, die so voll sind, dass sie an den Haltestellen einfach vorbeifahren.

Gefühlt ist das sicher schon jedem mal passiert und im Einzelfall sehr ärgerlich. Allerdings ist es die Ausnahme. Gerade durch die Busbeschleunigung reduzieren wir die Anzahl der voll besetzten Busse, die keine Fahrgäste mehr aufnehmen können. So kommt mittlerweile auf den am stärksten genutzten Streckenabschnitt der Metrobus-Linie 5 alle zwei Minuten ein Bus. Aber auf lange Sicht wird auch das nicht ausreichen, um die steigenden Fahrgastzahlen auf dieser Linie aufzufangen. Deshalb brauchen wir die neue Linie U 5, um diesem Bedarf gerecht zu werden.

Wie weit fortgeschritten sind die Planungen für die U 5?

Die Vorplanungen für den Abschnitt Ost laufen bereits. Für die U 5 Mitte laufen derzeit die Machbarkeitsuntersuchungen, die im kommenden Jahr dann auch für die Strecke der U 5 im Westen starten sollen.