Hamburg. Vor 125 Jahren setzten Altona und Hamburg die ersten elektrisch betriebenen Hafenkräne ein. Eine Technologie, die Maßstäbe setzte.

Es war ein Wettrennen des technologischen Fortschritts, und der Sieger hieß Altona. Als nämlich am 7. Dezember 1891 am Petersenkai im Hamburger Hafen der erste elektrische Hafenkran in Betrieb genommen wurde, arbeitete man bei der Altonaer Firma Possehls Kohlenhof bereits seit einem Jahr mit solchem Gerät. Es war der erste elektrische Kaikran der Welt – nicht der in Hamburg, wie viele Quellen behaupten.

Der aus Oberbayern stammende Maschinenbauer und Techniker Otto Kammerer hatte ihn konstruiert. Kammerer arbeitete bei der Eisenwerke AG auf der Uhlenhorst. Er leitete später das Konstruktionsbüro von Nagel & Kaemp und errichtete 1894 auch in Rotterdam die erste vollständige elektrische Kaikran­anlag­e. Gebaut hatten sie Nagel & Kaemp und der Berliner Elektromotorenhersteller Siemens & Halske.

Das Arbeitsmittel bewährte sich im täglichen Einsatz, was für dessen Hersteller eine Reihe von Nachfolgeaufträgen nach sich zog. Dazu muss man wissen, dass bis zu diesem Zeitpunkt Kaikräne im Hafen mit Dampf betrieben wurden. 1866 gab es im Hamburger Hafen 186 Dampfmaschinenkräne. Die konnten in der Regel Lasten zwischen 1,5 und 2,5 Tonnen heben.

Allerdings waren Dampfmaschinenkräne „recht umständlich und aufwendig, weil besonders geschulte Maschinisten vorgehalten werden mussten, die mit der Dampfmaschinenbedienung vertraut waren“, heißt es in dem 2014 erschienenen Buch „Kräne im Hamburger Hafen: Stählerne Giganten“ von Harry Braun.

Auf einmal konnte rund um die Uhr gearbeitet werden

Elektrokräne hingegen erwiesen sich im Betrieb als effizienter und kostengünstiger. Sie konnten von nur einem Kranführer bedient werden und waren rascher als ihre Vorgänger einsatzbereit. Es mussten keine Dampfkessel vorgeheizt werden, und Nachschub an Brennmaterial war nicht mehr notwendig.

Elektrokräne waren zudem wetterunabhängiger und weit weniger kompliziert gebaut, was ihre Fehleranfälligkeit und damit die Stillstandzeiten erheblich reduzierte. „Der elektrische Kaikran hatte zwei Motoren, einen zum Heben/Senken und einen zum Drehen“, heißt es bei www.geschichtsspuren.de. „Später kamen Motoren zum Vortrieb und vor allem Bremsmotoren hinzu.“

Ferner ermöglichte es die Elektrifizierung der Kaianlagen und die damit verbundene ausreichende Ausleuchtung, rund um die Uhr zu arbeiten. Schon 1879 hatten Hamburger Reeder auf den Dampfschiffen „Theben“ und „Kosmos“ elektrische Beleuchtungen installiert und eine erste Kaianlage mit elektrischen Bogenlampen ausgestattet. Frachter konnten dadurch bei Tag und Nacht be- und entladen werden.

Die Umstellung von Dampf- auf Elek­trokräne war durch das Aufkommen der Elek­trizität möglich geworden. Zwar wurde die Hamburgischen Electricitäts-Werke AG (HEW) erst im März 1894 gegründet. Allerdings existierte bereits seit Dezember 1888 die Elektrische Centralstation in der alten Stadtwassermühle an der Poststraße.

Das war seinerzeit das erste städtische Kraftwerk in Hamburg. Es lieferte von 13 bis 23 Uhr Strom. Weihnachten wurde die Produktion unterbrochen. Auch beim Bau der Speicherstadt spielte die Elektrizität eine Rolle. 1888 wurde dort das erste Hafenkraftwerk errichtet.

