Hamburg. Nach einer Studie werden Eigentumswohnungen in Hamburg noch deutlich teurer. Stadtteil Billstedt gilt als Geheimtipp.
Keine Stadt in Deutschland wächst schneller als Hamburg. Immer mehr Menschen drängen an Alster und Elbe. So stieg die Einwohnerzahl in den Jahren 2000 bis 2015 um sieben Prozent, rund 117.000 Neu-Hamburger siedelten sich hier an, noch stärker nahm die Zahl der Haushalte zu: um 124.000. Das hat gravierende Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt, wie eine Studie der Postbank „Wohnatlas Hamburg 2016“ zeigt, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt.
In den vergangenen fünf Jahren sind die Preise für Eigentumswohnungen aus dem Bestand danach um 70 Prozent gestiegen, wobei es zwischen den Stadtteilen sehr große Unterschiede gab. „Wer in Hamburg den Traum von den eigenen vier Wänden verwirklichen will, der sollte jetzt nicht mehr allzu lange warten“, sagt Jens Blohm, Direktor Immobilien bei der Postbank Immobilien GmbH in Hamburg. „Denn wachsende Bevölkerung und steigende Wirtschaftskraft werden die Immobilienpreise bis 2030 voraussichtlich noch einmal um bis zu 50 Prozent steigen lassen.“ Ein Ende des Immobilien-Booms ist noch nicht abzusehen.
Preise in Rothenburgsort besonders stark gestiegen
„Hamburg profitiert vom Zuzug und dem wachsenden Angebot an Arbeitsplätzen“, sagt Studienautor Michael Bräuninger, Leiter des Economic Trends Research (ETR). So nahm auch die Erwerbstätigkeit in den vergangenen fünf Jahren um 15 Prozent zu. „Die Einwohnerzahlen werden weiter steigen“, sagt Bräuninger. „Unter Einbeziehung der Flüchtlinge ist mit weiteren 108.000 neuen Einwohnern bis zum Jahr 2030 zu rechnen.“
Für weiter steigende Preise sprechen noch andere Faktoren. Der Anteil der Hochqualifizierten unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wird von 22 auf 37 Prozent zunehmen. Verbunden damit sind höhere Einkommen, mit denen auch höhere Preise und Mieten finanziert werden können. „Gleichzeitig wird von dieser Gruppe die Immobiliennachfrage angeheizt“, sagt Bräuninger. Auch der hohe Anteil an Ein-Personen-Haushalten, der heute schon bei 52,6 Prozent liegt, treibt die Wohnungsnachfrage an. Überdurchschnittlich viele Ein-Personen-Haushalte leben in den Stadtteilen Barmbek-Nord (71,1 Prozent), Eimsbüttel (68 Prozent) und Winterhude (66,1 Prozent), so die Studie.
Die deutlich steigende Wohnungsnachfrage trifft auf einen Markt, in dem die Wohnungsversorgungsquote schon sehr gering ist. Auf 100 Haushalte kommen in der Hansestadt nur 92 Wohnungen. Das ist im Vergleich deutscher Städte aus dem Postbank Wohnatlas die schlechteste Wohnversorgungsquote. „Die Lage wird sich auch durch eine Steigerung der Bautätigkeit kaum verbessern“, sagt Bräuninger. Aufgrund des bestehenden Mangels und der wachsenden Haushaltszahlen besteht bis 2030 ein jährlicher Neubaubedarf von mehr als 11.000 Wohnungen, wobei mehr als 1000 Einheiten pro Jahr für Flüchtlinge benötigt werden.
Der Flüchtlingszuzug hat keinen unmittelbaren Einfluss auf den Kaufpreis von Immobilien, aber er ruft sogenannte Kaskadeneffekte hervor. So führt der höhere Bedarf an preisgünstigem Wohnraum zu Engpässen im Bereich der geförderten Wohnungen. Das wiederum zieht Ausweicheffekte nach sich: Die Nachfrage nach teureren Mietwohnungen steigt, das Mietniveau zieht an und mit ihm auch die Nachfrage nach Eigentumswohnungen und Häusern, was wiederum die Kaufpreise treibt.
