Hamburg. Der Hamburger Geschäftsmann – bekannt aus der TV-Sendung “Die Höhle der Löwen“ – macht aus kleinen Ideen große Geschäfte.
Er tut es immer, wirklich immer. Wenn Ralf Dümmel beim Einkaufen zufällig an einem seiner Produkte vorbeigeht, bleibt er stehen und tut es. Er rückt die Waren gerade, kontrolliert die Ausrichtung der Produkte im Regal, dreht falsch herum stehende Kartons um. Wenn ein anderes Produkt vor seinen eigenen steht, dann räumt er es behutsam zur Seite. Erst wenn alles in Ordnung, alles tipptopp ist, geht er weiter. Am liebsten, sagt er, würde er das so in jedem Laden, in jeder Filiale machen, in der seine Produkte stehen. Leider sind das aber auch für jemanden wie ihn zu viele. 40.000 in ganz Europa.
Ralf Dümmel ist ein Macher. Jemand, der lieber anpackt als redet. Lieber seine Produkte zeigt, statt davon zu erzählen. Deswegen sitzt er heute auch in seinem rund 400 Quadratmeter großen Showroom, einer umgebauten Lagerhalle in Stapelfeld, und nicht in seinem Büro im Gebäude gegenüber. Er will zeigen, was sich alles hinter DS Produkte verbirgt, will klarmachen, dass wahrscheinlich fast jeder Mensch irgendeines seiner Produkte zu Hause hat. Er zeigt Bratpfannen und Beauty-Produkte von Verona Pooth, Staubsauger und Gartenzwerge mit LED, kabellose Christbaumketten und Lampen, die Tageslicht simulieren. Für das Foto setzt er sich in einen Ledersessel vor eine Wand mit Produkten. Einen Moment lang hält er einen CLEANmaxx Power-Wischmopp in der Hand. Er sieht aus wie ein König mit Zepter. Der König der 4000 Produkte. Ralf Dümmel lacht, als er das hört. Widersprechen tut er nicht.
Seine persönliche "Höhle der Löwen"
Am Ende der Besichtigungstour, vorbei an Regalen mit Kleinelektronik und Kochwaren, Reinigungs- und Bodenpflege, Wellness- und Trendartikeln, bleibt er vor einer Reihe goldener, zu einem Gang angeordneter Eisenstäbe stehen. Hier ist seine persönliche „Höhle der Löwen“. Voll mit Produkten, in die Ralf Dümmel im Rahmen der gleichnamigen TV-Sendung investiert hat.
17 sind es insgesamt, Investitionssumme: 1,8 Millionen Euro. Bis jetzt. Denn die Fernseh-Show läuft noch bis 1. November. Und Dümmel verrät schon einmal, dass er noch weitere Gründer unterstützt. Nicht nur finanziell, sondern auch fachlich. Denn das sei fast noch wichtiger. Für die Gründer, für ihn. „Ich bin keine Bank. Wem es nur ums Geld geht, der kann auch einen Kredit aufnehmen“, sagt Ralf Dümmel. Und nie, wirklich niemals, würde er einen Deal mit jemandem eingehen, der zwar ein Erfolg versprechendes Produkt hat, aber menschlich nicht zu ihm passt.
Ihm geht es nicht darum, in Unternehmen zu finanzieren, in Zahlen, sondern in Menschen und Ideen, die er mit seinem Know-how und seinen Kontakten unterstützen will. So wie Steffi Tomljanovic, die den Brotaufstrich Malzit entwickelt hat.
Allein bei Malzit hat Dümmel den Absatz verzehnfacht
Die Frau habe ihn überzeugt, sagt er. Ist ihm irgendwie ans Herz gegangen, fügt er hinzu. Aber bitte, damit keine Missverständnisse entstehen: „Die Höhle der Löwen“ ist keine Wohltätigkeitsveranstaltung. „Ich tätige keine Spenden, sondern Investitionen. Und die sollen Erfolg haben“, stellt er klar und setzt mit seinem Team persönlich dafür ein. Allein bei Malzit konnte er den Absatz verzehnfachen. Im vergangenen Jahr hat die Gründerin 20.000 Gläser verkauft – seit der Zusammenarbeit mit Dümmel sind bereits 200.000 Gläser in den Handel gekommen. 82 Filialen in Deutschland stellten die Malzit-Gelees in ihren Schaufenstern aus. In über 10.000 Filialen gibt es die alkoholfreie Malz-Marmelade inzwischen zu kaufen. Der Umsatz stieg bereits jetzt auf mehr als 650.000 Euro. Und der Investor plant schon den nächsten Schritt.
