Hamburg. Teil 6: Amalie Sieveking – Wegbereiterin moderner Sozialarbeit, die sich mit den Schwächsten und Bedürftigsten solidarisierte.
Sie solidarisiert sich mit den Ärmsten der Armen, den sozial Ausgegrenzten, den Schwächsten und Bedürftigsten in der Gesellschaft. Sie hilft ihnen mit Wort und Tat, beschäftigt sich mit körperlichen und geistigen Leiden dieser Menschen. Am 23. Mai 1832 gründet sie zusammen mit 13 Frauen den „Weiblichen Verein für Armen- und Krankenpflege“ auf genossenschaftlicher Basis. Johannes Heinrich Wichern (1808–1881), Gründer und Leiter der Erziehungsanstalt „Rauhes Haus“, bezeichnet seine Cousine in den „Fliegenden Blättern aus dem Rauhen Haus“ sogar als „apostolische Frau“. Die Rede ist von Amalie Wilhelmine Sieveking.
Die am 15. Juli 1794 geborene Hamburgerin wird 1809 zur Vollwaise und wächst bei Verwandten auf – durch eine kleine Rente vom hamburgischen Senat gestützt. Währenddessen wüten die Napoleonischen Kriege über dem europäischen Kontinent, die Freie und Hansestadt Hamburg ist von 1806 bis 1814 von Franzosen besetzt. Im Haus ihres Onkels Georg Heinrich in Neumühlen lernt Sieveking bekannte hanseatische Aufklärer kennen, die sie religiös prägen. Nach ihrer Konfirmation und dem Tod ihres Bruders Gustav Adolf wendet sie sich der „Erweckung“ zu. Diese christliche Strömung legt großen Wert auf die Bekehrung des Einzelnen und eine praktische christliche Lebensweise. Diese Zuwendung ist auch dadurch bedingt, dass Sieveking bedeutende Anhänger dieser Strömung, unter anderem Johann Wilhelm Rautenberg, ihren Cousin Johann Hinrich Wichern und Matthias Claudius, auf dem Landsitz ihres Vetters Karl in Hamm trifft.
1831 fängt sich an, Cholerakranke zu pflegen
Im Alter von 19 Jahren fängt sie an zu unterrichten. Bereits nach wenigen Jahren gründet sie eine Erziehungsschule mit mehreren Hilfskräften und gibt zusätzlich jeden Sonntag Unterricht in einer Armenschule. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sie 1816 eine Freischule für arme Mädchen gründet, die bis 1858 besteht. Durch ihren wohltätigen Geist beseelt, meldet sie sich 1831 freiwillig, um Cholerakranke zu pflegen, es wütet gerade eine Epidemie in Hamburg. Sie bemerkt, dass besonders die Ärmsten von dieser Krankheit betroffen sind. Dies veranlasst sie zur Gründung des „Weiblichen Vereins für Armen- und Krankenpflege“. Durch zahlreiche Spenden können seit 1840 Altenwohnungen und ein Kinderhospital gebaut werden. Die Vereinsmitglieder leisten Pflegedienste in den sozialen Brennpunkten, sie vermitteln Arbeit, Bildung und Hilfe zur Selbsthilfe.
Der Verein besteht heute noch, seit 1978 als „Amalie-Sieveking-Stiftung“, und setzt ihr Werk fort. Sieveking gilt als Wegbereiterin für weibliche Diakonie und moderne Sozialarbeit und förderte damit die Übernahme kirchlicher Verantwortung durch Frauen.