Wilhelmsburg. Vor allem im Süden Hamburgs müssen Fahrgäste „eng an eng gedrängt“ stehen – eine rasche Lösung ist nicht in Sicht.
Der Ärger der Leserin der Abendblatts war nicht zu überlesen. Jeden Morgen müsse sie von ihrem Wohnort im Landkreis Stade zur Arbeit nach Langenhorn und abends wieder zurückfahren, schrieb sie in einem Leserbrief. Derzeit benötige sie bis zu zweieinhalb Stunden pro Strecke.
Der Rat, sie könne auf den öffentlichen Personennahverkehr umsteigen, verficht derzeit kaum. In den vergangenen Tagen mehrten sich vor allem im Süden der Hansestadt die Klagen von Fahrgästen über volle S- und U-Bahnen sowie über vollgestopfte Busse.
Aber auch aus dem Norden werden derartige Verhältnisse berichtet. Das Abendblatt schrieb am Donnerstag in seiner Norderstedt-Ausgabe von AKN-Zügen, in denen vor allem in den Hauptverkehrszeiten am Morgen und am Abend die Passagiere „eng an eng gedrängt“ stehen müssten.
Fragt man bei den verschiedenen Verkehrsunternehmen und der zuständigen Wirtschaftsbehörde nach, räumen diese ein hohes Fahrgastaufkommen – zumindest während der Rushhour – ein.
Man gehe davon aus, „dass mehr Pendler ihr Auto stehen lassen und mit S-Bahn, DB-Regio, nordbahn und AKN in die Stadt kommen“, sagt Hochbahnsprecher Christoph Kreienbaum. Der Grünen-Verkehrspolitiker Martin Bill meint, es sei durchaus bekannt, dass vor allem Pendlerzüge voll seien.
Zuletzt dürften die kilometerlangen Staus auf den Autobahnen rund um Hamburg – seit Tagen stockt es aufgrund von Bauarbeiten vor allem bei Fleestedt – Pendler vermehrt dazu bewogen haben, auf die „Öffentlichen“ umzusteigen. Damit aber werden bereits vorhandene Probleme verschärft.
In Zahlen ausgedrückt heißt das: Werktags werden Hamburgs U- und S-Bahnen sowie Busse von insgesamt rund 1,7 Millionen Menschen genutzt. Bei der S-Bahn beträgt der Fahrgastzuwachs innerhalb der vergangenen zehn Jahre 30 Prozent. Bei der Hochbahn sind es immerhin noch 17 Prozent.
„Die allgemeine Steigerung der Fahrgastzahlen freut uns natürlich“, sagt Grünen-Politiker Martin Bill. Das Problem besteht nun darin, dass die Nahverkehrsunternehmen offenbar einige Zeit benötigen, sich diesen erhöhten Anforderungen anzupassen.
Die Bahn kann erst jetzt in neue S-Bahn-Züge investieren
Die Hochbahn kann als Unternehmen der Stadt dabei flexibler und rascher reagieren. „Wir haben deutlich engere Takte im U-Bahn-Bereich“, sagt ihr Sprecher Christoph Kreienbaum. Zudem seien viele Buslinien auf Gelenkbusse umgestellt worden. „Das schafft pro Bus 105 statt 70 Plätze.“
Bei der S-Bahn liegt die Situation etwas anders. Das Unternehmen hatte erst Mitte 2013 von Hamburg den Zuschlag erhalten und darf in der Hansestadt die S-Bahnen bis zum Jahr 2033 betreiben. Das führte offenbar zu einer Verzögerung bei der Bestellung neuer S-Bahn-Züge und Waggons. Nach den Worten von Bill hat die Bahn jetzt allerdings Planungssicherheit und kann in neue Fahrzeuge investieren.
Die S-Bahn selbst verweist darauf, dass man insgesamt rund 450 Millionen Euro in die Beschaffung von 60 Fahrzeugen sowie in die Modernisierung und in Werkstätten investieren wolle. Zugleich räumt das Unternehmen jedoch ein, dass mit dem derzeitigen aus 164 Fahrzeugen bestehenden Fuhrpark „eine über das heutige Angebot hinausgehende Leistung in Bezug auf Taktverdichtungen und längerer Zugbildung während der Hauptverkehrszeit nicht sinnvoll zur Fahrgastnachfrage“ umgesetzt werden könne.
Erst vom Jahr 2018 an werde es „mit der derzeit laufenden Fahrzeugbestellung schrittweise möglich sein, die Kapazitäten anzupassen“, erklärte das Unternehmen weiter. Grünen-Verkehrspolitiker Bill macht deutlich, dass politisch die Voraussetzungen geschaffen würden, vor allem die S-Bahn-Verbindung zwischen Harburg und der Innenstadt auszubauen.
Neue S-Bahn-Züge würden dazu genutzt, zusätzliche Züge einzusetzen, also die Taktung zu verkürzen. Möglich sei es zudem, die Züge zu verlängern, also statt sechs Waggons neun Wagen pro Zug zur Verfügung zu stellen. Bill sagt zu, dass altes Fahrgerät erst ausgemustert werde, wenn ausreichend S-BahnZüge unterwegs seien.
Susanne Meinecke, Sprecherin der Wirtschaftsbehörde, verweist auf die Verlängerung der U-Bahn-Linie 4 von der HafenCity Universität bis zu den Elbbrücken. Im Winterfahrplan 2018 solle die Haltestelle ihren Betrieb aufnehmen und für Entspannung sorgen. Auch für den Norden Hamburgs ist eine rasche Entspannung nicht in Sicht. In der Hauptverkehrszeit seien alle vorhandenen Fahrzeuge im Einsatz, sagt Christiane Lage-Kress, Sprecherin der AKN. Eine grenzenlose Verkürzung der Taktung bei Bussen beispielsweise stößt allerdings an Grenzen. Maximal der Drei-Minuten-Takt sei sinnvoll, sonst ist die „Pulkbildung“ zu groß.