Hamburg. Serie Teil 14: Was wurde aus den Gewinnern des Gründerpreises? Die Agentur KemperTrautmann feierte Erfolge. Dann kam es zum Streit.

Das Haus in Rio de Janeiro hatte er schon ein Jahr zuvor gemietet. Olympische Spiele live zu erleben würde seine Sicht auf den Sport verändern, hatte ihm ein Freund gesagt. Mit Fernsehen nicht zu vergleichen. „Erst dachte ich, was für ein Spinner. Nun weiß ich, er hatte recht“, sagt Michael Trautmann.

Denn zurückgekommen ist er aus Brasilien wegen der Hitze nicht nur mit raspelkurzen Haaren und einem Korb voller Erinnerungen an besondere Momente, sondern auch mit einer grundlegenden Erkenntnis. „Die Hamburger haben mit der Ablehnung, Gastgeber für die größte Sportveranstaltung der Welt sein zu wollen, eine Jahrhundertchance liegen gelassen“, sagt der Werbe-Manager. „Es macht mich traurig, wenn ich daran denke, was wir an möglichen Erlebnissen und Gefühlen verpasst haben.“

Doch Volkes Stimme hat entschieden, und Trautmann (51) kann das leichten Herzens akzeptieren. Gewissermaßen hat er seinen persönlichen Hochleistungssportler mit nach Hause gebracht: Moritz Fürste, in Rio zurückgetretener und mit einer Bronzemedaille gekürter Hockey-Nationalspieler, wird sich nun noch mehr als bisher bei Trautmanns Agentur Thjnk als Sportmarketingchef engagieren.

„Sportler sind leistungsbereit, können sich selbst motivieren und organisieren, und sie haben Mut“, sagt Trautmann. „Deshalb ist Fürste genau der richtige Mann, damit dem Sport die Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, die er verdient.“ Der Hamburger Promisportler soll dazu beitragen, neue Kunden und Aufträge aus der attraktiven Sportbranche zu akquirieren – so wie das die Konkurrenz von Jung von Matt mit den Ex-Fußballspielern Christoph Metzelder und seinem weiblichen Pendant Katja Kraus, ehemals Vorstand beim HSV, bereits praktisch vorlebt.

Die Gründer sind zu verschieden

Zwölf Jahre ist es mittlerweile her, dass sich Trautmann, damals noch mit Partner André Kemper, mit einer Agentur namens KemperTrautmann selbstständig machte. Den Firmennamen mit den Chefs zu assoziieren ist üblich in der Werbebranche.

Zwei Jahre später wurden die Werbe-Profis, die zuvor schon bei namhaften Unternehmen gearbeitet hatten, mit dem Preis für „Existenzgründer“ ausgezeichnet. „Wir fühlten uns sehr geehrt“, sagt Trautmann, während er seine Gäste entspannt im mintgrünen Polohemd zu blau-orangefarbenen Turnschuhen im vor einem Jahr neu bezogenen Bürogebäude gegenüber des Baumwalls empfängt. Alle größeren Räume sind belegt, also findet das Gespräch im kleinen Glaskasten am Ende des Flures statt. Agentur-Coolness eben.

„Es war der erste branchenfremde Preis für uns“, sagt Trautmann. Das sei schon erstaunlich gewesen. Schließlich habe das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt keinen einzigen Hamburger Kunden betreut. Dennoch habe die Ehrung natürlich weitergeholfen und sei ein gutes Imageboost gewesen. In den Folgejahren ging es für die Werbeagentur mit den beiden so unterschiedlichen Männern an der Spitze stetig bergauf.

Dem ersten Kunden Media Markt folgten die Commerzbank, Henkel und Audi. Trautmann, der Quereinsteiger und Sicherheitsfan, der nach dem BWL-Studium erst einmal für ein paar Jahre in die Unternehmensberatung gegangen war, und André Kemper, der geniale Kreative und Unangepasste, der seit seinem 20. Lebensjahr nichts anderes wollte, als irgendwann prägender Teil der kreativen Werbeszene zu sein, rockten die Konkurrenz mit ihrer Neugründung, die schon bald auch internationale Preise für ihre Kampagnen abräumte. „Natürlich haben wir beide schnell festgestellt, dass wir in vielen Dingen völlig anders ticken“, erinnert sich Trautmann an die Anfangsjahre.

