Hamburg. Aufnahmestopp für Kinder in vielen Clubs: Dirk Fischer, Präsident des Hamburger Fußball-Verbands, fordert die Stadt zum Handeln auf.
Ein Aufnahmestopp für Kinder und Jugendliche in zahlreichen Hamburger Fußballvereinen ist für Dirk Fischer nicht hinnehmbar. „Das ist ein Super-GAU“, sagt der Präsident des Hamburger Fußball-Verbandes (HFV).
Wie berichtet, müssen besonders in dichter besiedelten Stadtteilen im Bezirk Eimsbüttel viele Clubs jungen Fußballern eine Absage erteilen. Die Gründe: Es fehlen sowohl genügend Plätze als auch Übungsleiter, um den Kindern am Nachmittag das Kicken beizubringen. „Bei uns trainieren oft vier Mannschaften gleichzeitig auf dem Platz“, sagt Sabrina Mix, Vorstandsfrau von HEBC. Beim Hamburg-Eimsbütteler Ballspiel-Club gibt es genau wie bei den Nachbarvereinen ETV, Victoria, Altona und Eppendorf-Groß Borstel schon seit geraumer Zeit lange Wartelisten vor allem für Kinder zwischen sechs und elf Jahren.
„Der Staat muss doch glücklich sein, wenn die Kinder organisiert und regelmäßig Sport treiben wollen, egal, für welche Sportart sie sich entscheiden“, sagt Fischer. Das bedeute nämlich, dass die jungen Menschen etwas für ihre körperliche Entwicklung tun, soziales Verhalten lernen und Alkohol- oder Drogenmissbrauch bis hin zu kriminellem Verhalten vorbeugen könnten. Aufgabe der Vereine sei es dann, das Training der Kinder und Jugendlichen zu organisieren und umzusetzen. „Aber die Clubs können das nur schaffen, wenn sie bei der Bezuschussung von Geldern für die Übungsleiter und bei der Bereitstellung von Sportstätten und Hallen vom Staat unterstützt werden. Das können die Vereine nicht aus den Mitgliedsbeiträgen finanzieren“, sagt Fischer, der außerdem darauf hinweist, dass sehr viel Arbeit in den Vereinen ohnehin bereits von Ehrenamtlichen geleistet werde.
Ein weiteres großes Problem stellt für Fischer die praktische Umsetzung bei der Einführung der Ganztagsschule dar. „Es ist ein Fehler gewesen, dass man damals nicht genug über die Frage nachgedacht hat: Was machen wir mit den Aktivitäten der Schüler im Neigungsbereich am Nachmittag?“ Das beinhalte Freizeitaktivitäten wie Ballett oder Reiten genauso wie Musik oder Fußball. „In unserem Bereich bedeutet das jetzt ganz praktisch, dass ein Fußballtraining allerfrühestens um 17 Uhr beginnen kann“, sagt Fischer. „Um das zu schaffen, müssen die Kinder aber meistens schon direkt von der Schule zum Training hetzen.“ Um 18 Uhr würden die Fußball spielenden Kinder und Jugendlichen auf den Sportplätzen aber bereits häufig wieder durch die erwachsenen Sportler verdrängt. Fischer: „Das Zeitfenster, um das klassische Jugendtraining von früher noch unterzubringen. ist jetzt also viel zu klein.“
Was nachmittags an den Schulen passiere, sei oft „pillepale“ anstatt „weiteren Fachunterricht wie etwa in Frankreich oder Schularbeiten unter Aufsicht“ anzubieten, so Fischer. Es gebe zwar an manchen Orten durch engagierte Schulleiter oder Lehrer eine gelungene Kooperation von Schule und Vereinen. „Das hängt aber oft nur von der Leidenschaft Einzelner ab“, kritisiert Fischer. „Eine Systematik ist bei der Kooperation von Schule und Verein für uns noch nicht zu erkennen.“ Fischer spricht von dem „verzweifelten Versuch, das, was an Verdrängung stattgefunden hat, ein Stück weit aufzufangen“. Hier könne durch ein verstärktes Sportangebot der Schulen in Zusammenarbeit mit den benachbarten Vereinen in den Nachmittagsstunden noch viel getan werden.
Über allem stehe, so Fischer, „dass der Fußballverband, aber auch der Hamburger Sportbund allen Kindern in dieser Stadt, die Sport treiben wollen, dies auch ermöglichen muss“.
Wartelisten auch in Schwimmvereinen
Denn das Problem ist nicht nur auf Fußball beschränkt. Beispiel Schwimmen: „Da wir nur Breiten- und keinen Leistungssport anbieten, fehlen uns Schwimmzeiten in den Hallen, weil uns nur sehr begrenzt Bahnen zur Verfügung stehen“, sagt Werner Schönau, Geschäftsführer beim SV Lurup. „Dies ist im Hinblick auf die vielen Kinder, die Schwimmen lernen möchten, sehr bedauerlich. Wartezeiten von zwei Jahren und mehr sind an der Tagesordnung.“
Wartelisten seien zunächst ein positives Signal, weil sie auf ein attraktives Angebot hinweisen, findet HSB-Präsident Jürgen Mantell. „Es gibt aber in Hamburg Sportarten, für die zu wenig Raum vorhanden ist. Beim Schwimmen steht eindeutig zu wenig Wasserfläche zur Verfügung.“ Den Vereinen dürfe das Leben nicht schwer gemacht werden, „weder in den Rahmenbedingungen noch organisatorisch“. Bei der Ganztagsschule sollten Schulen und Vereine „offen sein und aufeinander zugehen“.
Daniel Knoblich, Geschäftsführer der Hamburger Sportjugend, spricht im Hinblick auf die Ganztagsschule von einer „großen Herausforderung“ für die Vereine. „Um es auf den Punkt zu bringen: An der Stelle, wo Kinder früher traditionell in den Sportverein kamen, sitzen sie heute in der Ganztagsschule.“
Die ungleichen Voraussetzungen pro Schulstandort bedeute für die Vereine einen erheblichen Kommunikations- und Koordinierungsaufwand, um erfolgreich Kooperationen anzubahnen. Man sei aber auf einem „ordentlichen bis guten Weg“. Mit 500.000 Euro der Stadt fördert die Sportjugend 520 Kooperationen an 175 Schulstandorten. „Damit erreichen wir 48 Prozent der insgesamt 360 Standorte“, sagt Knoblich. „Darüber hinaus existieren noch weitere Kooperationen, die direkt zwischen den beiden Partnern frei verhandelt werden.“
Mit der Problematik fehlender Sportstätten, mangelnder Übungsleiter sowie einer Verbesserung bei der Kooperation von Schule und Verein müsse sich jetzt endlich auch die Bürgerschaft befassen, fordert Dirk Fischer: „Das Thema gehört in den Sportausschuss und auf die Agenda der Schulbehörde.“