Hamburg. Heiko Hubertz machte aus Bigpoint ein florierendes Gaming-Unternehmen. Dann änderte sich alles. Teil 1 der Abendblatt-Serie.
Die Räumlichkeiten schließen gewissermaßen einen Kreis. Das Start-up hat seinen Platz im Dachgeschoss jenes Kontorhauses an der Trostbrücke gefunden, in dem auch die Reederei F. Laeisz ihre Zentrale hat. Den Senior, Nikolaus W. Schües, hatte Heiko Hubertz 2011 bei der Verleihung des Gründerpreises für sein damaliges Computerspieleunternehmen Bigpoint kennengelernt. Er hatte die Auszeichnung in der Kategorie „Aufsteiger des Jahres“ bekommen. „Seither haben wir uns nie ganz aus den Augen verloren“, sagt Hubertz. „Als wir nun einen Firmensitz für unseren neuen Spieleanbieter Whow Games suchten, sind wir ins Gespräch gekommen.“ Denn Hubertz, der Gründer, hat es wieder getan.
Auf der kleinen Dachterrasse mit Blick hinüber zur Spitze des Rathauses haben zwei junge Männer Sitzsäcke mit nach draußen gebracht, um auf ihnen ihre Pause zu genießen. 30 Mitarbeiter hat der Firmenchef auf der obersten Etage des repräsentativen Gebäudes um sich versammelt. „Alles ehemalige Kollegen von Bigpoint“, sagt er stolz. „Nur vier haben noch nicht mit mir gearbeitet.“ Sogar Ex-Freundin und Ex-Mitarbeiterin Sandra Brown ist wieder mit dabei. Sie ist die Frau, mit der er vor ein paar Jahren auf Weltreise ging, um danach mit ihr eine Familie zu gründen und noch einmal etwas Neues anzufangen. Doch die Lebensziele erwiesen sich als nicht kompatibel. Das Paar trennte sich. „Ich fiel in ein tiefes Loch“, sagt Hubertz. „Ich war zwar Millionär, hatte aber kein Leben mehr, das mir gefiel.“
Im Jahr 2011 hatte er die Mehrheitsanteile an Bigpoint für 239 Millionen Euro an US-Investoren verkauft und sich aus dem operativen Geschäft auf einen Beraterposten im Aufsichtsrat zurückgezogen. Die Bigpoint GmbH, die 2002 unter anderem Namen als Mini-Spieleschmiede mit vier Programmierern angefangen hatte, beschäftigte damals auf dem Höhepunkt des wirtschaftlichen Erfolgs mehr als 700 Mitarbeiter in vier Ländern. Nach eigenen Angaben machte sie einen dreistelligen Millionenumsatz mit über 80 verschiedenen Browser- und Downloadgames für 190 Millionen User. Damit war das Unternehmen der zweitgrößte Entwickler von Onlinespielen in Europa.
Inzwischen ist das Leben von Hubertz wieder im Lot. Nicht nur, dass er sich privat neu orientiert hat. Die Frau an seiner Seite ist Rechtsanwältin Lea Spiegelberg (31). Mit ihr ist auch die Familienplanung für den gerade 40 Jahre alt gewordenen Hubertz noch einmal eine Option geworden. Und dann ist da sein neues Unternehmens-Baby, das Onlineportal Jackpot.de, auf dem Internetbesucher kostenlos Casinospiele und Spielautomaten spielen können. „Wer schon mal in einem Casino war, der weiß, dass man dort normalerweise nicht die großen Summen gewinnen kann“, sagt Hubertz. „Aber mal eben fünf Euro beim Roulette setzen. Oder einfach nur an der Bar einen Drink nehmen und Atmosphäre schnuppern, das ist für viele Spielspaß.“
Nach diesem Prinzip funktioniert auch sein virtuelles Portal. Sich bequem von zu Hause aus wie in Las Vegas fühlen, damit wirbt das Portal. Und anders als im richtigen Casino verlieren die Spieler kein echtes Geld, die Gewinne sind eher ideell. Dennoch ist der Reiz groß mitzumachen. Eingesetzt werden Chips, die man sich bei Aktionen erspielen kann. Wem die ersten Umsonst-Jetons ausgehen, der kann im Onlineshop nachkaufen.
Und genau hier beginnt das lohnende Geschäft für den Whow-Games-Chef. Die Masse macht es, wenn die Spieler für den Kleinstbetrag von einem Euro umfangreiche Chip-Pakete nachkaufen. Dazu bezahlte Werbung auf der Webseite und schon geht auch die neue Rechnung auf. „Bislang haben wir einen Millionenbetrag investiert“, sagt Hubertz. „Aber wir sind schon in diesem Jahr profitabel.“ Drei Partner sind seit der Gründung 2014 mit an Bord. Das Geschäftsmodell ähnelt dem von Bigpoint. Mit dem Kauf von virtuellen Gimmicks brachten besonders die Kassenschlager Farmerama und Drakensang Bigpoint wirtschaftlichen Erfolg.
