Hamburg. Das Unternehmen erhöht erneut Gewinnprognose – auch dank der an der Elbe sitzenden Division Windenergie.

Siemens hat nach einem starken dritten Quartal seine Gewinnprognose für das bis Ende September laufende Geschäftsjahr zum zweiten Mal angehoben. Europas größter Elek­trokonzern steigerte Umsatz und Betriebsergebnis deutlich und erreichte auch dank Großaufträgen im Bereich Energietechnik den höchsten Auftragsbestand in der Unternehmensgeschichte. Erheblichen Anteil daran hatte der Standort Hamburg, wo Siemens sein Geschäft mit der Windenergie konzen­triert hat. Die Umsatzerlöse im Bereich Windkraft und andere erneuerbare Energien sind gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 22 Prozent auf 1,72 Milliarden Euro angestiegen, der Gewinn sogar um ganze 178 Prozent auf 143 Millionen Euro.

Trotz der Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes, die in Deutschland zu einer Verzögerung beim Ausbau von Windparks führen wird, ist die Auftragslage bei Siemens geradezu komfortabel: Lag das Volumen der Windenergie-Aufträge im dritten Quartal vergangenen Jahres noch bei 693 Millionen Euro, so ist es im Vergleichszeitraum dieses Jahres auf 2,7 Milliarden Euro angewachsen. Grund dafür sind drei Großaufträge für Offshorewindparks in Großbritannien. Davon profitiert zum einen die neue Fabrik für Windrad-Maschinenhäuser, die Siemens derzeit in Cuxhaven baut, und zum anderen Hamburg, wo zentrale Dienste wie Arbeitssicherheit, Personal oder Ausbildung für Cuxhaven gesteuert werden.

Angesichts der positiven Entwicklung ist es geradezu ein Treppenwitz, dass die erfolgreiche Division Wind demnächst zerschlagen wird: Wie berichtet, legen Siemens und der spanische Anbieter Gamesa ihr Windenergie-Geschäft zusammen. Die rund 850 Siemens-Mitarbeiter der Division Wind in Hamburg werden dazu bis Ende des Jahres in eine neue Gesellschaft überführt, die dann mit Gamesa verschmolzen wird. Den Hauptsitz wird die neue Firma in Spanien haben. „Was das für den Personalbestand in Hamburg bedeutet, ist noch nicht bekannt“, sagte ein Siemens-Sprecher am Donnerstag. Klar sei aber, dass die Zentrale für das Offshoregeschäft als Untereinheit des neuen Gemeinschaftsunternehmens in Hamburg und in Dänemark angesiedelt werde.

Auf die jüngsten Ergebniszahlen hatte die bevorstehende Fusion noch keinen Einfluss. Sie werden vom operativen Geschäft getrieben: In einem schwierigen Marktumfeld habe Siemens vor allem im Vergleich mit den Wettbewerbern überzeugt, sagte Vorstandschef Joe Kaeser. „Der jahrelang anhaltende Wachstumsverfall ist gestoppt.“

Der Quartalsumsatz stieg um fünf Prozent auf 19,8 Milliarden Euro, der Auftragsbestand um sechs Prozent auf 21 Milliarden. Ohne Währungseffekte wären die Zuwächse noch größer gewesen. Beim Ergebnis machte sich neben der Windenergie die gute Lage im profitablen Geschäft mit der Medizintechnik bemerkbar, ebenso wie das Wachstum im herkömmlichen Kraftwerksgeschäft – der größten Siemens-Sparte. Großaufträge aus Ägypten, Schottland, den USA sowie Bolivien für Kraftwerke und Windräder machten die Nachfrageschwäche bei Kunden aus der Öl- und Gasindustrie mehr als wett.

„Unser Auftragsbestand ist auf den Rekordwert von 116 Milliarden Euro angewachsen“, sagte Kaeser. Hatten früher immer wieder unerwartete Milliardenbelastungen bei einzelnen Großprojekten das Konzernergebnis verhagelt, verbessere Siemens jetzt die Ertragskraft. Das Betriebsergebnis des Industriegeschäfts legte um satte 20 Prozent zu. Nur wegen höherer Steuern und Zinslasten ging der auf die Aktionäre entfallende Konzerngewinn von 1,36 auf 1,33 Milliarden Euro zurück. Für das im September endende Geschäftsjahr peilt Siemens nun einen leichten Umsatzzuwachs und einen Nettogewinn von 5,5 bis 5,7 Milliarden Euro an, nach 7,4 Milliarden Euro im Vorjahr.

Die Börse reagierte positiv – die Siemens-Aktien schlossen am Abend mit einem Plus von 4,6 Prozent den Handel ab. Sowohl die Quartalszahlen als auch das neue Gewinnziel lägen deutlich über den Erwartungen, erklärte ein Händler.

Sorgenkind bleibt die Sparte mit Industrieautomatisierung und großen Antrieben – als einzige verbuchte sie weniger Aufträge, Umsatz und Gewinn. Wegen des niedrigen Ölpreises investieren die Kunden aus der Öl- und Gasindus­trie wenig, die Preise sind unter Druck. In dem Geschäftsfeld gebe es „enorme Überkapazitäten“, eine Besserung sei nicht in Sicht, sagte Kaeser. In der Sparte will Siemens in Deutschland 2000 Stellen abbauen, im Ausland weitere 500. Beim Sparprogramm soll Siemens aber schon relativ weit sein.