Hamburg. Vorsprung gegenüber Köln und Frankfurt schmilzt. HWWI-Wissenschaftler fordern besseres Netzwerk.

Gerade einmal 350 ihrer selbst entwickelten Sporthandtücher fürs Fitnessstudio hatten Lennart Rieper und Florian Goecke verkauft, doch die beiden jungen Produktdesigner waren zutiefst davon überzeugt, dass sie mit ihrem Towell+ genannten Tuch auf dem richtigen Weg sind. Ihre Kampagne auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter lief gut: Am Ende hatten fast 450 Unterstützer das Handtuch bestellt, mehr als 18.000 Euro kamen zusammen – mehr als doppelt so viel als die beiden Hamburger Start-up-Gründer erwartet hatten.

Das ist jetzt 15 Monate her und die großen Erwartungen der Jungunternehmer haben sich mehr als erfüllt: „An die 350 von damals kann man jetzt drei Nullen dranhängen“, sagt Rieper. Das Towell+ mit Reißverschlusstasche für Wertsachen und Magnetclip zum Aufhängen am Fitnessgerät wird zum Preis von etwa 20 Euro inzwischen im eigenen Online-Shop verkauft, kann bei Otto bestellt werden, ist bei Karstadt, Famila, Rewe und der Sportartikel-Kette Intersport gelistet. Und seitdem Rieper, Goecke und der inzwischen eingestiegene dritte Partner Paul Dudda vor Kurzem in der TV-Investorenshow „Die Höhle der Löwen“ im Sender Vox ihr Produkt und ihre Firma Thinks präsentierten, haben die Verkäufe noch einmal deutlich zugelegt.

Es ist eine dieser Erfolgsgeschichten aus Hamburg, die glauben machen, die Hansestadt sei ein sehr, sehr gutes Pflaster für Firmengründer und es gebe wenig, was man in dieser Hinsicht noch verbessern könnte. Doch eine am Dienstag veröffentlichte Studie des Hamburgischen Weltwirtschafts Instituts (HWWI) im Auftrag von Wirtschaftsbehörde, Handelskammer, Haspa, Hamburg Marketing, Hanse Merkur Versicherung, der Investitions- und Förderbank, der Wirtschaftsauskunftei Creditreform und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zeichnet ein differenzierteres Bild: Hamburg bietet zwar tatsächlich sehr viel für Gründer, kann zugleich aber bei seiner Förderung noch einiges besser machen, indem es sich andere deutsche Städte zum Vorbild nimmt.

Zahl der Gründungen geht insgesamt zurück

Eine zentrale Erkenntnis der Studie, die letztlich auch der Anlass war, das Gutachten in Auftrag zu geben, lautet: Hamburg ist gemessen an der Zahl von 92 Gründungen pro 10.000 Erwerbsfähigen im vergangenen Jahr die Nummer zwei in Deutschland hinter Berlin (112) und liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt (58 Gründungen), aber: Die Zahl der Gründungen geht sowohl bundesweit als auch in der Hansestadt insgesamt zurück, und der deutliche Vorsprung vor anderen großen deutschen Städten, den Hamburg vor wenigen Jahren noch hatte, schmilzt. Anders gesagt: In einer Zeit, in der die Zahl der Unternehmensgründungen insgesamt zurückgeht, schlägt Hamburg sich weniger gut als etwa Frankfurt oder Köln.

„Wichtig wäre es unter anderem, die etablierte Wirtschaft in Hamburg stärker als bisher in Kontakt mit der Gründerszene zu bringen“, sagt HWWI-Forscherin Isabel Sünner, die das 130-Seiten-Gutachten mit zwei Kollegen erarbeitet und unter anderem 700 Gründerinnen und Gründer befragt hat. Die Studie empfiehlt etwa ein „Business Angel“-Programm, in dem erfahrene Unternehmer die jungen Selbstständigen beraten, ihnen Türen öffnen und mit Kapital in die Start-ups einsteigen. „Netzwerkveranstaltungen finden zwar ansatzweise statt, aber es scheint da auch noch Berührungsängste zu geben“, sagt Sünner.

Große Förderszene in der Stadt

Auch international könne Hamburg mehr tun, um Gründer und Investoren anzulocken. „Anders als in Berlin und in München ist Hamburg bisher nicht Sitz eines international tätigen Wagniskapital-Unternehmens.“ Die vielen in der Gründungsförderung tätigen Institutionen sollten enger zusammenarbeiten und ihre Angebote besser bekannt machen. Sünner: „Ziel sollte sein, gemeinschaftlich an Entwicklung und Umsetzung einer Gesamtstrategie für die Gründungsförderung in Hamburg zu arbeiten.“

Die Thinks-Gründer haben derzeit keinen weiteren Bedarf an Beratung und Kapital. „Wir haben damals einen Gründerzuschuss von der Arbeitsagentur bekommen und an so ziemlich jeder Beratungs- und Info-Veranstaltung der Handelskammer teilgenommen. Die Unterstützung war toll“, sagt Rieper. Die Förderszene in der Stadt sei groß. „Es gibt fast jeden Abend ein Event, bei dem man andere Start-ups oder potenzielle Investoren treffen kann.“

Einen Investor hat Thinks – aus der GbR von 2015 sind mehrere GmbHs mit einer zweistelligen Mitarbeiterzahl geworden – im Fernsehen gefunden. Aus der „Höhle des Löwen“ gingen die Gründer mit der Zusage, dass Juror Ralf Dümmel mit 250.000 Euro für 20 Prozent der Anteile einsteigt. Und das zweite „Kleiner-Alltagshelfer-Produkt“ nach dem Sporthandtuch wird auf bewährtem Weg erprobt. Auf Kickstarter läuft gerade die Kampagne für eine Uhr mit besonderem Tragekomfort. Das Interesse, sagt Rieper, sei noch größer als damals am Towell+.