Hamburg. Vor fünf Jahren lehnten Manager, Beschäftigte und Politik die Übernahme durch Lürssen noch ab. Nun freuen sich plötzlich alle.

So haben sich die Zeiten geändert. Als das Familienunternehmen Lürssen 2011 die Hamburger Traditionswerft Blohm+Voss übernehmen wollte, war die Zahl der Kritiker groß. Hochrangige Gewerkschaftsfunktionäre, Politiker und sogar der damalige Werft-Chef Hans Christoph Atzpodien kritisierten die Bremer für ihr Angebot, das rundweg als unseriös abgelehnt wurde. Sie befürchteten, dass Lürssen sich bei dem angeschlagenen Hamburger Konkurrenten nur die „Rosinen“ herauspicken und den Rest abwickeln werde. Am lautesten wetterte damals der Betriebsrat, der von „Kannibalisierung“ und „Verhöhnung der Belegschaft“ sprach. Nachdem Lürssen jetzt Blohm+Voss übernommen hat, gibt es fast nur positive Stimmen – und vom Betriebsrat kommt kein einziges Wort.

Da sich an den Zielen, die Lürssen mit einer Blohm+Voss-Übernahme verfolgt, bis heute wenig geändert haben dürfte, lässt der Sinneswandel nur einen Schluss zu: Die Verantwortlichen sind zu der Einsicht gekommen, dass die Pläne Hamburg nutzen. Die Hoffnung von einst, Blohm+Voss könnte unter einem Finanzinvestor zu einem ähnlich erfolgreichen, eigenständigen Hersteller von Mega-Yachten wachsen wie Lürssen, hat sich zumindest unter dem bisherigen Eigentümer Star Capital nicht erfüllt. Mit der „Eclipse“ für den russischen Milliardär Roman Abramowitsch fertigte Hamburgs einzige Großwerft bereits 2009 ihre letzte große Yacht.

Stimmen und Meinungen zum Verkauf von Blohm + Voss

Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos)

Die Übernahme ist eine große Chance für den maritimen Standort Hamburg. Damit wird der Werftbetrieb auf ein solides Fundament für die Zukunft gestellt. Es ermöglicht Blohm+Voss, neue Kunden zu gewinnen und dadurch dauerhaft Beschäftigung am Standort Hamburg zu sichern. Blohm+Voss und der Schiffbau in Hamburg haben wieder eine Perspektive.

Jens Meier, Hamburgs Hafenchef

Das ist eine geniale Entscheidung. Ich habe die Lürssen Werft schon mehrfach besucht und konnte mich dort von der exzellenten Qualität überzeugen. Die Übernahme stärkt den Hamburger Hafen und das maritime Cluster.

Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste:

Für Blohm+Voss ist das eine gute Nachricht, aber wir erwarten nun nähere Informationen, wie der Standort weiter entwickelt werden soll, vor allem im Hinblick auf die Beschäftigung und die Arbeitsplätze.

Anjes Tjarks, Vorsitzender der Grünen in der Bürgerschaft

Ein erfahrenes und bereits lange geschäftlich verbundenes Unternehmen wie Lürssen ist nahezu ein idealer strategischer Partner. Jetzt geht es darum, die beiden Puzzleteile gut zusammenzufügen. Wenn dies gelingt, wird sich die Übernahme sehr positiv auf den Kundenstamm sowie die langfristige Planbarkeit bei Blohm+Voss auswirken. Dies kann auf die ganze maritime Wirtschaft ausstrahlen.

Rüdiger Kruse, Beauftragter für maritime Wirtschaft der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

 Die Entscheidung für die Lürssen-Gruppe kann als Gewinn für den norddeutschen Raum gesehen werden, die Kompetenzen strategisch bündelt und auch die Wertschätzung der Leistung und Erfahrung der Mitarbeiter im Auge hat. Den Schiffbaustandort Deutschland wird dieser Zusammenschluss langfristig stärken.

Joachim Seeler, hafenpolitischer Sprecher der SPD in der Bürgerschaft:

Der Zusammenschluss bietet Blohm+Voss eine verlässliche Perspektive. Insofern ist dieser Schritt aus Hamburger Sicht zu begrüßen. Schon in der Vergangenheit haben sich beide Unternehmen bei zahlreichen Projekten ergänzt und gut zusammengearbeitet.

Norbert Hackbusch, hafenpolitischer Sprecher der Linken in der Bürgerschaft:

Die Übernahme gibt Anlass zur Besorgnis. Das Yachtgeschäft droht in Bremen zentralisiert zu werden. Hamburg dagegen droht zur Rüstungsschmiede zu werden. Lürssen ist immerhin einer der größten Rüstungslieferanten für menschenrechtsverletzende Regime wie das von Saudi-Arabien.