Dass das neue Unternehmen wieder ein Spieleportal sein würde, war nicht geplant. „Ich bin meiner ursprünglichen Zielgruppe eigentlich entwachsen“, sagt Hubertz, der schon als Schüler programmierte und als Student seine erste Firma verkaufte. Doch ein Spielcasino ist ein Spiel für Erwachsene, insofern treffen Erfahrungen aus der Browsergames-Szene und eine älter werdende Kundschaft perfekt aufeinander. „Ich habe lange überlegt, was ich machen möchte“, sagt Hubertz. Nie mehr arbeiten gehen zu müssen, war trotz aller Millionen nie eine Option. „Am Ende dachte ich, Schuster bleib bei deinen Leisten. Gespielt wird immer.“ In den USA gibt es diese Art des Spielens in virtuellen Casinos schon lange. Nun soll auch Europa in den Genuss von einarmigen Banditen unter anderem auf dem Handy kommen. Mit Bigpoint und seinen mehr als 60 Spielen hatte der smarte Gründer seinerzeit den Sprung auf mobile Geräte nicht geschafft.
Im Frühjahr dieses Jahres wurde Bigpoint komplett vom chinesischen Konkurrenten Youzu übernommen. 80 Millionen Euro wurden als Kaufpreis kolportiert. Ein Schnäppchenpreis konstatierte die Gründerszene. „Diese Bewertung ist genauso falsch wie die Überhitzung zuvor“, sagt Hubertz. Bis April dieses Jahres saß er noch im Aufsichtsrat. Nun ist er ganz raus aus dem Unternehmen, das seit 2012 wie die gesamte Branche kriselt.
Damals hatte auch Bigpoint Mitarbeiter entlassen sowie Niederlassungen im Ausland schließen müssen. Der Glanz des erfolgsverwöhnten Gründers Hubertz hatte Sprünge bekommen. Es gab Tränen und Wut, als 80 Stellen in Hamburg gestrichen wurden. Vor allem, als der Chef als CEO von Bord ging und in den Aufsichtsrat wechselte. „Viele Mitarbeiter fühlten sich von mir im Stich gelassen.“ Verräter hieß es in bösen Mails. Dennoch steht Hubertz auch heute noch hinter diesem Schritt. „Ich gründe, aber ich bin kein Familienunternehmer.“ Unternehmensverkäufe, die Exit-Strategie, seien Teil des Systems.
Statt luxuriös an der Alster wohnt er wieder in Norderstedt
Zwischenzeitlich versuchte er sich auch mal als Business Angel, gründete eine Beteiligungsfirma, wollte mit seinem Geld und seinen Erfahrungen anderen Start-up-Gründern helfen. „Für mich war es eine frustrierende Erfahrung“, sagt er. „Es wurden Wege eingeschlagen, die ich nicht gegangen wäre. Außerdem passierten die Fehler mit meinem Geld und in meiner Zeit.“ Auch deshalb wollte er wieder selbst ein Unternehmen führen, natürlich eines, das er selbst gegründet hatte.
Zu den Konsequenzen aus den Erfahrungen der Vergangenheit als einer der reichsten Hamburger Bürger gehört für den Mann aus dem beschaulichen Heide im Dithmarschen auch eine gewisse Rückkehr zur Bodenständigkeit. Zwar hat er noch seine Finca auf Mallorca, aber die luxuriöse Wohnung an der Alster hat er wieder verlassen und ist stattdessen nach Norderstedt gezogen, dort wo er sich schon vor 13 Jahren ein Haus gekauft hatte. „Das habe ich renovieren und hübsch machen lassen“, sagt er. „Darin fühle ich mich wohl. Auch, weil in der Umgebung meine alten Freunde und Bekannten leben.“ Sein Lieblingsauto ist derzeit mit dem Tesla ein Elektroflitzer.
Zudem hat sein Job als Gründer und Unternehmer nicht mehr den gleichen Stellenwert wie früher. Stichwort Work-Life-Balance. „Ich will mein Leben genießen“, sagt Hubertz. Golf spielen, mit der Freundin reisen, Freunde treffen, das gehört zu seinem neuen Alltag dazu. Als Chef ist er zwar da, aber nicht mehr rund um die Uhr, so wie es früher war. Ansonsten gilt für ihn noch immer jener Leitsatz des amerikanischen Psychologen Wayne Dyer, der ihn schon durch die vergangenen Jahrzehnte trug: „Wer anderen die Schuld gibt, gibt ihnen die Macht.“ Andersherum bedeutet es Freiheit.