Hamburg. Viele Vereine haben einen Aufnahmestopp verhängt, es fehlt an Trainern und Spielfeldern. Ganztagsunterricht zählt zu den Ursachen.

Es ist ein klassisches Dilemma, auch für Sabrina Mix: Einer­seits müsste die Vorstandsfrau vom Hamburg­-Eimsbütteler Ballspiel-Club (HEBC) Luftsprünge machen, weil sich so viele Kinder für ihren Verein interessieren und die Zukunft sichern könnten. Andererseits ist es zum Verzweifeln, da sie die vielen Anfragen von Eltern negativ beantworten muss. Denn der „Verein zwischen den Häusern“ würde gern mehr Kinder aufnehmen, kann es aber nicht. „Oft trainieren schon vier Mannschaften gleichzeitig auf dem Platz“, sagt Mix. „Es fehlt an Trainern und Spielfeld.“ Die Folge ist ein Aufnahmestopp für Jungs, die in den Jahren 2007 bis 2011 geboren wurden.

Vielerorts in der Stadt führt der anhaltende Fußballboom zu ähnlichen Problemen in den Jugendabteilungen. Anmeldestopps für Jungs sind inzwischen keine Seltenheit mehr, oftmals sollen mehr Kinder in die Vereine, als trainiert werden können. Besonders bei beliebten Clubs sind die Wartelisten lang, wenn es sie überhaupt noch gibt.

Auch die Wartelisten der Fußballclubs sind überfüllt

Bei den Nachbarn des HEBC, dem Eimsbütteler Turnverband (ETV), sind etwa die Jahrgänge 2009 bis 2011 voll, neue Kinder können nicht aufgenommen werden. „Und da auch die Wartelisten überfüllt sind, nehmen wir leider auch dort niemanden mehr auf“, sagt Sprecherin Friederike van der Laan. Der Winterhude-Eppendorfer Turnverein (WET) hat für im Jahr 2007 Geborene keine Kapazitäten mehr, beim Alsterdorfer Verein SC Sperber sieht es für die F-Jugend schlecht aus, und ein Blick nach Altona lässt die Situation nicht freundlicher erscheinen.

Bei Altona 93 heißt es: „Als Stadtteilverein sind wir stets bemüht, allen interessierten Kindern die Möglichkeit zu bieten, bei uns Fußball zu spielen. Leider können wir aufgrund der sehr großen Nachfrage nicht allen Kindern eine Vereinsmitgliedschaft ermöglichen. Speziell in den jüngeren Jahrgängen sind wir ausgelastet.“ Nur heraus­ragende Talente werden nach einem Vorspielen noch aufgenommen.

Der niedrigschwellige Einstieg in den Breitensport wird bereits im Kindesalter vom Leistungsgedanken geschluckt. Die Liste ließe sich über den TSV Eppendorf-Groß Borstel bis zum zwischenzeitlichen Aufnahmestopp beim SC Victoria fortsetzen. Viele Vereine können sich vor Anmeldewünschen im Jugendbereich kaum retten.

Wie viele Vereine dabei mit Aufnahmestopps arbeiten müssen, kann Carsten Byernetzki, stellvertretender Vorsitzender des Hamburger Fußball-Verbands, nicht sagen: „Uns werden keine offiziellen Mitteilungen darüber gemacht.“ Aber sobald sich die gute Jugendarbeit eines Vereins herumspreche oder ein neuer Kunstrasen verlegt wurde, würden jeweils auch die Anmeldezahlen steigen.

Von der G- bis zur D-Jugend sind 43.000 Kinder angemeldet

„Zudem erleben wir nach jeder EM oder WM einen Anstieg“, sagt Byernetzki. Manchmal seien auch Müttergespräche auf dem Spielplatz Auslöser für eine Anmeldewelle. Der Wunsch der Eltern, es anderen Eltern gleichzutun und ihr Kind betreut zu wissen, sei nicht zu unterschätzen. „Die Qualität der Trainer und Betreuer spielt eine große Rolle“, so Byernetzki.

Allein von der G-Jugend (unter Siebenjährige) bis zur D-Jugend (Elf-/Zwölfjährige) sind laut Hamburger Fußball-Verband 2000 Teams mit 43.000 Kindern gemeldet. Und während einige Clubs wegen der hohen Mitglieder­zahlen bis zu zehn Teams pro Jahrgang stellen können, stoßen andere Vereine mangels Platzkapazitäten oder ehrenamtlicher Betreuer an ihre Grenzen.

Beim ETV etwa werden als Gründe für den Aufnahmestopp die begrenzten Plätze, aber auch ein kleines Zeitfenster durch den Hamburger Ganztag genannt. Sprecherin van der Laan: „Die Plätze stehen lange leer, erst ab 16 Uhr gibt es für ein paar Stunden eine hohe Frequentierung, oft erst ab 16.45 Uhr. Dabei müssen sich auch die Erwachsenen hinten anstellen.“

Freiwillige zu finden, die sich engagieren, sei nicht einfach, aber klappe beim ETV gut. Van der Laan: „Viele Eltern engagieren sich bei Engpässen und versuchen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, natürlich leidet darunter jedoch manchmal die Qualität.“

Flächen, auf denen Kinder frei spielen können, sind rar

Unter den 459 Hamburger Fußballclubs genießt der Niendorfer TSV einen guten Ruf. 60 bis 70 Ehrenamtliche seien dort im Einsatz, auch um etwa 100 neue Kinder und Jugendliche pro Jahr aufzunehmen. Jugendleiter Michael Imme beobachtet dabei aber auch ein anderes Phänomen. Denn die Kinder würden immer früher zum Kicken in die Vereine geschickt, oft schon im Alter von vier Jahren. „Kindern kann schnell die Freude am Fußball genommen werden, wenn sie zu früh im Verein spielen“, sagt Imme. Er würde sich wünschen, dass Eltern zweimal darüber nachdenken, ob eine andere Sportart den Neigungen des Kindes eher entsprechen würde.

Andererseits, sagt er, seien Flächen, auf denen Kinder früher frei spielen konnten, in der Großstadt nun mal rar – „da ist der Impuls, sein Kind früh unter Aufsicht im Verein trainieren zu lassen, groß.“ Ein Aufnahmestopp sei deshalb doppelt bitter – für Eltern und Vereine. Wobei nicht nur Fußballclubs damit arbeiten müssen, sondern beispielsweise auch das Kinderturnen beim TuS Berne oder die Schwimmer der SG Bille sowie Hockey-Teams des ETV oder des SC Victoria.

Carsten Byernetzki vom Fußball-Verband rät Eltern deshalb: „Bei der Vereinsdichte in Hamburg wird es ein paar Straßen weiter eine Alternative geben.“