Hamburg . Tat machte das Gericht fassungslos. Eine alte Dame wurde in Wilhelmsburg gefoltert, geknebelt und ausgeraubt. Die 84-Jährige erstickte.

Für einentödlichen Überfalls auf eine Seniorin in Wilhelmsburgmuss ein 43-Jähriger lebenslang ins Gefängnis. „Nach unserer Überzeugung hat sich der Angeklagte des Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge (...) schuldig gemacht“, sagte der Vorsitzende der Strafkammer am Landgericht, Wolfgang Backen, am Freitag. Der 43-Jährige habe die alte Frau am 17. Juni 2014 zusammen mit mindestens zwei Komplizen aus Habgier heimtückisch in ihrer Wohnung überfallen. Er habe die 84-Jährige mit so großer Gewalt geknebelt, dass sie erstickte. Zuvor hätten die Räuber sie noch gefoltert, um das Versteck für Tresorschlüssel und die PIN-Nummern von Geldkarten zu erfahren.

Der Raub sei geplant gewesen und mit einer Gewalt verübt worden, die weit über das Maß hinausging, das zur Ruhigstellung des Opfers erforderlich gewesen wäre. „Stattdessen folterte man sie regelrecht, was die zahlreichen Verletzungen belegen“, sagte der Vorsitzende Richter. Bei der Knebelung sei der Mundwinkel der Frau acht Zentimeter lang aufgerissen, sie habe stark geblutet.

Angeklagter saß bereits in Polen im Gefängnis

Die 84-Jährige habe sich noch heftig gewehrt, den Angeklagten gekratzt und mindestens zweimal um Hilfe geschrien. Die Täter hätten ihr zudem eine Decke so fest um den Hals geschlungen, dass sie am Kehlkopf Verletzungen erlitt. „Hier musste eine alte, gebrechliche Frau unter ganz fürchterlichen Umständen sterben“, sagte Backen.

Der Angeklagte, der schon in Polen lange im Gefängnis saß, sei Ende 2013 oder Anfang 2014 nach Deutschland gekommen und habe „freiwillig wie ein Sklave“ bei einer Großfamilie gelebt. Er selbst hatte vor Gericht erklärt, als Packer gearbeitet zu haben, sein Lohn sei aber bis auf etwa 50 Euro im Monat einbehalten worden. Obwohl die Familie, aus der auch die Komplizen kommen sollen, über ihn bestimmte, hätte er nach Einschätzung der Strafkammer nicht an dem Verbrechen teilnehmen müssen.

Er nahm die alte Dame in den Schwitzkasten

Es sei die Idee des Angeklagten gewesen, abends über den Balkon in die Wohnung einzusteigen. Im Wohnzimmer sei er auf die Frau getroffen und habe sie in den Schwitzkasten genommen. Nach der Knebelung habe der 43-Jährige sie ins Badezimmer geschleppt, auf den Boden gelegt und mit einer Wolldecke über ihr sie gelegt. Anschließend durchsuchten die Täter die Wohnung nach Wertsachen. Sie stahlen Schmuck im Wert von 10 000 Euro sowie eine EC- und eine Kreditkarte, ein Silberbesteck, 800 Euro in bar und weitere Gegenstände.

Als sie den Tod der Frau bemerkten, flüchteten sie aus der Wohnung, hieß es weiter. Die Angaben des Angeklagten, er habe die Frau alleine überfallen und sie nicht getötet, bezeichnete Backen als unglaubwürdig.

Menschlicher Abgrund macht Gericht fassungslos

Der 43-Jährige habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die alte Frau bei dem Überfall sterben könnte, habe diese Risiko aber billigend in Kauf genommen. Die Täter seien mit Absicht zu einer Zeit in die Wohnung eingedrungen, als die 84-Jährige zu Hause war, weil sie ihr das Versteck der Tresorschlüssel und die PIN-Nummern abpressen wollten.

Der menschliche Abgrund, den die Tat offenbare, mache das Gericht fassungslos, sagte Backen. Seine Urteilsbegründung hatte er mit den Worten eingeleitet: „Es gibt Straftaten, bei denen selbst eine Schwurgerichtskammer noch eine Gänsehaut bekommt.“ Die Wahrheit tue sehr weh, sagte er an die Nebenkläger gewandt. Der Tochter und dem Sohn des Opfers flossen die Tränen. Der Angeklagte nahm das Urteil mit gesenktem Blick entgegen.

Gegen drei mutmaßliche Mittäter, zwei Männer im Alter von 26 und 25 Jahren sowie eine 23-jährige Frau, läuft seit über einem Jahr ein Prozess vor einer anderen Strafkammer des Landgerichts. Es sind dort noch Termine bis Dezember angesetzt.