Hamburg. Wer tagsüber etwa aus dem Süden der Stadt mit dem Taxi in die City oder zum Flughafen will, erhält vom Fahrer schon mal eine Absage.

Das gegenwärtige Verkehrschaos mit den langen Staus trifft auch das Taxigewerbe hart. Durch die sogenannte „Karenzminute“ – erst nach mindestens 60 Sekunden Stillstand muss der Fahrgast für die Wartezeit bezahlen – geht den Taxifahrern laut Hansa Funktaxi viel Geld verloren. Einige Strecken in Hamburg seien zu den Hauptverkehrszeiten überhaupt nicht mehr lukrativ. Was offiziell nicht gesagt wird, hört man bei den Fahrern auf der Straße: Bei bestimmten Routen werden Kunden sogar abgewimmelt.

Wer tagsüber aus dem Süden der Stadt mit dem Taxi in die City oder zum Flughafen will, bekommt vom Fahrer schon mal zu hören, dass er gerade eben eine andere Tour angenommen habe. „Eine Notlüge“, sagte ein Fahrer dem Abendblatt. Die Fahrt auf der überlasteten Strecke dauere einfach zu lange, um rentabel zu sein.

Erst nach einer Minute im Stau gibt es Geld

Schuld sei die sogenannte Karenzminute, die nur in wenigen der bundesweit rund 2000 Tarifgebiete – darunter auch Hamburg – gilt. Das Dilemma der Taxifahrer: Sie verdienen während der ersten Minute im stillstehenden Taxi kein Geld. Erst wenn das Taxi mehr als 60 Sekunden stillsteht, beginnt der Taxameter weiterzuzählen – und ein Wartegeld von 50 Cent pro Minute wird erhoben, wozu es aber im normalen Stau gar nicht kommt:

„Stop and go ist für Taxifahrer daher grausam“, weiß Claus Hönig, Sprecher bei Hansa Funktaxi. „Baustellen sind furchtbar. Staus sind ein Umsatzkiller.“ Denn wenn der Wagen nur einen Meter weiterrollt, fängt die Karenzminute wieder bei null an. „In der Praxis haben wir eine Verkehrslage, bei der überall Stau ist, aber man nicht eine Minute auf derselben Stelle steht“, sagt ein Fahrer. Würde die Karenzminute abgeschafft werden, würden die Taxifahrer bei der aktuellen Verkehrssituation zehn Prozent mehr Umsatz machen, schätzt Hönig.

Die meisten Taxifahrer in Hamburg sind selbstständig. Wer bei einer der Funkzentralen arbeitet, ist wie in einer Genossenschaft organisiert. Es gibt Fahrer, die Anteile an der Zentrale besitzen und Fahrer, die nur den Service nutzen. „Ich zahle dafür 400 Euro im Monat“, sagt ein Fahrer. Dafür gibt es eine ausgefeilte Technik.

Viele Restaurants beispielsweise können per Knopfdruck einen Wagen bei der Funkzentrale anfordern. Auch Arztpraxen, wie beispielsweise Dialysepraxen, deren Patienten häufig ein Taxi benötigen, haben ein weitgehend automatisiertes Rufsystem. Fest angestellte Fahrer sind im Taxigewerbe selten geworden. Der Mindestlohn, so ein Fahrer, habe dazu wesentlich beigetragen. „Ein Angestellter muss pro Schicht mindestens 170 Euro einfahren, damit es sich rentiert“, weiß ein Fahrer.

100 Fahrzeuge im Airport-Wartebereich

Wer seine Aufträge nicht über Funk bekommt, weil er an keine Zentrale angeschlossen ist – intern „Graupe“ genannt – ist auf lukrative Standplätze wie am Hauptbahnhof oder am Flughafen angewiesen. In Fuhlsbüttel stauen sich oft deutlich mehr als 100 Fahrzeuge im Wartebereich der Taxis. „Dafür muss man bezahlen“, sagt ein Fahrer. Bislang waren es die kurzen Fahrten der Geschäftsleute (beispielsweise in die City Nord), die bei Fahrern Unmutsäußerungen hervorriefen. Mittlerweile sorgen auch andere, längere Strecken für schlechte Laune. Vor allem, wenn es durch den Elbtunnel gehen soll.

Was viele Fahrgäste nicht wissen: In Hamburg besteht eine Beförderungspflicht für Taxifahrer. „Man darf eine Tour nicht ablehnen. Das ist strafbar“, sagt Michael Erdogan, Vorsitzender des Landesverbands Hamburger Taxiunternehmer. Manche Taxifahrer würden ihre Kunden auch darauf hinweisen, dass ihr Ziel staubedingt eine so lange Fahrtzeit bedeute, dass sie mit U- oder S-Bahn schneller wären.

Das sei keine Ablehnung, sondern es werde fragend versucht, dem Kunden „auszuweichen“. Man würde gern jeden Kunden bedienen, aber in großen Staus sei das einfach nicht lukrativ. „Es ist eine ganz einfache kaufmännische Rechnung“, sagt Erdogan. „Wenn man für zehn Kilometer 20 Euro bekommt, dann gilt das sowohl bei einer Fahrtzeit von 45 Minuten, als auch bei einer von 15 Minuten.“ Nur in verkehrsarmen Zeiten – etwa nachts – schaffe man es, noch viele Kilometer in kurzer Zeit zu fahren, sagt ein Fahrer.