Hamburg. Bundesverkehrsminister plant ab 2017 neue Richtlinie für Traditionsschiffe. Betreiber bangen nun um die Existenz der Hafen-Lieblinge.
Sie sind historische Schmuckstücke und gelten als Publikumslieblinge bei maritimen Großveranstaltungen: Ohne Traditionsschiffe wie dem Hamburger Eisbrecher „Stettin“, dem Schlepper „Fairplay VIII“ oder dem Lotsenschoner „No. 5 Elbe“ wäre der Hamburger Hafengeburtstag sicher nur halb so schön. Und auch beim neuen Elbfest, das an diesem Wochenende Premiere feiert, sind die historischen Schiffe ein fester Bestandteil.
Doch der Fortbestand von 105 Traditionsschiffen in Deutschland ist massiv gefährdet. Das befürchtet die Gemeinsame Kommission für historische Wasserfahrzeuge (GSHW), der Dachverband von Traditionsschiff-Betreibern. Im Volksmund werden als Traditionsschiffe ältere Schiffe und Boote bezeichnet, die weitgehend in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten sind oder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt wurden. Außerdem ist Traditionsschiff ein Begriff für ältere oder traditionell betriebene Schiffe, die zum Erhalt der Schifffahrtstradition bislang erleichterte Auflagen für Sicherheitszeugnisse und Befähigungszeugnisse der Besatzungsmitglieder erfüllen müssen.
Dobrindts Sicherheitsrichtlinie bietet Grund zur Sorge
Grund für die Sorge ist der 146 Seiten umfassende Entwurf einer schärferen Sicherheitsrichtlinie für Traditionsschiffe von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), die am 1. Januar 2017 in Kraft treten soll. „Unumstritten ist, dass wir neue Sicherheitsvorschriften brauchen. Aber sollte der Entwurf so umgesetzt werden, wird ein Großteil der mehr als 100 historischen Schiffe stillgelegt werden müssen“, sagt GSHW-Vizechef Nikolaus Kern dem Abendblatt. „Das wäre dramatisch und ein großer Verlust für den Norden.“
GSHW kritisiert aufwendigen Umbau
Seit dem 26. August liegt der GSHW der Entwurf des Verkehrsministeriums vor. „Bis zum 5. Oktober haben wir Zeit, eine Stellungnahme abzugeben“, so Kern. Er hofft dadurch, Änderungen zu erreichen. Die GSHW kritisiert vor allem die in dem Entwurf gestellten Forderungen zum Bau und Betrieb der Oldtimer.
„Die Traditionsschiffe müssten laut Verordnung sehr aufwendig und für viel Geld umgebaut werden, was so nicht umsetzbar ist“, sagt Kern. Es müssten etwa künftig Schotten eingebaut werden. „Das wäre nur unter einem wahnwitzigen Aufwand möglich“, so Kern. „Nach der Einschätzung des Verkehrsministers kostet das zwar nur 6000 Euro pro Schott, aber diese Schätzung ist unzutreffend.“ Er geht mindestens von einem fünfstelligen Betrag aus.
Traditionsschiffe auf Fahrten angewiesen
Auch die neue Vorschrift, dass alle Holztreppen an Bord mit Stahl unterlegt werden sollen, trage dazu bei, dass die meisten Traditionsschiffe von den Küsten verschwinden würden. Alarmierend seien zudem die höheren Anforderungen an die Besatzung. „Die meisten Besatzungsmitglieder sind Ehrenamtliche im Rentenalter“, so der GSHW-Vizechef. Diese könnten es weder zeitlich noch finanziell leisten, die geforderten Lehrgänge zu absolvieren. „Die Folge wäre, dass Schiffe nicht mehr besetzt werden können.“
Er sieht die Gefahr, dass den Traditionsschiffen nun letztlich der Verfall bevorsteht. „Die Schiffe müssen unterhalten und gepflegt werden. Das kostet Geld, das mit Fahrten wie Tagestouren oder Klassenfahrten eingenommen wird“, erläutert Kern.
Bis zu 20 Traditionsschiffe sind im Hamburger Hafen
Weniger dramatisch sieht die Stiftung Hamburg Maritim den Entwurf des Bundesverkehrsministers. „Das generelle Aus der Traditionsschiffe, von denen zwölf bis 20 im Hamburger Hafen liegen, sehen wir nicht“, sagt Alexandre Poirier von der Stiftung Hamburg Maritim, die den Entwurf ein wenig anders interpretiert als die GSHW.
Poirier weist darauf hin, dass mit der neuen Richtlinie nicht automatisch alle Traditionsschiffe umgebaut werden müssten. „Schiffe, die bis 2012 ein gültiges Sicherheitszeugnis vorlegen können, haben Bestandsschutz“, sagt er. Und auch Schiffe, die nie ein Schott hatten, müssten nicht plötzlich eines einbauen lassen. „Es geht um Schiffe, bei denen mal ein Schott ausgebaut worden ist, um einen größeren Innenraum zu bekommen.“
Stiftung Hamburg Maritim wünscht konkretere Richtlinien
Eine richtige Forderung von Dobrindt sei auch, mehr Sicherheit für Besatzung und Passagiere zu schaffen. „Schließlich werden hier Personen befördert“, sagt Poirier. „Jedoch müssen geeignete Übergangsphasen geschaffen werden“, räumt der Projektingenieur ein.
Zudem seien die neuen Vorschriften für kleine Schiffe nicht angemessen. „Die Richtlinien sollten differenzierter, konkreter sein.“ Zum Beispiel müssten Schiffsgröße und Fahrtgebiet berücksichtigt werden. Poirier: „Kleinere Betreibervereine müssten ansonsten tatsächlich große Anstrengungen unternehmen, um dem Betrieb aufrecht zu erhalten.“