Hamburg. Auch die Großfamilie fiel negativ im Gerichtssaal auf und quittierte das Strafmaß mit zustimmendem Gegröle.

Sabina A. (Name geändert) ist verschwunden. Seit Mai ist das Mädchen für das Landgericht als Zeugin nicht mehr ermittelbar. Vier junge Männer hatten die 14-Jährige drei Monate zuvor, am 11. Februar, in einer Wohnung an der Bornemannstraße (Harburg) sexuell schwer missbraucht. Die Jugendliche war so betrunken, dass sie keinen Widerstand leisten konnte, als die Täter über sie herfielen und unter anderem mit Flaschen und einer 15 Zentimeter langen Taschenlampe missbrauchten. Sabina A. bekam davon nichts mit. Nicht, wie die Angeklagten sie beim Missbrauch filmten; nicht wie sie sie nahezu unbekleidet bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in einem Hinterhof abluden.

Die Ausführungen des Vorsitzenden Richters Georg Halbach zur Tat sind schwer zu ertragen, die Handlungen der Angeklagten so sadistisch und abstoßend, wie man es selten vor Gericht erlebt. Auch das recht milde Strafmaß gegen die vier jugendlichen Täter irritiert auf den ersten Blick. Gegen Zivorad S. (17), Alexander K. (16), Dennis M. (14) und Lisa H. (15) hat das Gericht am Donnerstag zwar „wegen der Schwere der Schuld“ Jugendstrafen zwischen ein und zwei Jahren verhängt – doch in Haft muss niemand, alle vier kommen mit Bewährungsstrafen davon. Die Zuschauer, Angehörige einer serbischen Großfamilie, quittieren das Strafmaß mit zustimmendem Gegröle. Zum Prozessbeginn im August hatten sich noch alle Jugendlichen mit entsprechenden Siegerposen und Luftküsschen für die Großfamilie vor Gericht gefeiert.

Die Strafen seien erzieherisch geboten, so der Richter

„Die Strafen mögen Teilen der Öffentlichkeit als zu milde erachten, aber daran hat sich die Kammer nicht zu orientieren“, sagt Halbach. Bei der Strafzumessung komme es einzig darauf an, was das Gericht für erzieherisch geboten halte. Dazu zählen beispielsweise Weisungen für die jungen Angeklagten: Zwei von ihnen kommen für mehrere Monate in spezielle Jugendeinrichtungen; die wegen Beihilfe angeklagte 15-Jährige befindet sich bereits in Therapie, ein weiterer Angeklagter muss ein „Diagnostikprogramm“ durchlaufen und im Zweifelsfall ebenfalls eine Therapie beginnen.

Die Jugendlichen hätten während der Verhandlung, zu der die Öffentlichkeit nicht zugelassen war, von „echter Reue und Scham getragene Geständnisse“ abgelegt. „Wir haben den Eindruck gewonnen, dass sie schamvoll und irritiert vor ihrem Handeln stehen“, sagt Halbach. Zudem geht das Gericht zugunsten von Alexander K. davon aus, dass der Sex zwischen ihm und Sabina A. nicht erzwungen war, sondern „einvernehmlich erfolgte“.

Anders verhält es sich im Fall Bosko P., dem einzigen erwachsenen Angeklagten. Vier Jahre, so das Urteil, muss der 21-Jährige hinter Gittern. Das Gericht ist überzeugt, dass er unter „Ausnutzung ihrer widerstandsunfähigen Lage“ den Geschlechtsverkehr mit Sabina A. vollzog. Bosko P. hatte zwar behauptet, die 14-Jährige habe sich auch ihm freiwillig hingegeben. Das kaufte ihm das Gericht jedoch nicht ab – die übereinstimmenden Aussagen der Mitangeklagten bewiesen das Gegenteil.

Die Täter malträtierten ihr Opfer, unter viel Gelächter

Die Jugendlichen hatten in der Nacht zum 11. Februar in einer Wohnung an der Bornemannstraße den 14. Geburtstag des angeklagten Dennis M. gefeiert. Lisa H. hatte aus der gemeinsamen, vom Jugendamt Wandsbek betreuten Wohngruppe ihre Freundin Sabina A. mitgebracht, laut Gericht soll die 14-Jährige zwischen 3 und 5.30 Uhr morgens „sechs bis sieben halb volle Gläser Whiskey“ getrunken haben. Erst schlief sie – dabei noch im recht klaren Zustand – mit Alexander K. Als sich Bosko P. an ihr verging, war sie nach Überzeugung des Gerichts längst nicht mehr ansprechbar und zu keinem Widerstand fähig. Nach dem Missbrauch erbrach sie sich auf der Schlafcouch.

Trotzdem ließen ihre Peiniger nicht von ihr ab. Sie malträtierten sie, unter viel Gelächter. Auch Sabina A.’s Freundin, die wegen Beihilfe angeklagte Lisa H., mischte fleißig mit.

Wie auf einem Handy-Mitschnitt zu hören ist, antwortete die 15-Jährige auf die Frage eines Mittäters, „ob es ihr gefallen würde“, mit „Ja!“. Außerdem filmte sie, wie alle anderen Beteiligten auch, die sadistischen Übergriffe mit dem Handy. Gegen 7 Uhr schleifte Bosko P. das geschändete Mädchen dann auf einem Bettlaken nach draußen, in den Hinterhof und in die klirrende Kälte; dann verabschiedeten sich die Täter und überließen Sabina A. ihrem Schicksal. Ein Zeuge, der ihr Gewimmer hörte, alarmierte die Feuerwehr. Unterkühlt und mit leichten Schrammen kam das Mädchen ins Krankenhaus.

Gravierende psychische Folgen für das Opfer

Die psychischen Folgen der Tat sind indes viel gravierender als die körperlichen. Sabina A. war für das Gericht zwar während der Hauptverhandlung als Zeugin nicht greifbar, es konnte jedoch auf eine polizeiliche Videovernehmung der 14-Jährigen zurückgreifen.

Sabina A. habe „sich zurückgezogen, hat kein Vertrauen mehr und macht sich Vorwürfe, dass sie bei fremden Männern zu Hause war“, sagt Halbach. Die Angeklagten hätten das Mädchen behandelt wie ein „Objekt“ und sie dann „wie Müll weggeworfen“.

Der Fall mag entsetzlich sein – der Feierstimmung im Anschluss an die Urteilsbegründung tut das am Donnerstag keinen Abbruch: Bosko P. macht im Gerichtssaal erst feixend eine Art Stoßbewegung mit den Hüften, um sich dann für die geschmacklose Geste mit erhobenem Zeigefinger zu tadeln. Die Mütter der jugendlichen Täter brechen vor Freude in Tränen aus, Freunde und Angehörige der Angeklagten strahlen.

Dem innenpolitischen Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Gladiator, stößt das Urteil auf: „Wieder einmal lässt Hamburgs Justiz eine unfassbare Milde walten. Die unerträglich ausgelassene Stimmung der Vergewaltiger vor Gericht lässt nicht darauf schließen, dass schon die Verurteilung Warnung genug ist.“