Hamburg. 60 Minuten begleitet das Abendblatt einen Hamburger an seinem Arbeitsplatz. Teil 21, 20–21 Uhr, Ralf Klemm vom Restaurant Quellental.
Es ist 20 Uhr – die klassische Uhrzeit, um abends essen zu gehen. Anderswo trudeln jetzt die ersten Gäste ein. Für die Küchencrew im Quellental ist bereits Halbzeit. Das idyllisch am Nienstedtener Westerpark gelegene Restaurant – ein 1830 erbautes Waldhäuschen mit Wintergarten und Terrasse – war schon am frühen Abend gut besucht. Kein Wunder: dieser Augustabend ist einer der wenigen, an denen man draußen essen kann.
Pro Schicht können Gerichte für etwa 50 Gäste zubereitet werden. Mehr gibt die nur knapp 20 Quadratmeter große Küche nicht her. Sechs Tische sind bereits abgefertigt. Bevor die Nächsten bestellen, können sich Küchenchef Ralf Klemm und seine beiden Kollegen eine kurze Verschnaufpause leisten: einen schnellen Schluck aus der Wasserflasche, die benutzten Töpfe und Pfannen für den Spüler bereitstellen und die Arbeitsflächen reinigen. Jeder der drei Köche, die pro Schicht im Einsatz sind, hat seinen eigenen Arbeitsbereich. Justin Gerdts ist heute als „Saucier“ für alles Gebratene und die Saucen zuständig, Küchenchef Klemm verantwortet als „Entremetier“ Gemüsebeilagen, Pasta und das vegane Schmorgericht, und Levent Kuzgun ist „Gardemange“ und bereitet neben Salaten und Desserts auch die Vorspeisen zu.
„Gute Organisation ist das A und O in der Küche“, sagt Ralf Klemm. Deshalb ist jeder Arbeitsplatz so ausgestattet, dass die benötigten Zutaten in Griffweite verfügbar sind: Lammcarrées, Fischfilets und platzsparend aufgerolltes Schnitzelfleisch, vorgegartes, bereits geschnittenes Gemüse in verschiedenen Variationen, Saucen und Kräuter sowie Zutaten für Salat, Antipasti und Käseteller. Auch das hausgemachte Eis wird in einem Froster neben dem Arbeitsplatz von Levent Kuzgun aufbewahrt. Vorbereitet und einsortiert wurde alles von der Frühschicht. Diese beginnt um acht, die Spätschicht um 15 Uhr.
Die Küchencrew arbeitetHand in Hand
Die kurze Pause ist zu Ende. Restaurantleiterin Stephanie Arbung, die heute mit zwei weiteren Servicekräften im Einsatz ist, reicht einen Bon rein. Justin Gerdts liest vor: „Ein Vorspeisenteller für vier, dann zwei Wiener Schnitzel, ein Lammcarrée, ein Monats-Spezial“, und hängt den Bon an eine Leiste. „Jawohl“, antworten die beiden anderen wie aus einem Mund. Während Levent Kuzgun schnell, doch ohne Hektik die Antipasti-Zutaten appetitlich auf einem Teller anrichtet, leiten die anderen langsam die Zubereitung der Hauptgerichte in die Wege. Gerdts stellt zwei Pfannen auf den Gasherd, holt die bereits geschnippelten Kartoffeln und die noch unpanierten Schnitzel hervor. Dann brät er das Lammcarrée an, steckt es in einen Bräter und schiebt es in den Ofen.
Ralf Klemm hat am meisten zu tun: Der 38-Jährige schwitzt in mehreren Töpfen Butter an, um in einigen Minuten Schalotten, Pfifferlinge und Haselnüsse hinzuzufügen (das Monatsgericht ist pochierter Kabeljau mit Haselnuss-Kohlrabigemüse, Pfifferlingen und Nussbutter-Kartoffeln). Als Beilage zum Lammcarrée werden Bohnengemüse und Rosmarinkartoffeln serviert. Bohnen und Kartoffeln sind bereits vorgegart und müssen nur noch erwärmt werden, das Rosmarin wird frisch gehackt. Klemm ist in seinem Element. „Ich bin gerne Entremetier“, sagt er. „Die Arbeit ist durch den Umgang mit jahreszeitlich wechselndem Gemüse und den vielen möglichen Beilagen sehr abwechslungsreich.“
„Tisch 38 geht weiter“, sagt Restaurantleiterin Stephanie Arbung, die den leeren Antipasti-Teller in der Mini-Spülküche abstellt. Hier waltet Sammy aus Ghana. „Gute Spüler wie Sammy sind wichtige Mitglieder der Küchencrew“, sagt Klemm. „Sie bereiten viel vor und sorgen dafür, dass alles läuft.“ Tatsächlich behält Sammy den ganzen Abend über im Blick, dass nicht nur schnell abgewaschen wird, sondern auch dass jedem Koch stets genügend Equipment zur Verfügung steht.
Der zweite, der dritte, der vierte Bon kommen rein, werden vorgelesen und an die Leiste geklemmt. Herdflammen, -platten und Abstellflächen füllen sich mit immer mehr Töpfen, Pfannen und Tellern. Die Küchencrew arbeitet hoch konzentriert und Hand in Hand. Jeder behält den Überblick über seinen Bereich, verliert aber auch die Arbeit der Kollegen nicht aus den Augen. Schließlich müssen oft vier oder mehr Gerichte zeitgleich fertig sein.
Klemm hat vorher Politik und Geschichte studiert
„Wir sind ein gutes Team und können Gerichte in fünf bis sechs Minuten rausschicken“, sagt Ralf Klemm. Gut aufeinander eingespielt sind die drei, das ist unschwer zu erkennen. Richtig lange arbeiten sie aber noch nicht zusammen: Klemm und Gerdts sind erst seit zwei Jahren im Quellental, Kuzgun seit einem. „Köche sind ähnlich wie Seemänner: Sie heuern immer wieder woanders an“, sagt Klemm, der in Altona wohnt.
Während er Gemüsebeilagen auf Teller füllt, Tomatensauce mit Büffelmozzarella über frisch gekochte Spaghetti gibt, Saucen umrührt und ligurischen Fischeintopf erwärmt, zählt er einige Stationen seiner bisherigen Laufbahn auf: im La Mirabelle war er Küchenchef, davor hat er im Carls, in der Brasserie Bank und im Louis C. Jacob gearbeitet. Grund für den häufigen Wechsel, so die drei Kollegen, sei die Lust auf Abwechslung. „Neue Erfahrungen bilden weiter“, sagt Klemm, der vor seiner Ausbildung Politik und Geschichte studiert hat und erst seit zehn Jahren als Koch arbeitet.
Um 21 Uhr wird es langsam ruhiger – zumindest für Klemm und Gerdts. Sie fangen an, ihre Arbeitsplätze aufzuräumen und sauber zu machen. „Gardmange“ Kuzgun richtet derweil Brombeerparfait mit Macadamianuss-Brownie und Rohmilchkäse mit Feigensenf und Früchtebrot an.