Bei der Preisentwicklung wurden für die Studie die Daten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte herangezogen. „Damit wurden die tatsächlichen Preise aus den Verkaufsverträgen berücksichtigt und nicht irgendwelche Kaufpreisforderungen aus Immobilienanzeigen“, sagt Bräuninger. „Wir haben uns auf Eigentumswohnungen aus dem Bestand konzentriert, die aber in Größe und Ausstattung stark voneinander abweichen können.“
In den vergangenen fünf Jahren sind die Preise vor allen in den Stadtteilen überdurchschnittlich gestiegen, die sich nicht durch ein sehr hohes Preisniveau auszeichnen und zum Teil kaum im Fokus der Immobilienkäufer lagen wie Rothenburgsort, Dulsberg oder Ohlsdorf. In zwölf Stadtteilen liegt die Preissteigerungsrate über dem Durchschnitt von 70 Prozent. Spitzenreiter ist Rothenburgsort mit einer Preissteigerung in Höhe von 138 Prozent, gefolgt von der Sternschanze (111 Prozent), Dulsberg (92 Prozent) und Stellingen (85 Prozent). „Hier beobachten wir zum Teil Aufholeffekte bisher relativ günstiger Stadtteile. Darunter könnten die Hotspots von morgen sein“, sagt Postbank-Experte Blohm. Noch sei Wohnraum trotz Preissteigerungen dort günstig zu haben. Im Schnitt 2889 Euro kostete der Quadratmeter 2015 in Rothenburgsort und 2516 Euro in Dulsberg. In der Sternschanze hat der Aufholprozess schon zu Preisen von 4878 Euro geführt.
Rothenburgsort gilt neben Teilen von Billstedt derzeit als Geheimtipp für Standorte mit weiterem deutlichen Wertsteigerungspotenzial und noch gut finanzierbarer Kaufpreise. „In Billstedt sind das die Lagen um den Schiffbeker Weg und den Öjendorfer See“, sagt Andreas Gnielka, Bereichsleiter Wohnimmobilien des Maklerunternehmens Grossmann & Berger. In Billstedt sind die Preise von 2010 bis 2015 um 49 Prozent gestiegen. Dennoch sind hier in den speziellen Lagen noch Eigentumswohnungen aus dem Bestand für unter 3000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche erhältlich. Rothenburgsort zeichne sich durch seine Nähe zur Innenstadt, die Wasserlage und den hohen Grünflächenanteil aus, sagt Gnielka. Von der hohen prozentualen Preissteigerung dürften sich Käufer nicht verunsichern lassen.
Bramfeld und Schnelsen als interessante Standorte
Weitere Stadtteile mit noch Preisen von weniger als 3500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche und weiterem Wertsteigerungspotenzial sind nach Gnielkas Einschätzung Eilbek (plus 69 Prozent in fünf Jahren), Bramfeld (44 Prozent), Schnelsen (46 Prozent) und Heimfeld (48 Prozent). „In Eilbek gehen die Preise jetzt schon in Richtung 3500 Euro je Quadratmeter“, sagt Gnielka. Angebotene Wohnungen seien nach sechs Wochen verkauft. Früher dauerte die Vermarktung drei Monate. Bramfeld und Schnelsen können künftig von Infrastrukturprojekten profitieren. In Schnelsen ist das der Deckel über die A 7, der für weniger Lärm sorgt. Auch die geplante U 5 nach Bramfeld könnte die Preise dort noch deutlich steigen lassen. „Auch über die Elbe lohnt ein Blick“, sagt Gnielka. „Heimfeld profitiert von der Nähe zum Zentrum von Harburg und der grünen Lage“, sagt Gnielka. Allein innerhalb eines Jahres seien dort die Preise um acht Prozent gestiegen. Ein deutliches Zeichen für den Aufholeffekt unterbewerteter Stadtteile. Die Preise für Eigentumswohnungen aus dem Bestand liegen hier zwischen 2500 und 3000 Euro je Quadratmeter.
Kein Vergleich zu den teuersten Lagen der Stadt, die die Postbank-Studie in Harvestehude (7207 Euro je Quadratmeter), HafenCity (6784 Euro), Uhlenhorst (5550 Euro) und Rotherbaum (5321 Euro) ausgemacht hat. „Knapp 30 Prozent Preissteigerung in den letzten fünf Jahren in der HafenCity und Rotherbaum zeigen, dass dort die Preise nicht mehr so stark steigen“, sagt Bräuninger. Harvestehude und Uhlenhorst verteuerten sich zwar um satte 57 Prozent, blieben aber auch unter dem Durchschnittswert von 70 Prozent.