Hamburg. Kapitalmarktexperten erwarten nach dem Jahreshoch eine Fortsetzung des Aufwärtstrends am Aktienmarkt.
In diesem Jahr hatte der Deutsche Aktienindex (DAX)den wohl schlechtesten Start aller Zeiten: Innerhalb der ersten sechs Wochen rutschte das Börsenbarometer um 2000 Punkte ab. Unter starken Schwankungen gelang es ihm dann nach und nach, die Verluste wieder wettzumachen - und zu Beginn dieser Woche erklomm der DAX sogar einen Jahreshöchststand.
Aus diesem Anlass erkundigte sich das Abendblatt bei Hamburger Kapitalmarktexperten nach ihren Prognosen für die kommenden Monate.
Wie geht es am Aktienmarkt weiter?
„Wir gehen davon aus, dass die Aufwärtsbewegung anhält“, sagt Carsten Klude, Chefvolkswirt von M.M.Warburg & Co. „Zu Anfang des Jahres gab es noch viele Konjunktursorgen, aber die Befürchtungen haben sich letztlich nicht erhärtet.“ Vor allem in Deutschland gehe es der Wirtschaft ausgesprochen gut, aber auch die Situation in den Schwellenländern beginne sich zu verbessern, sagt Experte Klude. Er erwartet, dass der DAX in den nächsten Wochen auf mehr als 11.000 Punkte steigt - „und auch für 2017 sind wir zuversichtlich.“
Das Analystenteam der Haspa hatte vor mehr als zwölf Monaten für den deutschen Leitindex einen Jahresendstand von 11.200 Punkten prognostiziert. „Das kann man noch schaffen“, sagt Haspa-Chefvolkswirt Jochen Intelmann. Im kommenden Jahr sei sogar noch mehr drin, schon wegen der weiter sehr niedrigen Zinsen: „Ohne Aktien geht es für Investoren, die eine positive Rendite erzielen wollen oder müssen, einfach nicht.“
Nach den Worten von Carsten Mumm, Leiter Kapitalmarktanalyse bei Donner & Reuschel, steht der DAX charttechnisch gesehen an einem kritischen Punkt: „Wenn es gelingt, die Linie von 10.800 Punkten nachhaltig zu überwinden, dann sehen wir Steigerungspotenzial bis auf etwa 11.400 Zähler.“ Sollte der Leitindex aber unter 10.600 Punkte abrutschen, könne es wieder in Richtung 10.000 Punkte gehen. Grundsätzlich ist Mumm jedoch zuversichtlich: „Wenn wir etwas weiter vorausblicken, können wir uns bis Ende 2017 durchaus einen Anstieg bis auf 12.000 Punkte vorstellen.“
Auch Ansgar Nolte, Co-Leiter Portfoliomanagement beim Hamburger Privatbankhaus Berenberg, ist positiv eingestellt: „Die ökonomischen Rahmenbedingungen stimmen derzeit, daher dürfte sich der Aufwärtstrend im DAX fortsetzen.“
Wo liegen die größten Risiken?
Der deutsche Aktienmarkt werde aber nicht linear weiter steigen, sagt Nolte, denn schließlich gebe es eine Reihe von Ereignissen, die kurzfristige Rückschläge auslösen könnten. Dies seien etwa die Brexit-Verhandlungen, die Präsidentenwahl in den USA und die Abstimmung über eine Verfassungsreform in Italien Anfang Dezember. Zwar geht man am Markt inzwischen weit überwiegend davon aus, dass Hillary Clinton bei der US-Präsidentschaftswahl das Rennen macht. Sollte allerdings doch Donald Trump gewinnen, „würde das kurzfristig eine Schockwelle auslösen“, erwartet Carsten Mumm: „Der Aktienmarkt könnte dann innerhalb weniger Tage fünf bis zehn Prozent verlieren.“
Letztlich seien derartige Ereignisse aber als „vorübergehende Irritationen“ zu werten, sagt Intelmann: „Politische Börsen haben kurze Beine.“ Bedeutendere Folgen könne es haben, wenn das lange verdrängte Thema Staatsverschuldung wieder ins Blickfeld der Investoren rücken sollte.
Welche Branchen sind derzeit
besonders aussichtsreich?
„Der Pharmasektor hat zuletzt gelitten, hier sehen wir Potenzial“, sagt Nolte. Außerdem könne man Korrekturphasen nutzen, um selektiv auch wieder Aktien aus stärker konjunkturabhängigen Branchen aufzubauen.
„Wir halten Technologiewerte für besonders lohnend, weil es ihnen gelingt, sich unabhängig von der Konjunktur eine eigene Nachfrage zu schaffen“, erklärt Mumm. „Solche Unternehmen profitieren vom allgemeinen Trend der Digitalisierung, auch der Industrie.“ Zur Vorsicht raten die Experten von Donner & Reuschel hingegen bei Bankentiteln, denn hier seien die Belastungsfaktoren, etwa die Niedrigzinsen und die Regulierung, weiter sehr groß. Carsten Klude von M.M. Warburg sieht gute Perspektiven auch für Auto- und Chemiewerte.
Wie haben sich die Hamburger Titel
in diesem Jahr entwickelt?
Der entsprechende Index, der Haspax, ist im Vergleich zum DAX geringfügig schlechter gelaufen: Er liegt auf Jahressicht um knapp zwei Prozent im Minus. Dabei hat einer der im Haspax enthaltenen Titel, die Aktie des Landwirtschaftskonzerns KTG Agrar, nach dem Insolvenzantrag des Unternehmens schlagartig um nahezu 100 Prozent an Wert verloren.
Auf der Gewinnerseite hingegen standen die Anteilsscheine des Emissionshauses Lloyd Fonds, deren Kurs sich seit Jahresbeginn verdoppelte. Titel des Ahrensburger Industriekamera-Herstellers Basler kletterten ebenfalls weit überdurchschnittlich um 36 Prozent, und Aktien der Biotechnologiefirma Evotec zogen seit Jahresbeginn um immerhin 21 Prozent an.