Hamburg. Der frühere Bürgermeister erlag einer tückischen Tumorerkrankung. Henning Voscherau prägte das Gesicht der Stadt.

Er war ein Visionär, gleichzeitig ein Macher – und bisweilen etwas ironisch. Henning Voscherau, ein Sozialdemokrat von der Sohle bis zum Scheitel, aber eben auch Hanseat, wirtschaftsfreundlich und deshalb manchmal im Clinch mit der SPD. Zuletzt wussten wenige von seiner schweren Erkrankung. Und jetzt war es für viele Beobachter ein Schock: Denn Hamburgs früherer Erster Bürgermeister Henning Voscherau ist tot. Er starb in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch im Alter von 75 Jahren im Kreis seiner Familie. Todesursache war die Folge eines Hirntumors. Hamburg trauert um einen bedeutenden Sohn der Stadt.

Der NDR änderte sein Abendprogramm am Mittwoch und erinnerte in einer Sondersendung nach der Tagesschau ab 20.15 Uhr an Henning Voscherau.

Der amtierende Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) würdigte die Verdienste Voscheraus und nannte ihn einen "sorgenden Landesvater". SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte: „Mit Henning ist ein ganz großer sozialdemokratischer Hanseat von uns gegangen.“ Justizminister Heiko Maas erklärte: „Klar in der Ansprache, solidarisch im Handeln, hanseatisch korrekt. Trauere mit Hamburg um Henning Voscherau.

Der Nachruf von Peter Ulrich Meyer

Voscherau, der sich nach seiner Erkrankung und einer Operation aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte, war von 1988 bis 1997 Erster Bürgermeister. Der Sozialdemokrat galt als eine intellektuell beflissene, aber dennoch pragmatische, anpackende Persönlichkeit. Und: Voscherau gilt als Vater der HafenCity. Er stellte 1997 im letzten Jahr seiner Amtszeit die Pläne für die Erweiterung der Stadt Richtung Hafen vor.

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Trauer um Henning Voscherau im Hamburger Rathaus

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    Henning Voscherau wurde am 13. August 1941 in Hamburg als Sohn des Schauspielers Carl Voscherau geboren. Er studierte Jura, wurde Notar und trat 1966 der SPD bei. 1974 wurde Voscherau erstmals in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt. Er galt als enger Freund des im November 2015 gestorbenen Altkanzlers Helmut Schmidt (SPD) und dessen 2010 gestorbener Frau Loki.

    Twitter: Was Olaf Scholz ins Kondolenzbuch schrieb

    Als Bürgermeister erlangte er Aufmerksamkeit, weil er sich für die kontrollierte Abgabe von Heroin einsetzte, um die Beschaffungskriminalität einzudämmen. Als die SPD bei der Bürgerschaftswahl im September 1997 die absolute Mehrheit verlor, trat er noch am Abend zurück. Ihm folgte Ortwin Runde (SPD), der mit den Grünen regierte.

    Zum Tod von Henning Voscherau: Reaktionen im Netz und von Prominenten

    Sein Nachnachfolger Scholz (SPD) erklärte jetzt: „Henning Voscherau war ein starker Bürgermeister in bewegten Zeiten. Er hat seine politischen Ämter mit Format und Substanz ausgefüllt. Hamburgerinnen und Hamburger unterschiedlichster Herkunft und Prägung schätzten ihn und vertrauten ihm." Voscherau habe Hamburg "nach innen verbunden und nach außen glänzend vertreten".

    "Ein ernsthafter Stadtmanager und sorgender Landesvater"

    Scholz sagte weiter, Voscherau sei ein "ernsthafter Stadtmanager und sorgender Landesvater, Wertkonservativer und Sozialdemokrat, charmanter Gastgeber und ideenreicher, geschliffen formulierender Intellektueller" gewesen.

    Henning Voscherau war mit seiner Frau Annerose seit 1971 verheiratet, aus der Ehe gingen ein Sohn und zwei Töchter hervor. Sein Bruder Eggert Voscherau war im Vorstand des Chemie-Giganten BASF. Henning Voscherau arbeitete nach seiner aktiven politischen Karriere erfolgreich als Notar in Hamburg.

    Das Kondolenzbuch für Voscherau liegt im Hamburger Rathaus aus. Bürgermeister Scholz hat sich als Erster eingetragen. Von Donnerstag an ist das Kondolenzbuch täglich von 9 bis 19 Uhr für alle Bürger zugänglich. Über die Trauerfeier ist noch nichts bekannt. Weil Voscherau auch bundespolitisch eine gewichtige Rolle spielte und zwischenzeitlich auch dem Bundesrat vorstand, wird mit einem großen Rahmen gerechnet.

    Olaf Scholz würdigt Henning Voscherau

    Scholz, der schon bei der Trauerfeier für Helmut Schmidt im Michel große Worte gefunden hatte, sagte jetzt über Voscherau: "Die ersten Geräusche in seinem Leben, an die er sich erinnern konnte, waren das anschwellende Motorengedröhn der Bomberflotten über Hamburg im Zweiten Weltkrieg. Ein ganzes Menschenleben später konnte er auf eine weltoffene, kosmopolitische Stadt blicken, die seit Jahrzehnten wieder in Frieden und Wohlstand erblüht und mit Selbstvertrauen in die Zukunft schaut. Er hat einen großen Beitrag dazu geleistet. Die Freie und Hansestadt Hamburg wird seiner allzeit in Dankbarkeit und Zuneigung gedenken."

    Wie Scholz war Jurist Voscherau in arbeitsrechtlichen Dingen bewandert. So holte die Bundesregierung den früheren Hamburger Senatschef im Jahr 2014, um die Kommission für den neuen Mindestlohn zu leiten. Diese Funktion für die Bundesregierung lag praktisch in der Familie. Auch Eggert Voscherau war Mitglied einer bedeutenden Kommission. Bundeskanzler Gerhard Schröder holte den Industrie-Manager in die prominent besetzte Hartz-Kommission.

    Auch die Hamburger FDP kondolierte der Familie. Parteivorsitzende Katja Suding erklärte: "Der Tod von Henning Voscherau stimmt uns tieftraurig. Wir Freien Demokraten und ich persönlich trauern um eine herausragende Hamburger Persönlichkeit und einen einzigartigen Menschen. Henning Voscherau war ein hochverdienter Bürgermeister, der immer über alle parteipolitischen Grenzen hinweg loyal zu seinem Wort und seiner Politik stand." Suding sagte, sie habe Voscherau kennengelernt als einen Menschen, der "seine ganze Lebenskraft zum Wohle Hamburgs einsetzte".

    "Ein Hanseat durch und durch"

    Die Hamburger CDU erklärte, Voscherau sei in seiner Art über die Parteigrenzen hinweg zum Vorbild geworden. Parteichef Roland Heintze sagte: "Henning Voscherau war ein Hanseat durch und durch, geradlinig und wertkonservativ. Er hat aber auch Weitblick bewiesen und Visionen für unsere Stadt gehabt, indem er Hamburg früh auf die Folgen der deutschen Wiedervereinigung vorbereitete und den Grundstein für die HafenCity legte."

    Weit vor seinem Tod sagte Voscherau über das Gemälde, das alle Hamburger Bürgermeister als Abschiedsgeschenk erhalten, das werde er im Keller verstauen. Er habe ein Interesse daran, dass das nicht so schnell im Rathaus aufgehängt werde. "Das kommt in den Keller und wird erst wieder ausgepackt, wenn ich mir in Ohlsdorf die Radieschen von unten ansehe."