Hamburg. Pensionäre erhalten bis zu 115 Prozent früherer Nettobezüge. Unklar ist, ob Verantwortliche für jahrelange Überzahlung haftbar sind.
Das Plenum der Handelskammer hat Änderungen bei der bisher üppigen Altersversorgung ihrer Mitarbeiter beschlossen. Bisher genießen Handelskammer-Beschäftigte, die bis 1994 eingestellt wurden, noch eine extrem hohe Altersversorgung, die zum Teil sogar deutlich über ihren letzten Nettogehältern liegt. Künftig soll die Versorgung nicht höher als 100 Prozent des letzten bezogenen Nettogehaltes ausfallen dürfen.
Dieser Eingriff in bestehenden Regelungen sei wegen einer klaren „Überversorgung“ möglich, so die Kammer. Die Altersversorgung für neu eingestellte Mitarbeiter soll künftig insgesamt geringer ausfallen – und diese sollen sich zudem an der Vorsorge selbst beteiligen. Dafür wurde Ende vergangenen Woche im Plenum eine neue Versorgungsregelung beschlossen.
"Zu spät einen Riegel vorgeschoben"
Tobias Bergmann, Sprecher der Kammerrebellen von die „Die Kammer sind WIR“ monierte am Montag, dass „dieser Überversorgung viel zu spät ein Riegel vorgeschoben wurde“. Das Rentenniveau liege in Deutschland bei unter 50 Prozent. Der „Handelskammer-Rentner“ bekomme aber sogar mehr Geld als der „Handelskammer-Aktive“, so Bergmann. „Diese Überversorgung kann keinem Zwangsbeitragszahler erklärt werden.“ Bergmann weist darauf hin, dass es schon 2007 einen ähnlich gelagerten Fall in Lüneburg gegeben habe, so dass man das Thema längst hätte angehen müssen.
Es müsse nun festgestellt werden, ob auch in Hamburg Verantwortliche für die jahrelange Überzahlung haftbar seien. „Den Schaden gilt es zu beziffern, mögliche Schadensersatzansprüche sind wie bei der IHK Lüneburg 2007 zu prüfen“, sagte Bergmann dem Abendblatt. „Seit über zehn Jahren hätte ihr die Tatsache dieser Überversorgung bekannt sein müssen. Ihre Pflicht wäre es gewesen, diese umgehend zu beenden. Darüber können wir Hamburger Unternehmer nicht generös hinwegsehen.“
Unzulässige Äußerungen
Unterdessen hat die aktuelle Kammerführung erneut eine Teil-Niederlage vor Gericht erlitten. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Kammer gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ihrer Beteiligung an der Kampagne gegen den Rückkauf der Energienetze nur in einem nachrangigen Aspekt zugelassen.
Das Oberverwaltungsgericht folgte in wesentlichen Aspekten dem Urteil des Verwaltungsgerichts. Äußerungen von Kammer-Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz und der Beitritt der Kammer zur Initiative „Nein zum Netzkauf“ seien aus mehreren Gründen „unzulässig“ gewesen, so das Oberverwaltungsgericht (OVG). Ihre Aussagen seien „polemisch“ gewesen, also „aggressiv, angriffslustig, feindselig“ so die Oberverwaltungsrichter.
Damit habe die Handelskammer gegen die ihr (auch wegen der Pflichtmitgliedschaft aller Unternehmen) obliegende Zurückhaltung verstoßen, die auch das Bundesverwaltungsgericht angemahnt habe, so das OVG Hamburg. Allein in einem Punkt lassen die Richter die Berufung zu. Dabei geht es um die Teilnahme der Kammer an einer Sonderveröffentlichung zum Thema Rückkauf der Energienetze. Darin hatte es ein Interview mit Präses Fritz Horst Melsheimer gegeben.
„Das Urteil ist kein Maulkorb“, betont der Kläger und Grünen-Politiker Dominik Lorenzen. „Die Kammer soll und darf eine starke Meinung vertreten. Es geht hier nur um das Wie.“ Die Handelskammer sei mit weitreichenden Rechten ausgestattet. „Diese Rechte verpflichten die Kammern gegenüber den (Zwangs-)Mitgliedern zu einem sachlichen Umgang mit Meinungen und Positionen“, so Lorenzen. „Das Plenum, das Präsidium und die Hauptgeschäftsführung müssen sich der klaren rechtlichen Beurteilung stellen.“
Melsheimer-Prozess kostete 101.000 Euro
Kammer-Sprecher Jörn Arfs begrüßte die Zulassung der Berufung in dem einen Punkt. „Dass weitere Aspekte des Urteils insbesondere zu Äußerungen von Hauptgeschäftsführer Schmidt-Trenz, zur damaligen Plakataktion und zur Beteiligung unserer Handelskammer an der Initiative nicht in der Berufung geprüft werden, nehmen wir mit Bedauern zur Kenntnis“, so Arfs. „Jedenfalls stellt das Oberverwaltungsgericht mit klaren Worten fest, dass es Aufgabe unserer Handelskammer ist, in der Öffentlichkeit das Gesamtinteresse der Hamburger Wirtschaft zur Geltung zu bringen. Dies werden wir auch in der Zukunft engagiert tun, selbstverständlich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung.“
Unterdessen musste die Kammerführung aufgrund des Transparenzgesetzes angeben, wieviel Geld sie zuletzt für Prozesse ausgegeben hat. So hat das Verfahren wegen der widerrechtlichen Beteiligung an der Initiative gegen den Netzrückkauf die Pflichtmitglieder bisher fast 64.000 Euro gekostet. Der verlorene Prozess wegen der allgemeinpolitischen Äußerungen von Präses Fritz Horst Melsheimer in seiner Silvesterrede 2015 beim „Ehrbaren Kaufmann“ schlug schon jetzt mit satten 101.000 Euro zu Buche.
Kammer-Sprecher weist Kritik zurück
Kammer-Sprecher Jörn Arfs weist Kritik an den hohen Prozesskosten zurück. „Diejenigen, die uns verklagen, beschweren sich gleichzeitig darüber, dass wir uns verteidigen“, so Arfs. „Obwohl uns gar nichts anderes übrig blieb. Im Übrigen ist eine Vertretung durch spezialisierte Prozessanwälte normal, und deren Honorare sind marktüblich.“
Kai Boeddinghaus vom Bund für Freie Kammer (bffk) hat eine andere Sicht auf die Kosten. „Wenn die Herren in der Kammerführung die Prozesse bezahlen müssten, hätten sie sich von vorne herein an Recht und Gesetz gehalten“, so Boeddinghaus. „Zumindest wären sie nicht in aussichtslose Gerichtsverfahren gegangen.“
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