Hamburg. Die Firma OptiPlan hat Estricharbeiten ausgeführt und klagt. Hochtief verweigert demnach die Zahlung von rund 750.000 Euro.

Als Ende Oktober das Wort „Fertig“ an der Elbphilharmonie über Hamburg leuchtete, schwappte eine Welle der Begeisterung von der Elbe aus über das Land. Doch hinter der funkelnden Fassade gibt es noch Pro­bleme, und für Jens Bögershausen, Handwerksmeister aus Goldenstedt (Landkreis Vechta), sind die nach eigener Aussage existenzbedrohend.

Auch der Geschäftsführer der Firma OptiPlan konnte sich dem Reiz des spektakulären Bauwerks lange nicht entziehen. Als er vor drei Jahren sah, dass Estricharbeiten in dem Konzerthaus zu vergeben sind, griff er zu. „Einen Auftrag in der Elbphilharmonie zu bekommen ist natürlich spannend und gut fürs Prestige der Firma“, sagt der 42-Jährige. Drei Jahre später hat sich seine Stimmung komplett gedreht.

Optiplan hat für seine Arbeit 1,33 Millionen Euro in Rechnung gestellt

Seit Monaten streitet Bögershausen sich mit dem Baukonzern Hochtief, den die Stadt als Generalunternehmer beauftragt hat, um die Bezahlung. Laut den Unterlagen, die dem Abendblatt und dem „Hamburg Journal“ des NDR vorliegen, hat OptiPlan für seine Arbeit 1,33 Millionen Euro in Rechnung gestellt. 588.000 Euro hat Hochtief bislang bezahlt, die restlichen rund 750.000 Euro will der Baukonzern aber nicht begleichen. Mehr noch: Hochtief fordert 332.00 Euro zurück. Und das bedeutet für das kleine Unternehmen mit acht Mitarbeitern: Es geht um die Existenz. „Zweimal stand schon ein Gerichtsvollzieher vor meiner Haustür, weil meine Firma Rechnungen in Zusammenhang mit der Elbphilharmonie nicht bezahlen konnte“, so der zwei­fache Familienvater Bögershausen. „Das ist keine schöne Situation, vor allem für die Familie.“

Dabei hatte alles ganz harmlos angefangen. Laut Auftrag vom 25. Februar 2014 sollte OptiPlan im Speicher, in den Treppenhäusern und in den Fluren des Wohnbereichs Estricharbeiten verrichten, darunter allein 4000 Quadratmeter „Sicht-Estrich“, also eine sichtbare, spiegelglatte Betonoberfläche. Von Mai 2014 bis April 2015 sollten die Arbeiten dauern und mit 228.529,71 Euro vergütet werden. Ausdrücklich wurde im Vertrag festgehalten, dass für OptiPlan „Aufzüge durchgehend vorgehalten“ werden – unabdingbar in dem komplexen und 110 Meter hohen Gebäude.

Zwei Knackpunkte können bis heute nicht geklärt werden

Mehrfach wurde der Auftrag in Folge noch erweitert, bis er einen Umfang von 588.000 Euro erreichte – diese Summe hat Hochtief auch beglichen. Doch zwei Knackpunkte können bis heute nicht geklärt werden: Die Arbeiten endeten nicht, wie vereinbart, im April 2015, sondern erst im Juli 2016. Bögershausen musste seine vier bis fünf Mitarbeiter samt Fahrzeug und Maschinen nicht ein knappes Jahr, sondern mehr als zwei Jahre vor Ort lassen. Allein diese Bauzeitverlängerung hat er mit 151.000 Euro in Rechnung gestellt.

Hinzu kommt, dass die schriftlich zugesagten Fahrstühle oft gar nicht zur Verfügung standen. „Jeder meiner Mitarbeiter hat im Schnitt 1,92 Stunden pro Tag vor einem Fahrstuhl gewartet“, sagt Bögershausen, der irgendwann anfing, darüber Buch zu führen. Am Ende kam er auf 419 Tage, die seine Leute insgesamt vor dem Aufzug verbracht haben, und stellte das mit 161.000 Euro in Rechnung. „Aber meine Nachtragsforderung wird von Hochtief ausgesessen.“

Dass seine Forderungen dem Grunde nach berechtigt sind, darauf deutet eine E-Mail vom März 2016 hin. Darin fordert die frühere Hochtief-Bauleiterin ihre Nachfolger auf, das Geld für OptiPlan müsse „zeitnah zur Auszahlung kommen“. Sie empfinde es als „äußert alarmierend“, wenn ein Nachunternehmer „kurz vor dem EX steht“. Bewirkt hat die Mail jedoch nichts.

Kurz vor den Sommerferien schloss OptiPlan die Estricharbeiten ab, und am 28. Juli gab Hochtief zu Protokoll: „Die Leistung des Auftragnehmers wird abgenommen.“ Am 17. August stellte Bögershausen daraufhin seine Schlussrechnung, nun eskalierte der Streit. Am 13. Oktober antwortete Hochtief: Man habe eine „Überzahlung“ festgestellt, etliche Forderungen von OptiPlan seien unberechtigt, und außerdem müssten noch 212.000 Euro wegen Mängeln abgezogen werden. Unterm Strich soll Bögershausen nun 332.000 Euro erstatten.

Merkwürdig daran: Zwei Auszüge aus dem Programm „Contrace“, das für jeden Nachunternehmer Mängel auflistet, weisen für OptiPlan keinen Eintrag aus. „Die angeblichen Mängel gibt es offiziell also gar nicht“, sagt Bögershausen und vermutet, dass andere Handwerker einen schweren Hubwagen über seinen neuen Estrich gezogen haben.

Hochtief soll einen Nachschlag von 100.000 Euro angeboten haben

War die Hochtief-Forderung nur eine Drohkulisse? Jedenfalls soll der Konzern in persönlichen Gesprächen davon abgerückt sein und stattdessen einen Nachschlag von 100.000 Euro angeboten haben. Bögershausen erinnert sich an ein Treffen mit dem Projektleiter Ende Oktober: „Er wollte mit mir gar nicht über die pauschal gestrichenen Positionen sprechen und sagte nur: ,Sagen Sie mir, wie viel Sie wirklich brauchen.‘ Offensichtlich ist Hochtief klar, dass sie mir noch Geld schulden.“

Auch der OptiPlan-Chef, der kein Interesse an einem Rechtsstreit mit dem Weltkonzern hat, bewegte sich und reduzierte seine Forderung auf 352.000 Euro: „Das sind die bei mir aufgelaufenen Kosten und ist das Mindeste, was ich zum Überleben meines Betriebs brauche“, sagt Bögershausen. Doch eine weitere Annäherung kam nicht zustande, im Gegenteil. Die Fronten sind verhärtet. Bögershausen informierte auch die ReGe, die im Auftrag der Stadt das Projekt Elbphilharmonie überwacht, über seine drohende Insolvenz und bat um Vermittlung – vergeblich. Die ReGe erklärte sich für „nicht zuständig“.

Hochtief selbst äußerte sich nicht im Detail zu dem Fall und verwies auf eine Vertraulichkeitsvereinbarung mit den Subunternehmen. „Die erfolgreiche Fertigstellung der Elbphilharmonie ist auch der großartigen Arbeit unserer Partnerunternehmen zu verdanken“, teilte Konzernsprecher Bernd Pütter auf Anfrage mit. „Für uns ist wichtig, mit diesen Firmen in einer echten Partnerschaft zu arbeiten. Dazu gehört, dass man Meinungsunterschiede konstruktiv bespricht und löst.“