Wäre es gelungen, die Stärken des anderen zu nutzen und die Schwächen auszugleichen, wären sie ein perfektes Team gewesen. Stratege stützt Abenteurer. Polarisierer nimmt Abwäger mit. „Wir haben lange darum gerungen, gemeinsam weiterzumachen. Und uns dann doch dagegen entschieden. Für das bessere Ergebnis – für jeden von uns.“

Die Trennung regeln am Ende Rechtsanwälte

Die Trennungsmodalitäten beschäftigten anschließend nicht nur Rechtsanwälte, sondern auch die beobachtende Branche. Schließlich war Kemper nicht nur für kreative Ideen bekannt, sondern hatte 2014 auch mit einer kleinen Prügelei auf dem Wiener Opernball für Aufsehen gesorgt. Was also steht einem schillernden Agentur-Gründer und Aufsichtsrat an Abfindung zu, wenn er geht und sein Baby zurücklässt? „Wir haben uns geeinigt“, sagt Trautmann, der ohne erkennbaren Groll darüber reden kann. „Und zwar so, dass wir uns noch gegenseitig zum Geburtstag anrufen, und wenn wir uns mal auf der Straße treffen, auch in den Arm nehmen. Wir wissen beide, ohne den anderen hätten wir das nicht hingekriegt.“

Weil sich das Auseinandergehen lange angedeutet hatte, war die Hereinnahme der beiden Top-Werber Karen Heumann und Armin Jochum mehr als nur das geplante Auffüllen einer Lücke in der Führungsetage. Zwar ist das Abwerben von wichtigen Leuten in der Agenturbranche üblich, doch gleich zwei Vorstände vom Konkurrenten Jung von Matt zu ködern führte zu einigem Beben in der Szene. Der Rest war Abwicklung. „André hatte die Idee zur Agenturgründung, ich die Lösung, wie wir wieder auseinandergehen können. Das haben wir geschafft. Sauber und ohne Wunden.“

Damals, 2004, haben sie mit sieben Mitarbeitern und offiziell null Kunden angefangen. Heute stehen 350 Mitarbeiter in weltweit sechs Städten auf den Gehaltslisten. Und mit Uli Pallas ist ein dritter Partner im Vorstand hinzugekommen. „Trotz des hohen Wettbewerbsdrucks sind wir 2015 um 30 Prozent gewachsen. Unser Umsatz betrug 36 Millionen“, sagt Trautmann. Angaben zum Gewinn gibt es nicht. Nur so viel: Angesichts einer sich hin zur digitalen verändernden Werbewelt sowie Kunden, denen Kostendrücken zur zweiten Natur geworden ist, ist die Situation in der Agenturszene nicht leicht.

Kürzlich haben sie den vierten Geburtstag ihrer Agentur gefeiert. „Die Umbenennung 2012 war wichtig, weil wir uns auf Sicht zwar weg von den Namen hin zu einer eigenständigen Marke entwickeln wollen. Doch als Karen Heumann und Achim Jochum zu uns kamen, war es Teil des Deals, dass ihre Namen dazukamen.“ Also T für Trautmann, H für Heumann, J für Jochum und K nach dem Ausscheiden von Kemper für Kollegen. 30 von ihnen haben es geschafft und sind Partner mit Eigenverantwortung. Das funktioniert allerdings nur, wenn man Kontrolle abgeben kann.

Ehefrau verzichtet eigene Karriere

„Das habe ich gelernt“, sagt Trautmann. Ebenso wie Kritik anzunehmen. „Ich dachte immer, ich sei offen dafür. Aber dann häuften sich Ansagen wie, mit dir zu diskutieren hat ja sowieso keinen Zweck. Das will ich ändern. Ich hoffe, es ist noch kein Altersstarrsinn.“

Perspektivisch will er auch sein Arbeitspensum reduzieren. Mal nicht immer verfügbar sein, unter Druck stehen, wie es für ihn in den vergangenen Jahrzehnten erst als Unternehmensberater, dann bei Springer & Jacoby, später in der Industrie als Marketingchef bei Audi und heute als Selbstständiger normal ist. Dass er, wie einige gute Bekannte und der ein oder andere Manager-Kollege nie auch nur in die Nähe von Ausgebranntsein geriet, schreibt er seinem Naturell zu. „Ich laufe zwar bei positivem Stress zu Höchstleistungen auf. Aber egal, wie stressig es ist, schlafen kann ich immer und fast überall.“

Die starke Frau im Hintergrund ist Ehefrau Franziska, ehemalige Grundschullehrerin und seit ein paar Jahren ausgebildete Schamanin. „Ohne sie und ihren Verzicht auf eine eigene Karriere hätte ich das nicht geschafft“, sagt Trautmann.

Auch die Söhne, Oskar (20) und Moritz (17), profitierten von dieser eher traditionellen Rollenverteilung. „Wenn es mal Frauen an ihrer Seite gibt, dann werden meine Frau und ich ihnen dennoch raten, nicht ganz aufzuhören zu arbeiten. Das ist wichtig“, sagt der Vater und verweist darauf, dass der Frauenanteil in der Agentur höher sei als der der Männer. „Und das nicht nur als Feigenblatt. Denn auch unter Führungskräften bleibt die Quote hoch. Sprecherin des Vorstandes ist Karen Heumann.“ Ei­gentlich nicht der Rede wert.