Hamburg. Zweiter Teil der Abendblatt-Serie: Wie eine arme Frau in höchste Kreise am dänischen Hof aufstieg.
Gibt es den Prinzen, der auf dem weißen Ross herbeigeritten kommt, um das arme Mädchen aus seinem elenden Leben zu befreien, nur im Märchen? Nein. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts trug es sich fast genauso zu, und zwar in Holstein.
Über die Jugend und Herkunft der Bauerntochter Wiebeke Kruse aus Schenefeld ist nur wenig bekannt. König Christian IV., dessen Geliebte sie für 19 Jahre bis zu seinem Tode werden sollte, traf Wiebeke zufällig. ,,Der Überlieferung nach hatte der König Wiebeke Kruse entdeckt, als er sich mit seiner Kavalkade bei der Annäherung nach Bramstedt anschickte, die Au zu durchreiten und hier eine Gruppe von jungen Frauen und Mädchen antraf, die ihre Wäsche im Wasser der Au wuschen. Eine von ihnen war Wiebeke Kruse, auf die das Auge des Königs fiel“, heißt es in dem Führer „Schlösser und Herrenhäuser im Kreis Segeberg“ von Henning von Rumohr.
Eine andere Überlieferung besagt, dass sie als Waschfrau im Jahr 1625 zu Kirsten Munk kam. Diese war eine Ehefrau „linker Hand“ von Christian IV. Eine Trauung zur linken Hand vollzog der europäische Adel oft mit der Absicht des Mannes, eine Liebesbeziehung zu einer Mätresse als öffentlich anerkanntes Verhältnis zu legitimieren. Dabei standen der Frau nicht die vollen Eherechte zu.
Als Kirsten schwanger wurde, aber Christian nicht der Vater sein konnte, verbannte er sie. Böse Zungen munkelten, dass Ellen Marsvin, Kirsten Munks Mutter, Wiebeke dem König ins Bett geschoben habe, um den König über die Affäre ihrer Tochter hinwegzutrösten. Wenn dies der Plan war, funktionierte er gut, denn von da an war Christian nur noch mit Wiebeke verbandelt. Und er schenkte ihr mehr als sein Herz.
Sie starb nur zwei Monate nach dem Geliebten
„Wir Christian der Vierdte … thun kund hiermit, dass Wir der ehrsamen unser lieben besondern wiebken Kruse aus besonderer Königl. Gnade Unser zu Bramstedt Erblich erkauftes Guht sambt allen Pertinentien und Zubehörung, selbiges für sich und ihre Erben künftiger Zeit zu Nutzen, zu gebrauchen und zu besitzen …“. So lautet der Beginn der Schenkungsurkunde vom 16. November 1633 des Königs von Dänemark und Norwegen, Christian IV., an Wiebeke Kruse.
Doch diese Schenkung stellt nur einen kleinen Teil des sagenhaften Aufstiegs der Wiebeke Kruse von der Waschfrau zur königlichen Mätresse dar. Christian übertrug seiner Wiebeke neben dem Gut, das er nach einem Brand großzügig herrichtete, auch noch die alte Bramstedter Mühle am Schlüskamp, das Gut Gayen bei Fuhlendorf und das Roddenmoor zur Leibgedinge. Später noch, im Jahr 1638, überließ er ihr den Königshof in Glückstadt, wo es noch den Wiebke-Kruse-Turm gibt.
Auf dem Armenfriedhof bestattet
Ihrem Christian gebar sie zwei Kinder, Ulrich Christian Gyldenløve und Elisabeth Sofie Christiansdatter. Wiebeke begleitete den König häufig auf seinen Reisen, hielt sich jedoch auch viel mit ihm zusammen auf den königlichen Schlössern in Kopenhagen und Frederiksborg auf. Brisant wurde es allerdings, als Christian IV. nach längerer Krankheit am 28. Februar 1648 verstarb. Die Kinder der Kirsten Munk, allen voran Corfitz Ulfeldt und Christian von Pentz, jagten Wiebeke Kruse vom Hof in Kopenhagen und nahmen ihr alle Habseligkeiten.
Sie verbrachte die nächsten Wochen in einer kleinen Kopenhagener Wohnung. Ihr Sohn Ulrich Christian befand sich zu dem Zeitpunkt auf einem Feldzug, ihre Tochter war zu jener Zeit erst 14. Wiebeke überlebte ihren Christian um nur zwei Monate. Sie verstarb am 28. April 1648 – ein gebrochenes Herz oder Gift, man weiß nicht genau, was zum Tod führte - und wurde in aller Stille auf dem Armenfriedhof bestattet. Als ihr Sohn Ulrich Christian aus Flandern zurückkehrte, ließ er seine Mutter überführen und auf seinem Besitz Ulriksholm auf Nordost-Fünen würdig bestatten.