Hamburg . SPD-Politiker Holstein kümmere sich nur um Großereignisse, klagen Vereine. Amateursport leide unter immer schlechteren Bedingungen.

Erst das Olympia-Aus, dann die Abmeldung der Profi-Teams des HSV Handball, der Aurubis- Volleyballerinen und der Eishockey-Mannschaft der Freezers – und nun beschweren sich auch noch die Amateure über eine angebliche Vernachlässigung des Breitensports. Der Senat steht ein Dreiviertel-Jahr nach dem Nein der Hamburger zu Olympischen Spielen mit einer bitteren Sport-Bilanz da. Dieser Tage beklagen besonders die Amateursportler die aus ihrer Sicht immer schlechter werdende Bedingungen.

Was wird mit den Groß-Veranstaltungen?

Ins Kreuzfeuer der Kritik gerät dabei der eigens für die Olympia-Bewerbung von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) berufene Sportstaatsrat Christoph Holstein (SPD). Vertreter von Breitensportvereinen werfen ihm vor, sich vorrangig um Groß-Veranstaltungen zu kümmern und die Probleme der Amateure zu vernachlässigen. So reagierte die Behörde für Inneres und Sport etwa auf die jüngsten Probleme des FC Teutonia 05 tagelang mit nichts als Schweigen. Wie berichtet, muss Teutonia bis zu ein Dutzend Mannschaften abmelden, weil sich nach der Verlegung von Kunstrasen Anwohner über Lärm beschwert haben. Sportstätten seien Sache der Bezirke, hieß es aus dem Hause von Innen- und Sportsenator Andy Grote (SPD) lakonisch.

Dabei ist dies längst nicht der einzige Fall, in denen der Breitensport sich mehr Unterstützung von Sportsenator und Sportstaatsrat wünschen würde. Geklagt wird auch über fehlende Hallen, ganze Stadtteile ohne Angebote für den Breitensport, ungenügende Möglichkeiten für Schwimmtraining oder faktische Kürzungen etwa bei Fahrgeldern. Deswegen ist der Unmut der Breitensportler mittlerweile in eine generelle Kritik gemündet.

Behindertensportverband: "So geht das nicht!"

„Wir haben den Eindruck, dass sich die Stadt nach der gescheiterten Olympiabewerbung nur noch um Großsportveranstaltungen kümmert, um weiter den Anspruch zu begründen, Hamburg sei eine Sportstadt. Hier geht es nur um die Außenwirkung“, sagte Thomas Fromm, Vorsitzender des Behindertensportverbandes Hamburg und Vizepräsident Breitensport des Hamburger Sportbundes dem Abendblatt. „Die Förderung des allgemeinen Sports, der den Bürgern zugute kommt, wird dagegen vernachlässigt.

Als Beispiel sei die HafenCity genannt, die über keine angemessene Sportstätte verfügt, oder der Aufnahmestopp im Kinder- und Jugendfußball, weil zu wenige Fußballplätze zur Verfügung stehen. So geht es nicht weiter.“

Fechner: Bei Stadtplanung Sportflächen berücksichtigen

Ähnlich äußert sich Frank Fechner, Vorsitzender des Eimsbüttler Turnverbandes (ETV). Er kritisiert vor allem, dass bei der derzeitigen Nachverdichtung der Stadt nicht genügend Sportflächen eingeplant würden. „Bei der Stadtentwicklung müssen die notwendigen Sportflächen für die neuen Bewohner mitgeplant werden, das ist in der Vergangenheit leider selten passiert“, so Fechner. „In der HafenCity ist es nicht gelungen. In der Mitte Altona soll der Status Quo an Sportflächen ausreichen, um 15.000 Menschen mit Sport zu versorgen. Das ist viel zu wenig“, so Fechner. Wenn Sportflächen nicht zu Beginn geplant würden, dann würden sie nie mehr eingerichtet, da der „Verwertungsdruck“ zu hoch sei.

Markus Werner, Vorstand des vor allem im Behindertensport aktiven Alstersport e. V. kritisiert, dass sein Verein kaum Wasserzeiten in öffentlichen Bädern bekomme. „Ich wünsche mir von unserem Sportsenator ein erheblich stärkeres Engagement zur Förderung unserer ehrenamtlichen Arbeit im Behindertensport“, so Werner.

Kritik kommt auch von der Opposition. „Christoph Holstein ist bis heute den Nachweis schuldig geblieben, dass er das Amt des Sportstaatsrats sinnvoll und für Hamburg erfolgreich ausfüllen kann“, sagt CDU-Fraktionschef Andre Trepoll. „Die sportpolitische Bilanz in seiner Amtszeit ist verheerend. Hamburg erlebt einen beispiellosen Niedergang beim Profisport, der Traum von Olympia ist geplatzt und der Breitensport ist durch Rot-Grün chronisch unterfinanziert. Nicht nur für den Behindertensport bedeutet der neue Sportfördervertrag sogar erhebliche Leistungseinschnitte.

Sportstadt Hamburg steckt in einer Krise

“ Insgesamt stecke „die Sportstadt Hamburg in einer handfesten Krise“. Statt „endlich die Probleme anzupacken“, sei Holstein „lieber zusammen mit seinem Senator für 50.000 Euro nach Rio geflogen, um sich mit Sportfunktionären zu treffen und im Stadion feiernd ablichten zu lassen“. Schaue man sich „das mehr als bescheidene Ergebnis der Reise an, ist es kein Wunder, dass sich viele Ehrenamtliche in Hamburgs Sportverbänden inzwischen alleingelassen fühlen“, so Trepoll. „Hamburg braucht keine sportpolitischen Grußonkel, sondern einen Staatsrat, der die Sportstadt wieder auf Kurs bringt.“

FDP-Sportpolitiker Daniel Oetzel sagte: „Entweder der Staatsrat bekommt mehr Kompetenzen, oder man kann den Posten abschaffen.“ Gerade im Breitensport könne Holstein „als Ansprechpartner für Vereine viel anstoßen“, so Oetzel. „Als reinen Repräsentanten brauchen wir ihn nicht.“

Holstein: Hamburg braucht die "gesamte Bandbreite"

Holstein selbst sagte, man dürfe „Breiten- und Spitzensport und Sportgroßveranstaltungen nicht gegeneinander ausspielen“. Hamburg brauche „die gesamte Bandbreite“. Den Vorwurf, der Breitensport bekomme zu wenig Geld, wies der Sportstaatsrat zurück. Der Sportfördervertrag umfasse fast zehn Millionen Euro pro Jahr. Zudem seien seit 2011 rund 140 Millionen in Schulsporthallen investiert worden. „Sport ist die verbindende Kraft, die alle unterschiedlichen Gruppen der Gesellschaft zusammenbringt“, so Holstein. Es sei auch sein Job, „den Mehrwert des Sports für die Stadt zu vermitteln“.