Hamburg. Haus mit sieben Zimmern und fünf Bädern an der Milchstraße soll 4,95 Millionen Euro kosten. Die Modemacherin wohnte dort 22 Jahre lang.

Die Beschreibung ist kurz und knapp: Da ist von „Alsterklassik im Herzen von Pöseldorf“ die Rede, von „Ost- und Westflügel“ und vom „ruhig gelegenen Innenhof“. „Alte Stilelemente“ werden ebenso angepriesen wie der „Kamin“ und „mehrere Bäder“. Garniert mit Fotos von feinsten Fuß­böden und gülden glänzenden Türbeschlägen, wirkt die zum Verkauf stehende Villa an der feinen Milchstraße schon allein dadurch wie ein exklusives Liebhaberobjekt, bevor am Ende, fast beiläufig, aber sicher nicht zufällig, erwähnt wird: „Das Haus wurde lange Zeit von der Modemacherin Jil Sander bewohnt.“

Sogar mehr als 20 Jahre lang soll Hamburgs bekannteste Modeschöpferin die Vorzüge dieses kleinen Palastes in Alsternähe genossen haben. Laut „Hamburger Morgenpost“, die über den Verkauf des Hauses berichtete, wohnte Sander von 1978 bis zum Jahr 2000 auf dem knapp 400 Quadratmeter großen Grundstück. Nun soll ihr ehemaliges Refugium im Stadtteil Rotherbaum zum wiederholten Mal verkauft werden – dieses Mal für stolze 4,95 Millionen Euro. Bereits im Jahr 2000 wurde das zweistöckige Haus mit 325 Quadratmetern Wohnfläche für 3,5 Millionen D-Mark angeboten, da war die Mode-Ikone gerade ein paar Häuser weiter gezogen, in ein Palais mit 1400 Quadratmetern Fläche an der Ecke Harvestehuder Weg/Milchstraße.

Größtes Zimmer misst 37 Quadratmeter

Doch auch das frühere Domizil von Jil Sander bietet genügend Platz. Das im Jahr 1864 erbaute Haus hat fünf Bäder und sieben Zimmer, von denen das größte 73 Quadratmeter misst. Alle lassen sich bequem von der spiralförmigen Treppe erreichen. Eine Dachterrasse und eine üppige Nutzfläche im Keller runden laut Anzeige beim Internet­portal Immonet das Angebot ab – dazu kommt ein 32 Quadratmeter großer, mit Rhododendren gesäumter Innenhof.

Die 73-Jährige, die am 27. November 1943 als Heidemarie Jiline Sander in Wesselburen geboren wurde, lebt heute überwiegend zurückgezogen auf ihrem Gut Ruhleben bei Plön in Schleswig-Holstein. Hin und wieder ist sie aber noch an der Alster zu sehen, dort, wo für sie alles begann. Von Hamburg aus eroberte sie ebenso wie Wolfgang Joop und Karl Lagerfeld seit Ende der 60er-Jahre die internationale Modewelt, galt lange Zeit als beste Modedesignerin Deutschlands.

Fotografen sind Jil Sander ein Gräuel

Mit geliehenen 200.000 D-Mark und dem Erlös eines Autoverkaufs eröffnete die Modejournalistin im Alter von 25 Jahren an der Ecke Milchstraße/Magdalenenstraße ihre erste Boutique, in der sie auch eigene Entwürfe verkaufte. Die Blondine avancierte mit puren, edlen und ästhetischen Entwürfen wenig später zur „Queen of Less“. Viele Kundinnen schätzten vor allem ihren klaren und schnörkellosen Stil.

1978 gründete sie ihr eigenes Unternehmen und erzielte damit Welterfolge. Insgesamt baute sie mehr als 80 Läden auf und ging an die Börse. Neben Bekleidung kamen später auch Accessoires unter dem Logo Jil Sander ins Programm, darunter Kosmetik, Parfüm, Brillen, Schuhe oder Lederwaren. 1999 verkaufte sie ihre Firma dann an den italienischen Konkurrenten Prada. Für die Designschmiede made in Hamburg sollen damals insgesamt rund 300 Millionen D-Mark (etwa 150 Millionen Euro) geflossen sein.

Im Jahr 2004 zog sich Jil Sander vollständig aus ihrem Unternehmen zurück, ihr Label wechselte noch mehrmals den Besitzer. Seitdem ist es ruhig geworden um die prominente Modemacherin, abgesehen von ein paar kreativen Gastspielen. Mit 73 Jahren meidet sie heute die Öffentlichkeit. Vor allem Fotografen sind ihr ein Gräuel. In jungen Jahren hatte sie auch immer mit ihrem Gesicht für die Marke gestanden.

Rückzug nach dem Tod ihrer Lebensgefährtin

In Hamburg wurde Jil Sander auch nach ihrem Rückzug hin und wieder bei einer Fahrt mit dem Bentley oder dem 911er durch die Innenstadt oder bei einem Spaziergang um die Alster gesehen. Die Kappe dabei fast immer tief ins Gesicht gezogen. In Hamburg, wo sie trotzdem immer noch gern lebe, wie sie dem Abendblatt vor einigen Jahren sagte, wolle sie am liebsten nicht erkannt oder angesprochen werden. Zeit ihres Lebens gilt sie als zurückhaltende Persönlichkeit. Und als ihre Lebensgefährtin Angelica „Dickie“ Mommsen an Krebs erkrankte und 2014 starb, mied sie noch stärker die Öffentlichkeit.

Das an Auszeichnungen reiche Leben führte Jil Sander unter anderem zur Ehrenmitgliedschaft im Deutschen Designer Club, 1996 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz verliehen. Weniger erfreut war sie sicher über den Titel „Sprachpanscher des Jahres 1997“ wegen eines Denglisch-Interviews in der „FAZ“. Die Modemacherin soll neben dem Palais an der Alster und ihrem Gut bei Plön noch ein Chalet in Gstaad und einen Zweitwohnsitz auf Ibiza besitzen.