1/7

Nun setzt man große Hoffnung in die Partnerschaft mit dem inzwischen deutlich erfolgreicheren Rivalen in Bremen. Und das als dessen Tochter. Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) lässt nun keinen Zweifel an der Alternativlosigkeit des Schrittes: „Durch den Verkauf an Lürssen haben Blohm+Voss und der Schiffbau in Hamburg wieder eine Perspektive für die Zukunft“, sagt er. Im Jahr 2011 hielt sich Horch mit Äußerungen noch zurück, ergriff nicht Partei für die damals bereits kaufwillige Lürssen-Werft.

Reparaturgeschäft bleibt die Kornkompetenz

Selbst der langjährige Blohm+Voss-Chef Herbert Aly, der ebenfalls einst gegen Lürssens Angebot gewettert hatte und den Verkauf von Blohm+Voss an die britische Star Capital einfädelte, konnte keinen Yachten-Neubauauftrag an Land ziehen. Sehr zum Missfallen der „Heuschrecke“ aus London, die bei der Übernahme der Werft von Anfang an klarstellte, dass es sich nur um ein Engagement auf Zeit handele. Aly musste dann auch gehen und wurde im März 2015 durch den Niederländer Fred van Beers ersetzt.

Kommentar: Übernahme ist eine Chance für Blohm+Voss

Doch auch van Beers gelang es nicht, das Neubaugeschäft zu beleben. „Für Blohm+Voss stehen Kundenorientierung und Service an erster Stelle. Mit Lürssen gewinnen wir einen langfristig engagierten, strategischen Eigentümer, der unser Unternehmen gemeinsam mit uns entwickeln und die Services in unseren Kernbereichen weiter ausbauen möchte“, sagt er nun.

Von Service ist da die Rede, nicht von Neubauten. Van Beers und zuvor schon Aly setzten vor allem auf das Reparaturgeschäft – durchaus mit Erfolg. Und diese Expertise schätzt Lürssen an den Hamburgern. Durch eine Kooperation mit dem weltgrößten Kreuzfahrtkonzern Carnival ist Blohm+Voss sogar zu der bevorzugten Werft für Reparaturen an Luxuslinern aufgestiegen.

Nur wenige Bestellungen für Mega-Yachten weltweit

Mit den Aus- und Umbauten der „Queens“ der britischen Carnival-Tochterrederei Cunard hat Blohm+Voss seine Expertise als schneller und zuverlässiger Spezialist für Kreuzfahrtschiff-Reparaturen untermauert. Ein Pfund, mit dem die Hamburger wuchern können, ist dabei „Elbe 17“, mit 350 Metern Länge eines der größten Trockendocks in Europa. Da die Schiffe tendenziell immer größer werden, kann sich dieses Dock für Lürssen noch als Verkaufsschlager herausstellen. Solche Alleinstellungsmerkmale sind wichtig, denn die Zeiten für Schiffbauer sind alles andere als rosig. Russische Milliardäre und arabische Ölscheichs – bisher die größte Zielgruppe für Mega-Yachten – sind angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage in den Regionen nicht mehr so kauffreudig.

Ein Abbau von Arbeitsplätzen ist bei Blohm+Voss mit seinen verbliebenen 980 Mitarbeitern auch nach dem Kauf durch Lürssen nicht ausgeschlossen. Entsprechend zurückhaltend äußert sich denn auch Lürssen-Chef Peter Lürßen: „Im Vordergrund unseres Engagements stehen nun Gespräche mit Mitarbeitern, um die notwendigen Schritte zu besprechen, wie wir die individuellen Eigenschaften der Werft effizient nutzen, die bisherige Balance zwischen unseren Standorten auch in Zukunft sicherstellen und die für uns Schiffbauer insgesamt schwierigen Zeiten angemessen und im Schulterschluss meistern können.“ Hilfreich könnte für die Zukunft sein, dass Lürssen und Blohm+Voss im Marineschiffbau, der im Gegensatz zum Yachtgeschäft floriert, schon seit Längerem kooperieren.

Derzeit bauen sie gemeinsam vier Fregatten für die Bundesmarine. „Aufgrund der auf unterschiedlichen Arbeitsebenen teils langjährigen und vertrauensvollen Zusammenarbeit sind wir zuversichtlich, eine gute Grundlage vorzufinden, um die Unternehmen unter einem gemeinsamen Dach zu führen“, so der technische Geschäftsführer bei Lürssen, Klaus Borgschulte. Und er muss es wissen: Bis 2006 war er schließlich Chef von Blohm+Voss, bevor er die Hamburger verließ und in Bremen anheuerte. Man trifft sich halt immer zweimal im Leben.