Hamburg. Oft würden zu hohe Abstandszahlungen verlangt: „Mafiöse Zustände!“ Mieterverein sieht „Nebelkerze“ der Makler.

Neumieter müssen nach Einschätzung Hamburger Immobilienmakler verstärkt damit rechnen, dass sie unter der Hand eine erhebliche Ablöse zahlen müssen, um den Zuschlag für eine begehrte Wohnung zu erhalten. Grund sei das vor gut einem Jahr eingeführte sogenannte Bestellerprinzip, nach dem nicht mehr Mieter den Makler bezahlen, sondern die Vermieter, sagte Axel Wittlinger, Vorsitzender des Immobilienverbands Nord (15.000 Mitglieder), dem Abendblatt.

Seitdem laufe vieles nach folgendem Modell: „Der Mieter geht zu seinem Vermieter und sagt, dass er ausziehen möchte und sich selbst um einen Nachmieter kümmert“, sagte Wittlinger. Der Vermieter finde das gut, weil er sonst einen Immobilienmakler bezahlen müsste. „Jetzt liegt alles beim Vormieter, der so die Möglichkeit hat, Deals mit dem Nachmieter zu machen.“ Denkbar wäre, dass der Nachmieter für einen Tisch oder ein altes Sofa dem Vormieter Geld zahlt. „Da werden teilweise unerhörte Abstandszahlungen verlangt, und dem Nachmieter wird suggeriert, dass er keine Wahl hat“, sagte Wittlinger. „Das sind im Grunde mafiöse Zustände.“

Hamburg gilt als Mieterstadt. Von den 925.000 Wohnungen sind rund 75 Prozent Mietwohnungen. Die Umzugsquote lag 2015 bei 7,8 Prozent – im Ländervergleich liegt Hamburg damit auf dem vorletzten Platz vor Berlin.

Neue Mieter selbst aussuchen

Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, hält die Vorwürfe des Immobilienverbands für „Nebelkerzen“. Das größte Problem sei, dass sich zu viele Makler noch immer nicht an das Bestellerprinzip hielten und unrechtmäßig Gebühren verlangen würden, sagte Chychla dem Abendblatt. Abstandszahlungen seien klar geregelt: „Unrechtmäßig sind sie dann, wenn mehr als das Doppelte des Wertes verlangt wird, den das Sofa, das Bett, der Teppich etc. besitzt.“ Wer ein Wucherangebot bekommt, sollte bei sehr großem Interesse an der Wohnung dennoch zunächst zahlen, rät Chychla. Rückwirkend für drei Jahre könne man unrechtmäßig gezahlte Beträge zurückfordern.

Der Chef des Grundeigentümerverbands Hamburg, Heinrich Stüven, rät Vermietern, sich neue Mieter selbst auszusuchen. „Damit ist auch das Thema Abstand erledigt.“ Allerdings gebe es auf dem Wohnungsmarkt inzwischen eine „Amazonisierung“: Interessenten ließen sich oft mehrere Wohnungen reservieren und suchten sich am Ende das beste Angebot aus. Der Vermieter habe den Schaden: „Der muss entweder den Makler dafür bezahlen, dass er einen neuen Mieter sucht, oder den Ausfall von mehreren Monatsmieten hinnehmen.“