Ralf Dümmel ist 49. In ein paar Wochen wird er 50. Neulich hat eine Zeitung geschrieben, dass er 59 sei. „Also wirklich! Dann hätten die doch lieber 39 daraus machen sollen“, sagt er. Und lacht. Ihm ist es wichtig, sich nicht zu ernst zu nehmen. Das Geschäft schon, ja, aber nicht sich selbst. Weil er irgendwie doch immer noch der einfache Typ aus der Nähe von Bad Segeberg sei, der sich immer für Fußball und Freunde interessiert hat, nicht aber für die Schule. Der nach dem Hauptschulabschluss unbedingt mit der Schule aufhören und eine Lehre bei Möbel Kraft anfangen wollte.
Und der nur deswegen noch die Mittlere Reife draufgesetzt hat, weil der Kraft-Personalchef im Vorstellungsgespräch darauf bestanden hat, da das Unternehmen nur Azubis mit Realschulabschluss nahm. Also ging Ralf Dümmel noch mal zur Schule und brachte so schlechte Noten mit, dass er damit nie einen Job bekommen hätte – wenn er dem Personaler nicht ein Jahr zuvor persönlich das Versprechen abgerungen hätte, ihn einzustellen – egal, wie sein Zeugnis nach der 10. Klasse sei. Das war sein erster beruflicher Deal.
Dümmels einzige Bewerbung ging an Möbel Kraft
Wenn man ihn damals, als 17-Jährigen, gefragt hätte, wo er sich in zehn, 20 oder 40 Jahren sieht, wäre die Antwort immer dieselbe gewesen: bei Möbel Kraft. Wo schon sein Vater gearbeitet hat. Sein „Vadder“, wie er ihn nennt. Der morgens so früh aus dem Haus gegangen und so spät wiedergekommen sei, dass Ralf Dümmel als Kind dachte, ihm gehöre das Möbelhaus. Später hat er begriffen, dass sein Vater Lagerleiter war. An seiner Begeisterung, Bewunderung, hat das nichts geändert. Im Gegenteil: Als er sich in der 9. Klasse, kurz vor Ende der Schulzeit, einen Job suchen sollte, hat er nur eine einzige Bewerbung rausgeschickt. An Möbel Kraft.
Aber irgendwie sollte es dann doch keine Kraft-Story werden. Ralf Dümmel erzählt, wie er den Menschen kennengelernt hat, der sein ganzen Leben verändert hat. Dieter Schwarz. Gründer von DS Produkte. „Ohne ihn würde ich heute wahrscheinlich noch Küchen in Segeberg verkaufen“, sagt Ralf Dümmel. Nicht abwertend oder geringschätzig. Er war zufrieden damals, erfolgreich und er war sich sicher, dort bis zur Rente zu bleiben. Bis er schließlich Dieter Schwarz traf. Beim Babysitten. „Meine damalige Freundin hat auf sein Kind aufgepasst. Wenn ich meine Freundin sehen wollte, musste ich mit zum Babysitten“, sagt Ralf Dümmel.
Er überlegt einen Moment, ob die Geschichte zu persönlich ist, ob er sie wirklich erzählen kann. Dann nickt er. Schließlich hat es so angefangen. Schließlich habe er so den Gründer von DS Produkte kennengelernt. Schätzen gelernt. Er sucht nach einem Wort, um ihre Beziehung zu beschreiben. Es gibt keins. Weil Schwarz für ihn alles war, und noch viel mehr. Freund, Vertrauter, Ziehvater. Mit seiner Begeisterung für den Handel und neue Produkte hat er Ralf Dümmel damals überzeugt – und seine Eltern, die den Sohn nach der Ausbildung eigentlich lieber in dem großen Möbelhaus in Bad Segeberg gesehen hätten, als bei so einer kleinen Klitsche mit damals gerade mal elf Mitarbeitern. Die Entscheidung hat Dümmel jedoch alleine getroffen, im Wald: „Ich wusste, dass ich eher damit leben kann, etwas zu tun und damit zu scheitern. Als es nicht zu machen und mich immer zu fragen, ob ich es hätte tun sollen.“
Aus zwölf Mitarbeitern wurden 400
28 Jahre ist das jetzt her. 28 Jahre, in denen aus zwölf Mitarbeitern 400 wurden. In denen der Umsatz von damals sieben Millionen Mark auf 250 Millionen Euro angestiegen ist. In denen DS Produkte zu einem der europaweit größten Lieferanten von Non-Food-Artikeln für Lebensmitteleinzelhändler und Discounter geworden ist. 28 Jahre, in denen Dümmel vom Verkaufsassistenten zum geschäftsführenden Gesellschafter aufstieg. An seinem 30. Geburtstag hat er die ersten Unternehmensteile übertragen bekommen. Am Nordpol.
