Hamburg. “Die Zeit des Nachdenkens ist vorbei“ – Falls Facebook und Co. diskriminierende Kommentare nicht löschen, will Steffen Druck erhöhen.

Justizsenator Till Steffen (Grüne) will mit konkreten Vorschlägen den Druck auf die Bundesregierung beim Thema Hasskommentare im Internet erhöhen. Falls Facebook, Twitter und Co. sich hartnäckig weigern, diskriminierende Kommentare zu löschen, sollen die Unternehmen mit einem Bußgeld belangt werden können und Schadenersatz zahlen. Außerdem soll der Strafrahmen für Beleidigungen bei Hasskriminalität im Netz erhöht werden. Das sieht ein von Steffen erarbeiteter Beschlussvorschlag für die Herbstkonferenz der Justizminister am 17. November vor.

„Die Zeit des Nachdenkens ist vorbei. Wir müssen dem Recht auch im Internet Geltung verschaffen“, sagt Steffen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte nach rassistischenFacebook-Einträgen in der Folge eines Anschlags auf eine Flüchtlingsunterkunft Ende August 2015 die öffentliche Debatte über Hasskommentare angestoßen und Konsequenzen gefordert. Maas hatte die Task Force „Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet“ ins Leben gerufen, in der auch Vertreter von Facebook, Twitter, YouTube und Microsoft sitzen. Aber geschehen ist seitdem nicht viel.

Die Justizminister begrüßen laut Steffens fünfseitigem Beschlussvorschlag, der dem Abendblatt vorliegt, zwar die Einrichtung der Task Force. Aber sie „bedauern, dass diese bisher keine Vorschläge dafür erarbeitet hat, wie Hassbotschaften in sozialen Netzwerken oder Videoportalen nach Meldung durch die Nutzer unverzüglich gelöscht werden“.

Der Justizsenator will nun die juristische Handhabe gegen Nutzer und Unternehmen verstärken. So soll der Strafrahmen für Beleidigungen, die über das Internet begangen werden, erhöht werden. „Hasskommentare wirken vor allem, wenn sich viele beteiligen, und das wissen die Schreiber ganz genau“, sagt Steffen. Doch diesen Effekt lasse das Strafrecht bislang unberücksichtigt. In der Begründung zum Beschlussvorschlag für die Justizminister heißt es dazu: „Hate Speech (Hassrede, die Red.) kann regelmäßig von einem nahezu unbegrenzten Nutzerkreis zur Kenntnis genommen werden. Aus diesem Nutzerkreis schließen sich oftmals – in quasi-bandenmäßiger Komplizenschaft – weitere Täter der Hate Speech an, so dass der Geschädigte sich einem regelrechten Internetmob gegenübersieht.“

Außerdem sei der Ton der Kommentare „häufig deutlich drastischer als eine persönlich geäußerte Beleidigung, weil sich die Täter im Schutz vermeintlicher Anonymität zu noch schärferen, menschenverachtenden Formulierungen hinreißen lassen“. Weil der Unrechtsgehalt gegenüber „normalen“ Beleidigungen „deutlich gesteigert“ sei, sei es angemessen, den Strafrahmen für Beleidigungen bei Fällen von Hassreden anzuheben. Einen konkreten Vorschlag macht Steffen nicht, bislang liegt der Strafrahmen für Beleidigungen bei bis zu einem Jahr.

Außerdem regt Steffen an, eine „Rechtsgrundlage für pauschalisierte Entschädigungen“ einzuführen. Anspruch auf Schadenersatz sollen die Opfer von Hasskommentaren gegenüber den Betreibern der sozialen Netzwerke geltend machen können. Bei besonders gravierenden Fällen sollen auch die Urheber der Kommentare zu Schadenersatz verurteilt werden können. Bei „beharrlicher Verweigerung der Löschung“ sollen auch Bußgelder gegen die Unternehmen verhängt werden können. „Wir brauchen spürbare, empfindliche Geldbußen. Was in diesem Bereich möglich ist, zeigt § 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes, der Geldbußen bis zu einer Million Euro vorsieht“, sagt Steffen.

Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen

Der Justizsenator hält es für erforderlich, die Kommunikation zwischen staatlichen Stellen und den Betreibern der sozialen Netzwerke zu verbessern. Häufig scheitere die Zustellung von Schriftsätzen und Klagen daran, dass die Hauptsitze der Unternehmen im Ausland lägen. Steffens Beschlussvorschlag regt an, die Unternehmen zu verpflichten, „einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen, an den Schriftstücke zugestellt und E-Mails gesendet werden können“.

Steffen will die Unternehmen bei Hasskriminalität stärker in die Pflicht nehmen: „Löschungen müssen schneller durchgesetzt werden. Die bisherigen Lippenbekenntnisse reichen nicht aus.“ Auch Maas hält nun härtere Strafen für möglich. „Es ist denkbar, die rechtliche Verantwortung derjenigen Konzerne gesetzlich auszuweiten, die als Teil ihres Geschäftsmodells die Verbreitung strafbarer Hasskommentare technisch ermöglichen“, sagte Maas dem „Spiegel“.

Die AfD wirft Steffen dagegen „Zensurversuche“ vor. Kritische Facebook-Nutzer sollten kriminalisiert werden. Was eine Hassbotschaft sei, bestimmten Steffen und Maas. „Die politisch korrekte Zensurspirale dreht sich mit Rot-Grün immer schneller“, sagt AfD-Innenpolitiker Dirk Nockemann. „Echte Hassbotschaften, die auch jetzt schon unter Strafe stehen, dürfen nicht geduldet werden“, sagt AfD-Fraktionschef Jörn Kruse.