Hamburg. 371 Studenten-Appartements aus Modulen sollen schon im Herbst fertig sein. Mieten sollen bis zu 500 Euro betragen.
Noch erscheint die Baustelle relativ unscheinbar, doch das sechsstöckige Gebäude, das hier in Wilhelmsburg in den nächsten Monaten entsteht, könnte die Art, wie heute Wohnhäuser gebaut werden, revolutionieren: Erste Fundamente sind dort auf der Baustelle unweit vom S-Bahnhof bereits zu sehen. Und zwei Stahlcontainer auf denen ein weiterer Container abgestellt ist, wie es zunächst erscheint.
Erst auf den zweiten Blick entpuppt sich die obere Box als Holzkonstruktion. Über eine Leiter muss man derzeit noch hinaufklettern und befindet sich dann unvermittelt in einem kleinen Appartement mit wohligem Holzhaus-Charme: ein Duschbad samt Spiegel, Einbauschrank, Schreibtisch, Bett und eine kleine Pantry – alles ist dort schon fertig montiert wie bei einem großzügigen Wohnwagen, nur dass Möbel wie Wände aus hellem Vollholz sind.
Wie bei einem Lego-Bauwerk
Das knapp 20 Quadratmeter große Holzmodul ist so etwas wie eine Musterwohnung. In den nächsten vier Monaten werden hier 371 solcher vorgefertigten Appartements wie bei einem Lego-Bauwerk aufeinandergestapelt und verbunden. Nur das erste Geschoss und die späteren Fahrstuhlschächte des Studentenwohnheims werden aus Beton sein, alles andere ist Holz: Damit entsteht gerade das größte Holzhaus Hamburgs. „Woodie“ – so der Projektname. Heute ist offizielle Grundsteinlegung. „Wir zeigen hier die Zukunft des Bauens“, sagt Bauherr Achim Nagel.
Das Projekt gilt bei der Stadt als spektakuläres „Auftaktprojekt“ für die neue Siedlungsachse mitten in Wilhelmsburg, die dort in den nächsten Jahren mit der Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße entsteht. Tatsächlich ist das Holzgebäude eher so etwas wie ein Nachklapp der Internationalen Bauausstellung (IBA) in Wilhelmsburg.
Dort lernten sich die beiden Investoren Torsten Rieckmann, Geschäftsführer der Senectus GmbH, und Achim Nagel, Geschäftsführer bei der Primus Developments GmbH, kennen. Beide bauten IBA-Gebäude, die 2013 Trends modernen Bauens zeigen sollten. Auch das große Areal neben dem bunten Neubau der Stadtentwicklungsbehörde sollte zur Ausstellung mit solchen Gebäuden bebaut werden, doch die Umsetzung verzögerte sich, weil sich nicht rechtzeitig zur IBA Investoren fanden.
Rund 37 Millionen Euro investieren nun Nagel und Rieckmann, die das Haus im eigenen Bestand halten wollen. „Man könnte billiger bauen, aber wir haben hier eine langfristige Perspektive“, sagt der gelernte Architekt Nagel, der auch schon in der HafenCity viel gebaut hat. Der Entwurf für das hölzerne Studentenwohnheim stammt vom Berliner Architekturbüro Sauerbruch Hutton, das auch das benachbarte Behördengebäude entworfen hat.
Im Erdgeschoss sieht der Plan Gewerbeflächen vor sowie überdachte Fahrradstellplätze. Die spätere Miete soll im „mittleren Bereich“ liegen, der in Hamburg zwischen etwa 300 und 500 Euro betragen kann.
In Österreich fanden die beiden einen Produzenten, der solche Holz-module fertigen kann. Sie werden per Lkw nach Hamburg transportiert und dann vor Ort montiert, die Anschlüsse für Sanitär- und Elektroleitungen in außen liegenden Schächten einfach zusammengestöpselt. Gut 80 Prozent des Neubaus sind damit vorgefertigt, weil auch die Fenster – natürlich aus Holz – ebenfalls schon eingebaut sind.
Nur eine Holzfassade wird später nachträglich auf die einzelnen Elemente geschraubt. In München hatten die Österreicher beispielsweise ein Hotel mit solchen Holzmodulen gebaut. Die beiden Hamburger fuhren hin und blieben über Nacht. „Man schläft dort wie in einem Wald“, sagt Nagel.
Die Holzbauweise überzeugte sie und auch die Bauprüfer in Hamburg. Brandschutz, Langlebigkeit, Schallschutz – alles sei nicht schlechter als bei herkömmlichen Bauten, sagt Nagel. Und dann kämen eben etliche Vorteile hinzu, die diese Holzmodulweise aus nachwachsenden Rohstoffen so interessant für die Zukunft des Bauens mache.
Da sei zum einen die Flexibilität. Die einzelnen Module ließen sich sehr einfach zu unterschiedlichen Wohneinheiten zusammenfassen. Nagel: „Da nimmt man eine Motorsäge, schneidet ein Loch zwischen zwei Module – fertig.“
Und Holz sei die Antwort auf die steigenden Anforderungen an Klimaschutz und Wärmedämmung. Zwölf Zentimeter starke Vollholzwände der einzelnen Module sowie eine zusätzliche gedämmte Holzfassade würden da beste Werte bringen.
Besser als die heutigen Wärmeverbundsysteme aus Kunststoff, die oft zu Schimmelbildung neigten. Und da sei die Zeitersparnis. Gerade erst hat der Bau begonnen, im Herbst soll er bezugsfertig sein – rund acht Monate früher als ein herkömmlicher Bau. Nur eines ist das Bauen mit Holzmodulen noch nicht: billiger. „Aber noch ist das ja auch erst ein Prototyp, und die sind immer etwas teurer“, sagt Nagel. Die Zukunft des Bauens hat eben gerade erst begonnen.