„Im Juli 1890 hatte sich Strom- und Hafenbau an AEG und die Nagel & Kaemp­ AG gewandt, mit der Bitte, einen Entwurf und Kostenvoranschlag für einen elektrisch betriebenen Halbportalkran einzureichen“, schreibt Braun. Derartige Kräne hatten den Vorteil, dass sie den Verkehrsraum auf der Kaifläche nicht zu sehr einengten. Sie bewegten sich zwar auf Schienen, aber eine Schiene lag direkt an der Kaikante, während die andere an die Außenwand des Lagerschuppens verlegt wurde. Fuhrwerke oder Eisenbahnwaggons konnte so ungehindert unter dem Kran hindurchfahren. Die ersten Halbportalkräne wurden am Versmannkai in Betrieb genommen.

Eine Choleraepidemie brachte den Hafenausbau zum Erliegen

In seinem Buch „Der Hamburger anno 1927 beschreibt Henry Salzmann die Szenerie anschaulich: „Vor den Schuppen an der Wasserseite stehen die Kräne. ... Bei diesen steht der eigentliche Kran auf einem hohen, eisernen Gerüst, das einem großen rechten Winkel ähnlich sieht, der mit seinem einen Ende auf einer Schiene an der Kaikante und mit seinem andern auf einer zweiten Schiene ruht, die an der Außenwand des Schuppens in halber Höhe über den Schiebe­toren angebracht ist. Durch diese Anordnung nimmt der Kran kaum Platz weg von der Straße am Kai, und selbst hochbeladene Fuhrwerke und Eisenbahnwagen können unter ihm hindurchfahren.“

Die Hamburger Hafenbehörde bestellte 1890 gleich 33 Kräne für den Kirchenpauerkai. Die Tragfähigkeit betrug jeweils 2,5 Tonnen. Die ersten beiden von Strom- und Hafenbau bestellten Kräne nahmen im Dezember 1891 am Petersenkai – Schuppen 26 bis 29 am Baakenhafen – ihre Arbeit auf.

Doch jäh kam der Ausbau zum Erliegen. Bei der Choleraepidemie 1892 erkrankten 16.956 Menschen, 8605 starben. Kurz nach Ausbruch der Seuche wurde der Hafen abgeriegelt. Jeglicher Wirtschaftsverkehr kam zum Erliegen. Die Werft Blohm & Voss stellte vorübergehend ihren Reparaturbetrieb ein.

Hamburgs Wirtschaft erholte sich nur langsam. „Erst 1897 konnte für den weiteren Hafenausbau eine Serie von 58 elektrischen Kaikränen bestellt werden“, schreibt Braun. Zudem wurden viele existierende Dampfkräne auf den Elek­trobetrieb umgestellt. Braun zufolge wurden bis zum Jahr 1913 insgesamt 162 Kaikräne umgerüstet. Nach Ende des Ersten Weltkrieges kamen 68 hinzu. 1910 sollen im Hamburger Hafen rund 350 elek­trische Kaikrane in Betrieb gewesen sein.

Die Umstellung auf elektrische Kräne erforderte den Bau leistungsfähiger Anlagen für die Stromerzeugung. Die HEW übernahmen die Versorgung des nördlichen Freihafens mit 120 Kränen, so Braun. „Für die Versorgung des südlichen Freihafens entstand am O’Swaldkai ein eigenes Kaikraftwerk.“

1968 machte das erste Vollcontainerschiff, die „American Lancer“, im Hamburger Hafen fest. Damit brach ein neues Zeitalter an. Die genormten Container, die samt Inhalt auf Lkw oder Eisenbahnwaggons verladen werden konnten, veränderten alles. Die in die Jahre gekommenen Hafenanlagen konnten das sprunghaft gestiegene Güteraufkommen nicht mehr bewältigen. Riesige Terminals mit gigantischen Containerbrücken wurden errichtet. Inzwischen betreibt allein die HHLA rund elektrische 160 Portalkräne.

Aber der allererste elektrische Kran der Welt ist erhalten geblieben. Besucher des Deutschen Museums in München können ihn dort besichtigen.