Hamburg. Vor 150 Jahren begann eine neue Ära des Nahverkehrs. Eine Fahrt vom Rathausmarkt nach Wandsbek kostete drei Schillinge.

Es muss ein ordentliches Gerumpel gewesen sein, nachdem die Firma Basson & Co im Jahr 1839 den Omnibusverkehr in Hamburg gestartet hatte. Die vier aus England importierten Wagen mit Holzspeichenrädern wurden von Pferden durch die Straßen gezogen, die damals natürlich noch längst nicht so ausgebaut und ebenmäßig waren wie heute. Stattdessen ging es über holpriges Kopfsteinpflaster – sofern überhaupt Befestigungen vorhanden waren.

Reisende und Kaufleute mit internationalen Verbindungen berichteten in den späten 1850er-Jahren, dass man in den Großstädten Frankreichs, Englands und Amerikas schon eine Stufe weiter war: Dort wurden die Passagierwagen zwar auch von Pferden gezogen, aber auf Schienen. Sie waren damit keine Busse, sondern Bahnen. Seit 1832 zuckelte die erste Pferdebahn durch New York, 1854, so der Eisenbahnexperte Erich Staisch, fuhr „L’ Americain“ erstmals in Paris. Das erwies sich als deutlich komfortabler für die Fahrgäste – und auch für die Tiere. Denn ein Pferd kann, das zeigten Untersuchungen, auf einer Schiene eine bis zu elfmal so große Last ziehen.

Als erster Unternehmer in Hamburg wollte der dänische Ingenieur A. F. Möller mit einer solchen Pferdebahn sein Glück versuchen. Er beantragte eine entsprechende Konzession, doch die Stadtväter lehnten ab und taten das, was sie heute in solchen Fällen immer noch gern tun: Sie gaben dazu erst mal einige Gutachten in Auftrag. Erst nach gründlicher Prüfung wurde Ende September 1864 das Gesetz „betreffend die Pferde-Eisenbahn auf Hamburgischem Gebiet“ veröffentlicht. Möller erhielt die auf 20 Jahre befristete Konzession für seine Pferde-Eisenbahn Gesellschaft (PEG) und gab bei der Firma Lauenstein den Bau der Personenwagen in Auftrag.

Im Juli 1866 war die Strecke angelegt: Sie führte vom Rathausmarkt unter anderem über Hermannstraße, Glockengießerwall und Steintordamm zum Lübecker Tor und dann weiter bis zum Wandsbeker Zollamt. Und am 16. August 1866, also vor 150 Jahren, war es so weit: Die PEG ging mit 16 Wagen an den Start.

Pferdebahn vor dem
Strafjustizgebäude
am Sievekingplatz
um 1890
Pferdebahn vor dem Strafjustizgebäude am Sievekingplatz um 1890 © www.hamburg-bildarchiv

Die Fahrt vom Rathausmarkt (wo noch gar kein Rathaus stand) nach Wandsbek (das noch eine eigene Stadt war) dauerte laut Fahrplan 42 Minuten und kostete drei Schillinge. Am ersten Sonntag, so eine Chronik, drängten 8379 Personen in die Bahn. Jeder der rot lackierten, doppelstöckigen Wagen hatte 65 Plätze, davon 28 auf dem offenen Oberdeck, das aber „der Schicklichkeit halber“ für weibliche Fahrgäste gesperrt war. Im Klartext: Niemand sollte den vorbeifahrenden Frauen unter die Röcke schauen können.

Nur 13 Jahre später fuhr manin der Stadt schon mit Dampf

Berlin war seit 1865 die erste deutsche Stadt mit eigener Pferdebahnlinie, dahinter folgten nun also Hamburg und Wandsbek. Nachdem sich das neue Transportmittel als Erfolg erwiesen hatte, führte die PEG schon bald Abonnements und Sammelbilletts ein, auch folgten weitere Strecken: nach Barmbeck (1867) und Eimsbüttel (1868). Da die einzelnen Linien noch keine Nummern hatten, wurden die Wagen unterschiedlich lackiert, um sie auseinanderzuhalten. Die auf der Wandsbeker Strecke fahrenden blieben rot, während Grün den Weg nach Barmbeck und Braun den nach Eimsbüttel signalisierte.

Die Pferdebahnen hatten per Gesetz im Straßenverkehr absoluten Vorrang. Unmissverständlich wurde festgehalten: „Die Benutzung der Schienen bleibt den von dem Concessions-Inhaber in Fahrt gesetzten Wagen ausschließlich vorbehalten, das Befahren des Raumes zwischen den Schienen, die Kreuzungen der Schienen ist sonstigen Fuhrwerken gestattet, es haben jedoch alle Wagenführer, Reiter und Fußgänger den auf den Eisenbahnschienen sich bewegenden Wagen auszuweichen oder deren Vorüberfahren abzuwarten.“

Immer mehr Anbieter drängten auf den Markt, immer uneinheitlicher wurden die Bahnen. Auch kleinere, einstöckige waren auf den Straßen unterwegs, die nur circa 15 Sitz- und halb so viele Stehplätze hatten. Sie wurden von nur einem Pferd gezogen, dem bei Steigungen mühsam ein zweites Tier „vorgespannt“ wurde.

Hohenfelder Pferde-Omnibus,
noch ohne Schienen
Hohenfelder Pferde-Omnibus, noch ohne Schienen © www.hamburg-bildarchiv.de | www.hamburg-bildarchiv.de

Doch so erfolgreich die Pferdebahnen zeitweise sein mochten: Eine lange Ära haben auch sie nicht begründet. Zu umständlich und aufwendig war die Handhabung, und immer wieder kam es zu schweren Unfällen. Das Hauptärgernis war die geringe Geschwindigkeit. In zeitgenössischen Quellen wird berichtet, dass Fußgänger die Bahnen leicht ein- und auch überholen konnten, oft erreichten sie ein Ziel fast genauso schnell wie die Fahrgäste. Schon früh setzten Versuche mit Dampfmaschinen und Kleinlokomotiven ein, die den Pferdebetrieb zunächst unterstützten und dann streckenweise ganz ersetzten. Bereits 1879 nahm eine Dampf-Straßenbahn fahrplanmäßig den Betrieb zwischen Wandsbek und Hamburg, 1886 fuhren erstmals Akkumulatorenwagen nach Barmbeck.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren noch mehr als 3500 Pferde im Schichtdienst im Einsatz, doch ihre Zahl nahm ständig ab. Von 1894 an setzten sich immer stärker die elektrisch betriebenen, dunkelgrün gestrichenen Wagen der Strassen-Eisenbahn Gesellschaft (SEG) durch, die ihre kleineren Mit-Wettbewerber sukzessive übernommen hatte – darunter auch 1881 den Pionier PEG.

1890 war mit den Pferdebahnen in der Hamburger Innenstadt Schluss, auch wenn vereinzelt kleinere Betriebe noch weitermachten. Im Sommer 1897 wurde dann auch der Dampfbetrieb eingestellt, nachdem die „Elektrische“ alle Konkurrenten überholt hatte. Dass einige Jahrzehnte später auch die einst supermodernen Straßenbahnen für immer aufs Abstellgleis fahren würden, konnte sich damals niemand vorstellen.