Ihr Gegenspieler sitzt im Nachbarbüro: Umweltsenator Kerstan. Manch Problem löst Dorothee Stapelfeldt auf dem kleinen Dienstweg.

Sie sind vor gut einem Jahr von der Wissenschafts- in die Stadtentwicklungsbehörde gewechselt. Fühlen Sie sich schon heimisch?

Dorothee Stapelfeldt: Ich war lange Jahre Mitglied im Bauausschuss der Bürgerschaft. Insofern konnte ich sehr gut an die damalige politische Arbeit anknüpfen. Die langfristige Entwicklung und Gestaltung Hamburgs mit zu steuern, ist nicht nur eine faszinierende Herausforderung, sondern auch sehr interessant und spannend.

Sie arbeiten mit Umweltsenator Jens Kerstan von den Grünen unter einem Dach. Sagen Sie sich im Fahrstuhl mal die Meinung?

Beide Behördenleitungen sitzen im 12. Stock. Im Alltag gehen wir freundlich und entspannt miteinander um. Natürlich gilt es immer wieder, unterschiedliche Interessen auszugleichen. Die Interessen des Wohnungsbaus müssen mit denen der Umwelt abgestimmt werden.

Gehen Sie auch mal rüber in sein Büro und klären Dinge auf dem „kurzen Dienstweg“?

Natürlich gehe ich auch hin und wieder vorbei und frage, ob er ‘mal fünf Minuten Zeit’ hat.

Kerstan formuliert seine Meinung gern zugespitzt. Nervt es Sie, wenn er mal wieder eine ökologische Sau durchs Dorf treibt?

Grundsätzlich arbeiten wir sehr kooperativ zusammen. Aber natürlich gibt es auch Diskussionen. Das ist für mich im Übrigen nicht neu. Zwischen 1997 und 2001 hatten wir schon einmal eine rot-grüne Koalition. Daher kenne ich das.

Was ist für Sie wichtiger: neu gebaute Wohnungen oder der Erhalt von Grünflächen?

Bei der Entwicklung Hamburgs haben wir drei gleichrangige Ziele zu erfüllen. Erstens müssen wir die große Nachfrage nach Wohnungen befriedigen. In der Hansestadt Hamburg werden im Jahr 2030 rund 100.000 Menschen mehr leben, sagen uns Prognosen voraus. Das bedeutet, dass 70.000 zusätzliche Haushalte mit Wohnungen versorgt werden müssen. Zweitens: Selbstverständlich brauchen die Menschen gute Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten. Deshalb sind entsprechende Industrie- und Gewerbeflächen notwendig. Drittens ist Hamburg lebenswert, weil es eine grüne Stadt ist. Wir haben einen höheren Anteil an Grünflächen und Naturschutzgebieten als Berlin oder München.

Sie haben angekündigt, dass Hamburg seine grüne Reserven anknabbern werde.

Darum kommen wir nicht herum, wenn wir den Bedarf nach mehr Wohnraum erfüllen wollen. Allerdings sind die Naturschutzgebiete tabu, und nur in wenigen Ausnahmefällen berührt eine sinnvolle Wohnungsbauentwicklung auch bestehende Landschaftsschutzgebiete. Dafür wird zudem Ausgleich geschaffen. Derzeit sind neun Prozent der Hamburger Fläche Naturschutzgebiete und 16 Prozent Landschaftsschutzgebiete. Dabei soll es im Großen und Ganzen bleiben. Der grüne Charakter unserer Stadt steht nicht zur Disposition.

Zugleich wollen Sie die Stadt weiter verdichten. Ist dafür wirklich noch Platz?

Es gibt zwischen den Vierteln erhebliche Unterschiede. In Eimsbüttel haben wir die höchste Bevölkerungsdichte Hamburgs. Ganz anders ist die Situation in Bergedorf, in Langenhorn, in Barmbek, Billstedt oder in Poppenbüttel. Wir wollen bestehende urbane Kerne verdichten, also dort bauen, wo es bereits eine Infrastruktur gibt. Wohnsiedlungen an neuen Orten planen wir lediglich in zwei Gebieten: in Fischbek im Südwesten Hamburgs und in Oberbillwerder.

Die Kritik der Wohnungswirtschaft an den Umweltauflagen beim Neubau von Wohnungen wächst. Sehen Sie das genauso?