„Dieter Schwarz hatte mich zu einer Überraschungsreise eingeladen – und ich hatte lauter Badesachen eingepackt. Und dann landen wir in einem Eishotel!“, erinnert sich Dümmel. Er muss immer noch selbst lachen, wenn er diese Anekdote erzählt.
Er fragt sich immer wieder, ob er das erzählen kann. Soll. Darf. Das Interesse an seiner Person ist ihm fremd. Bis vor ein paar Monaten habe es noch nicht mal ein Foto von ihm bei Google gegeben, jetzt wollten die Leute plötzlich Selfies mit ihm machen. Über die Beziehung zu einer TV-Moderatorin sagt er nichts. Das haben andere in den vergangenen Wochen zu Genüge getan. Gerechnet hat er mit all dem nicht, als er bei „Die Höhle der Löwen“ eingestiegen ist. Schließlich sei es ihm doch nur darum gegangen, seine Firma bekannter zu machen, seine Produkte – aber doch nicht sich selbst.
Im Showroom hat er einen Spruch an die Wand malen lassen. „Höre nicht auf, wenn du Erfolg hast. Höre auf, wenn du fertig bist.“ Ralf Dümmel ist noch nicht fertig, noch lange nicht. Er will sich nicht auf Erfolg ausruhen, sondern weitermachen, immer weiter. Er ist sich sicher, hier bis zur Rente zu bleiben. „Das ist mein Baby, ein Kind, das ich aufgezogen habe. Und seine Kinder verlässt man nicht“, sagt Dümmel. Auch nicht, wenn sie mal Probleme machen, wenn sie groß werden. Er hat selbst drei Kinder.
Sein Telefon klingelt. Er wirft einen Blick auf das Display. „Jochen Schweizer“, steht dort. Die beiden haben sich bei den Dreharbeiten kennengelernt, schätzen gelernt. Letzte Woche hat ihm Jochen Schweizer einen Gutschein für einen Bungee- oder Fallschirmsprung geschenkt. Es ist schon der zweite, den er von ihm bekommen hat. „Weil er genau weiß, dass ich das nicht machen würde“, sagt Ralf Dümmel. Eine Raftingtour, die könnte er sich vorstellen. Aber einen Fallschirmsprung? Nie, wirklich niemals.
Ganz oder gar nicht
Die Zeit ist um. Ralf Dümmel steht auf, streicht die Hose glatt. Er trägt heute gelbe Socken, passend zum gelben Einstecktuch. „Unglaublich, welchen Wirbel alle um meine Socken machen“, sagt er. Neulich habe ihn sogar jemand am Flughafen darauf angesprochen. Dabei habe er damit doch nur angefangen, weil er keine Krawatten mochte. Lieber Einstecktücher tragen wollte. Die passenden Socken seien nur eine Laune, eine lustige Idee gewesen. Inzwischen sind sie sein Markenzeichen. Natürlich trete er so nicht sieben Tage die Woche auf, sondern nur bei der Arbeit. „Obwohl“, sagt er und überlegt: Eigentlich arbeitet er ja fast sieben Tage die Woche.
Ganz oder gar nicht. Anders kann er nicht. Das war schon in der Ausbildung so, als er abends nach Feierabend Zeichnungen für Einbauküchen erstellte. Und das ist heute noch so, wenn er am Wochenende ins Büro fährt. Oder wenn er beim Einkaufen seine Produkte im Supermarktregal umsortiert. „So bin ich eben“, sagt er. Daran hätten auch die Millionen-Beträge nichts geändert, mit denen er heute hantiert.
Neulich hat jemand über ihn geschrieben, dass er seine Investitionen aus der Portokasse tätige. Darüber war er richtig sauer. Weil sich das so anhöre, als ob er die Ehrfurcht vor Geld verloren hätte. „Ich bin kein Elite-Uni-Absolvent aus reichem Elternhaus, sondern der Sohn eines Lagerarbeiters, ein ehemaliger Hauptschüler, der sich hochgearbeitet hat. Ich werde nie vergessen, wo ich herkomme. Und ich werde nie den Respekt vor Geld verlieren.“
Morgen fliegt er nach Asien. Fabriken besichtigen, Verhandlungen führen. Denn in Asien gibt es die DS Produkte bisher nicht im Handel. Bisher. Das will er ändern. Damit er dann auch in Geschäften in Tokio oder Shanghai an den Regalen Hand anlegen kann. Immer.