Bürgerschaft fordert rasche Aufklärung über Transplantationen. Die Uniklinik betont, niemand habe Schaden genommen.

Die Vorwürfe gegen das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) wegen mutmaßlicher Verfehlungen bei Transplantations-Patienten haben in Hamburg, aber auch bundesweit für ein gewaltiges Echo gesorgt. Die verantwortliche Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) zeigte sich „erschüttert“ mit Blick auf den Kontrollreport von Bundesärztekammer, Krankenkassen und Krankenhausgesellschaft (das Abendblatt berichtete). Der Medizinische Vorstand der DSO, Dr. Axel Rahmel, sagte dem Abendblatt, erst seit den Skandalen von 2012 in Göttingen und anderswo sei das System der Organspende und Transplantation sicherer geworden.

Die Hamburger Fälle stammen aus der Zeit von 2010 bis 2012. Rahmel sagte, die Prüfung zeige, dass die Maßnahmen gegen Mauscheleien griffen. „Unsere Hoffnung ist, dass diese Tatsache das Vertrauen in das System der Organspende und Transplantation sogar stärken kann.“

Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), die seit Jahren harte Strafen für Verfehlungen im Gesundheitswesen fordert, hatte die UKE-Verantwortlichen bereits einbestellt und lässt nun ihre schriftlichen Stellungnahmen auswerten. Der Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft wird sich am 24. November mit dem UKE befassen. Prüfer-Storcks ließ mitteilen: „Über etwaige aufsichts- und/oder berufsrechtliche Maßnahmen kann erst nach Abschluss der Prüfung und der staatsanwaltlichen Ermittlungen entschieden werden.“

Im UKE sollen Patientendaten manipuliert worden sein, um Schwerkranke auf einer Rangliste für eine Lungentransplantation weiter nach oben zu bringen. Die Situation von 14 Kranken soll dramatisiert worden sein.

Ermittlung wegen Aktenunterdrückung

Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt außerdem wegen Aktenunterdrückung, weil das UKE und die LungenClinic Großhansdorf einen Teil der Krankenakten nicht hätten vorlegen können. Oberstaatsanwältin Nana Frombach sagte dem Abendblatt: „Wir haben weitere Informationen angefordert, um die vorliegenden Dokumente unter strafrechtlichen Gesichtspunkten bewerten zu können.“

Die Klinik weist die Vorwürfe von sich und will weitere Belege beschaffen. In einer Stellungnahme des UKE heißt es, man habe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Rangliste von Patienten auf der Transplantationsliste verändert worden sei. Das UKE macht unterschiedliche Dokumentationssysteme in den beiden Krankenhäusern dafür verantwortlich, dass der Kommission Akten fehlen – im UKE elektronische Patientenakten, in Großhansdorf Papier.

Thema ist für Hamburg brisant

„Das UKE kann zudem alle Transplantationsfälle von UKE-Patienten mit der elektronischen Patientenakte dokumentieren, was die Prüfungskommission beim ersten Besuch auch bestätigte.“ Das Krankenhaus legt Wert darauf, dass kein Patient Schaden genommen habe und es keine unrechtmäßige Transplantation gegeben habe. Auch seien die Dokumentationsmängel inzwischen behoben.

Das Thema ist für Hamburg brisant. Nach den Transplantationsskandalen im Jahr 2012 in Göttingen, Regensburg, München und anderen Orten hatten sich gerade UKE-Ärzte für verschärfte Regelungen und mehr Transparenz ausgesprochen. Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks (SPD) hatte darauf gedrängt, Ärzte bei Fehlverhalten noch drastischer zu bestrafen. Sie forderte außerdem, dass die Bonuszahlungen für Ärzte nicht mehr an die Zahl der Operationen geknüpft werden dürfen.

„Manipulationen an der Tagesordnung"

Inzwischen dürfen nur ausgewiesene Zentren die aufwendigen Transplantationen machen. Es gibt bei der Beurteilung der Patienten ein Mehraugenprinzip. Verstöße können mit Gefängnisstrafen, aber auch mit der Schließung eines Transplantationszen­trums und dem Entzug der ärztlichen Approbation bestraft werden.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte dem Abendblatt: „Manipulationen bei allen Organverteilungen waren über Jahrzehnte an der Tagesordnung. Von Nord nach Süd sind die meisten Verantwortlichen noch immer in Amt und Würden.“ Für Patienten seien die Vergabekriterien undurchsichtig, die Konkurrenz der Transplantationszentren habe sich verschärft. Brysch kritisierte: „Weniger Organspender bedeuten auch weniger Implantationen. Doch weder Bundesminister Hermann Gröhe noch die zuständigen Landesminister haben es geschafft, wenigstens die Zahl der Transplantationszentren zu halbieren.“

Bürgerschaft fordert rasch Klarheit

Die Hamburger Bürgerschaft fordert rasch Klarheit über die Vorwürfe. Die FDP sieht die Gesundheits- und Wissenschaftssenatorin „in der Pflicht“ zur schnellen Aufklärung und droht mit einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses in der Bürgerschaft, wie Gesundheitsexperte Wieland Schinnenburg sagte. Für CDU-Mann Dennis Thering muss Senatorin Prüfer-Storcks erklären, warum die Fälle erst so spät veröffentlicht wurden.

In Hamburg ist die Bereitschaft, Organe zu spenden, über dem Bundesdurchschnitt hoch: 15,3 Organspender kommen auf eine Million Einwohner, bundesweit sind es nach Zahlen der Stiftung Organtransplantation nur 10,8. Der Ruf des renommierten UKE steht auf dem Spiel. Der Präsident der Bundesärztekammer, die zu den Enthüllern der Unregelmäßigkeiten gehört, konnte sich verständlicherweise zu dem Fall nicht äußern. Prof. Frank Ulrich Montgomery ist Angestellter des UKE.