Hamburg. Einen Ausweis beantragen oder den Wohnsitz anmelden sollen Bürger bald im Internet. Ver.di kritisiert Strategiepapier „Digital first“.
Wenn diese Strategie umgesetzt wird, käme das einer Revolution in den Behörden gleich: Der rot-grüne Hamburger Senat möchte die städtische Verwaltung zu einem digitalen Dienstleister umbauen. Behördengänge sollen „weitgehend überflüssig werden“.
Hamburger sollen individuelles „Servicekonto“ erhalten
Wie aus dem noch geheimen Strategiepapier „Digital first“ hervorgeht, soll jeder Bürger ein „Servicekonto“ im Internet erhalten, über das er praktisch alle relevanten Vorgänge regeln kann: einen Wohnsitz anmelden, einen Ausweis beantragen, ein Gewerbe anmelden oder Karten für städtische Theater buchen.
Eventuell soll das Servicekonto auch für Angebote privater Dritter geöffnet werden – auch, um die Bürger an die Benutzung zu gewöhnen. Dabei sollen einmal eingegebene Daten gespeichert und für alle weiteren Vorgänge genutzt werden können. Auch Gebühren sollen über die Plattform online beglichen werden können.
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Zudem soll die Verwaltung „proaktiv“ handeln: Zum Beispiel sollen alle anspruchsberechtigten Eltern den Kita-Gutschein für ihr Kind automatisch erhalten und nicht erst umständlich beantragen müssen. Generell gilt die Maßgabe: Was die Technik kann, soll sie auch übernehmen. Am Ende steht das Leitbild: „Der Gang zum Amt ist nicht mehr erforderlich.“
Ver.di befürchtet fehlenden persönlichen Kontakt
Nach Auskunft von Carsten Brosda (SPD), Staatsrat für Kultur, Medien und Digitales, ist die Drucksache noch in Abstimmung. „Ich bin aber zuversichtlich, dass das Strategiepapier im Grundsatz so beschlossen wird.“ Über das Servicekonto sollten auf jeden Fall die klassischen Angebote der Verwaltung zugänglich gemacht werden, sagte Brosda. „Darüber hinaus sind viele weitere Schritte denkbar.“ Es müssten aber nicht alle städtischen Einrichtungen von Anfang an dabei sein.
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Zwar soll die neue Plattform konsequent aus Sicht des Nutzers gestaltet werden, und es soll für Bürger weiter möglich sein, die Verwaltung persönlich zu kontaktieren. Dennoch sieht die Gewerkschaft Ver.di das Konzept „Digital first“ kritisch: „Viele Menschen legen Wert auf persönlichen Kontakt, auch im Verhältnis zu Behörden“, sagte Sieglinde Frieß, Leiterin des Ver.di-Fachbereichs Bund, Länder und Gemeinden.
„Auf sie wirkt der Name ,Digital first‘ abschreckend. Warum nicht ,Digital mit menschlichem Antlitz‘?“ Frieß bezweifelt auch, dass sich mit der Strategie Personal und damit Geld sparen lässt.