Wir haben in Hamburg im Jahr 2008 eine besonders strenge Klimaschutzverordnung verabschiedet. Diese stellt teilweise höhere Anforderungen an die Wohnungswirtschaft als die zu Beginn dieses Jahres überarbeitete Energieeinsparverordnung. Mit anderen Worten: Hamburg hat sich bereits hohe Klimaschutzziele gesteckt, und wir wollen diese erfüllen. Zugleich halte ich niedrigere Baukosten und niedrigere Bewirtschaftungskosten für unverzichtbar.

Wo liegt die Grenze beim Wohnungsbau?

Wir wollen erreichen, dass die Baukosten für Wohnungen im mittleren Segment nicht über 1800 Euro pro Qua­dratmeter liegen. Dazu laufen derzeit zwei Testprojekte, von denen ich mir eine Reihe von Erkenntnissen erhoffe.

Die Bauwirtschaft hat Zweifel, dieses Ziel zu erreichen, wenn nicht zugleich die Anforderungen an den Klimaschutz reduziert werden. Wo kann man da schrauben?

Ich will den Bau günstiger Wohnungen erreichen, ohne den Klimaschutz zu vernachlässigen. Ein Schritt könnte darin bestehen, Bundesregelungen zu vereinfachen. Ein anderer ist die sogenannte Technologieoffenheit. Das bedeutet, wir sollten jede technische Neuerung prüfen, ob sie uns bei unserem Ziel hilft. Viele unserer Ziele können wir erreichen, wenn wir nicht nur einzelne Gebäude, sondern die Energieversorgung ganzer Quartiere betrachten – zum Beispiel über innovative Nahwärmekonzepte. Dann würde man sich möglicherweise über eine andere Form der Energieversorgung Gedanken machen.

Auch Dämmen von Wohngebäuden ist in Kritik geraten. Dämmen wir uns zu Tode?

Es gibt in der Tat viele Diskussionen, ob dieses umfangreiche Dämmen allein der richtige Weg ist. Ich möchte mich an dieser Diskussion nicht beteiligen. Ich sage aber: lasst uns alle technischen Möglichkeiten prüfen, die helfen, Energie einzusparen und gleichzeitig günstiger zu bauen. Ich vertrete da einen pragmatischen Ansatz. Was hilft, sollten wir ausprobieren und einsetzen.

Sie verweisen auf Regelungen des Bundes. Was kann Hamburg jetzt unternehmen?

Wissen und Erfahrungen der Wohnungswirtschaft sind bei der Suche nach sinnvollen Lösungen unverzichtbar. Die Wohnungsunternehmen haben schließlich die langfristigen Auswirkungen von Klimaschutzauflagen auf die Unterhaltungskosten im Blick. Und eines ist klar: für die Mieterinnen und Mieter muss auch die sogenannte zweite Miete auf längere Sicht bezahlbar sein. Erhöhte Umweltschutzauflagen dürfen nicht dazu führen, dass über die Jahre die Mieter immer mehr bezahlen müssen. Wir haben in Hamburg bereits sehr hohe technische Standards. Jetzt geht es darum, wie man die Klimaschutzziele mit kostengünstigem Bauen verbindet.

Für neun der geplanten 14 Expresswohnungssiedlungen für Flüchtlinge liegt bislang weder ein Bauantrag noch eine Baugenehmigung vor. Was ist der Grund?

Dass wir erst mit zwei Wohnungsbauprojekten begonnen haben, ist für die Experten keine Neuigkeit. Die Vorbereitungszeit war kurz. Immerhin wurden wir alle von der großen Zahl von Flüchtlingen im Herbst vergangenen Jahres überrascht. Allerdings haben wir auch bei den anderen Projekten bereits große Fortschritte in der Planung erreicht. Es gab Workshops mit den Bürgerinnen und Bürgern und sehr viele Informationsveranstaltungen.

Wäre es nicht besser, gleich normale Sozialwohnungen zu bauen?

Wir haben mit mehreren Bürgerinitiativen einen Bürgervertrag geschlossen und damit eine klare Vertragslage. Es ist gut, dass wir diesen Konsens gefunden haben. Dazu gehört, dass wir an unseren Plänen festhalten, Wohnsiedlungen für Flüchtlinge zu errichten, und dass gleichzeitig bei einigen dieser Quartiere von Beginn an öffentlich geförderte Wohnungen dazukommen.